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Henning Koch, Stifterverband
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Gestaltung
Atelier Hauer + Dörfler, Berlin

Zitationshinweis
Koch, H., Schneider, C., Wilke, U. (Hrsg.). (2024). Future Skills lehren und lernen. Schlaglichter aus Hochschule, Schule und Weiterbildung. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.

DOI: 10.5281/zenodo.13944245

Medien



HERZLICH WILLKOMMEN!

Sie befinden sich in Kapitel II "Future Skills in der Lehr-Lern-Praxis".

Auf dieser Seite stellen die Autorinnen und Autoren konkrete Lehr-Lern-Beispiele aus ihrer Praxis vor. Diese sind in drei Fokusthemen unterteilt:

  • Interdisziplinäre Lehr- und Lernformate für Future Skills
  • KI als Lerninhalt und Methode des digitalen Lernens
  • Spezifische Future Skills lehren

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Die weiteren Kapitel und das Intro der Publikation finden Sie hier:

⸺ 𝝞𝝞 · FUTURE SKILLS IN DER LEHR-LERN-PRAXIS







FOKUSTHEMEN





FOKUS INTERDISZIPLINÄRE LEHR- UND LERNFORMATE

01 · (FUTURE) SKILLS UNIVERSITÄTSSPEZIFISCH ENTWICKELN UND FÖRDERN – EIN PRAXISBEISPIEL ⸺

SOPHIA HOHMANN · FABIAN SCHUMACHER Universität Bielefeld

In diesem Beitrag stellen wir das Profil von SKILLS vor. SKILLS ist ein Portal, auf dem Studierende der Universität Bielefeld zentral gebündelt vielfältige Angebote für ihre Kompetenz- und Talententwicklung, Profi­lierung und Berufsorientierung finden. Das Profil von SKILLS beinhaltet verschiedene Kompetenz- und Themenbereiche, die einerseits anschluss­fähig an die aktuelle Diskussion um Zukunftskompetenzen sind. Anderer­seits entwickelt sich SKILLS aus den Schwerpunkten in Forschung und Lehre der Universität Bielefeld und fokussiert dementsprechend auf verschiedene Aspekte der Diskussion.



1 Einleitung

In der aktuellen hochschuldidaktischen Diskussion und strategischen Ausrichtung von universitären Bildungsangeboten gewinnen verschie­dene Konzepte, die die Förderung sogenannter »Future Skills« fordern, zunehmend an Bedeutung (vgl. Ehlers, 2020, S. 1). Was unter dem Kon­zept zu verstehen ist und welche Skills beziehungsweise Kompetenzen darunter zu fassen sind, ist bisher nicht einheitlich geklärt worden (vgl. Kalz, 2023, S. 337). Es existieren zum einen verschiedene Definitionen und zum anderen verschiedene sogenannte Frameworks, die unterschied­liche »Zukunftskompetenzen« (Kalz, 2023, S. 333) zumeist in Relation zueinander stellen. Eine Gemeinsamkeit der Konzepte ist der Aufforde­rungs­charakter an Individuen, sich tiefgreifenden unter anderem öko­logischen und gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Diese »Gegenwartsdiagnose« (Bettinger, 2021, S. 50) wird als erwiesen angesehen und vielfach nicht infrage gestellt.

Die Uneindeutigkeit der Konzepte drückt sich beispielhaft in dem Ver­hältnis von Zukunftskompetenzen zu Schlüsselkompetenzen beziehungs­weise Schlüsselqualifikationen (im Folgenden einheitlich Schlüsselkompe­ten­zen) aus. Schlüsselkompetenzen waren und sind vielfach anleitend für die strategische Ausrichtung fachübergreifender Angebote an Hoch­schulen (vgl. Enderle et al., 2021, S. 17). Unter Schlüsselkompetenzen versteht man im weiten Sinn Angebote, »die nicht – oder zumindest nicht ausschließlich – dem kernfachlichen Bereich zugerechnet sind« (Enderle et al., 2021, S. 19). Schlüsselkompetenzen fokussieren in einem engeren Sinn auf Kompetenzen, »die nicht durch die Basiskompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen sowie Fachwissen abgedeckt werden« (Kalz, 2023, S. 335). Während einige davon ausgehen, dass Schlüsselkompe­tenzen durch Zukunftskompetenzen eine Ergänzung erfahren, insbeson­dere mit Blick auf verschiedene digitale Kompetenzen, gehen andere davon aus, dass Schlüsselkompetenzen Zukunftskompetenzen umfassen (vgl. Enderle et al., 2021, S. 25). Trotz dieser exemplarisch genannten Unklarheiten gibt es inzwischen eine Vielzahl von Initiativen, in denen Zukunftskompetenzen als »neue Herausforderung für Hochschulen positioniert« werden (Kalz, 2023, S. 333).

Ehlers zufolge »sollen Future Skills diejenigen Fähigkeiten sein, die es Hochschulabsolventinnen und -absolventen ermöglichen, die Heraus­forderungen der Zukunft bestmöglich zu meistern« (Ehlers, 2020, S. 3). Mit Blick auf Zukunftskompetenzen ist also zu fragen, wie angemessen antizipiert werden kann, welche Kompetenzen künftig besonders gefragt sind. Bildungsprozessen ist immer gemein, dass ihre Passung zu zukünf­tigen Berufen nicht zwingend gegeben ist. Ladenthin (2020) bezeichnet dies als »ein Zukunftsparadox, weil man Zukunftsfähigkeit an Inhalten aus der Gegenwart bemessen möchte« (S. 26). Bezogen auf Zukunftskom­petenzen fällt auf, dass besonders Expertinnen und Experten aus der Wirt­schaft adressiert werden, Kompetenzbedarfe ihrer zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu benennen und die Expertise von Universi­täten in diesem Diskurs eine nachrangige Stellung einnimmt (vgl. Bettinger, 2021, S. 47 & 50). So basieren beispielsweise die Ergebnisse von Ehlers (2020) auf einer Befragung von Personen mit Personal­verantwortung sowie in diesen Organisationen tätigen Dualstudierenden (vgl. Ehlers, 2020, S. 38).

Als vorläufiger Bestimmungsversuch werden Zukunftskompetenzen im Rahmen des hier vorgestellten Portals SKILLS in enger Verbindung zu Schlüsselkompetenzen verstanden, die einander komplementär ergänzen. Zukunftskompetenzen betonen die Zukunftsoffenheit von Bildungs­prozessen mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche, ökologische und ökonomische Herausforderungen. Sie lassen sich in individueller, gesell­schaftlicher und beruflicher Perspektive deuten, was vielfältige Poten­ziale für die universitäre Talententwicklung eröffnet. Dieses Kompetenz­verständnis ist anschlussfähig an Konzepte von Handlungs­kompetenzen, die sowohl Fähigkeiten als auch Fachkenntnisse und routinierte Aktivi­täten umfassen (vgl. Career Service Universität Bielefeld, 2021, S. 21).

Am Zentrum für Lehren und Lernen (ZLL) der Universität Bielefeld wird daran anknüpfend mit SKILLS ein Portal zur Kompetenz- und Talent­entwicklung, Profilbildung und Berufsorientierung von Studierenden entwickelt. SKILLS zielt darauf ab, dezentrale vorwiegend fachüber­greifende Angebote für den studienbegleitenden und berufs­vorberei­tenden Kompetenzerwerb zentral zu bündeln und das daraus entstehende Portfolio mit qualitativ hochwertigen, frei verfügbaren (Selbst-)Lern­angeboten zu ergänzen. Anleitend für die Konzeption von SKILLS ist die Frage, wie Bielefelder Studierende im Kontext vielfältiger, auch außer­universitärer Lernformate und -angebote in ihrem informierten und reflektierten Kompetenzerwerb bedarfsgerecht unterstützt werden können (vgl. hierzu auch Foelsing & Schmitz, 2021, S. 41).



2 Fachübergreifende Kompetenzförderung im Kontext universitärer Bildungsprozesse

Ausgehend von den Uneindeutigkeiten und Setzungen der Konzepte von Schlüssel- und Zukunftskompetenzen besteht keine Einigkeit darüber, wie Zukunftskompetenzen idealerweise im Rahmen der universitären Bildung gefördert werden sollten (vgl. Horstmann, 2023, S. 31). Um sich diesem Problemfeld anzunähern, ist es hilfreich, die Ziele des universitären aka­demischen Studiums in den Blick zu nehmen. Der Wissenschaftsrat (2015) beschreibt drei Kernkompetenzen, durch die Studierende befähigt wer­den sollen, »komplexe berufliche Tätigkeiten auszuüben und ihre individu­ellen (Weiter-)Bildungs- und Erwerbsbiographien erfolgreich zu gestal­ten« (S. 7). Diese drei Dimensionen werden differenziert in die Bereiche (Fach-)Wissenschaft, Arbeitsmarktvorbereitung und Persönlichkeits­bildung. Alle Studienprogramme oder auch Disziplinen aller Hochschulen sollen sich an diesen Zielen ausrichten.

Wie bereits im vorherigen Kapitel angeführt, müssen Universitäten in der Gestaltung ihrer Studienprogramme auf eine grundlegende Problematik reagieren: Durch die sich im stetigen Wandel befindliche Welt ändern sich die Anforderungen an die Dimensionen (Fach-)Wissenschaft, Arbeits­markt­vorbereitung und Persönlichkeitsbildung fortlaufend. Digitale Kompetenzen in Folge der rasanten Entwicklungen generativer KI-Technologien, Reflexionskompetenzen, Innovationsbereitschaft, kon­struk­tive Zusammenarbeit innerhalb von gruppenbasierten Szenarien oder die zunehmende Notwendigkeit für fachübergreifende und inter­disziplinäre Herangehensweisen sind zusätzliche Anforderungen, die an die Fakultäten und Fächer gestellt werden (vgl. Wissenschaftsrat, 2022; OECD, 2020a). Diese Problematik wird ergänzt durch die Forderungen nach der Ausbildung für eine Arbeits- und Lebenswelt, die nur einge­schränkt vorhersagbar ist: »Wie können wir Lernende auf Arbeits­plätze vorbereiten, die noch nicht existieren? Wie können wir sie befäh­igen, gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen, die noch nicht absehbar sind, und Technologien zu nutzen, die es noch nicht gibt?« (OECD, 2020a, S. 8).

Fächer reagieren mit zunehmend interdisziplinären Ansätzen und neuen fachlichen Inhalten, um Studierende optimal auf die Lebens- und Arbeits­welt vorzubereiten. Hierdurch beklagen jedoch viele Fachvertreterinnen und -vertreter eine Expansion der genuinen Fach(inhalts)curricular und müssen in der Folge verstärkt Prioritäten bei neu zu integrierenden Themen setzen (vgl. Wissenschaftsrat, 2022). Die OECD (2020b, S. 11 f.) spricht hier für den allgemeinen Bildungsbereich bereits von dem Pro­blem des »curriculum overloading«. Diese Expansion des Curriculums widerspricht auch der Forderung des Wissenschaftsrats (2022, S. 21), wonach Studierenden gerade mehr Freiräume gegeben werden sollten, um in eigenverantwortlichen Settings arbeiten zu können.



3 Verortung von SKILLS im Bielefelder Studienmodell

SKILLS setzt daran anknüpfend an einem ergänzenden extracurricularen Ansatz an, um die zwei identifizierten Herausforderungen – mehr Flexi­bilität beim interessengeleiteten Kompetenzerwerb und Expansion der Fachcurricula – zu bearbeiten. Im Diskurs um Zukunftskompetenzen besteht keine Einigkeit darüber, ob die Angebote im oder außerhalb der Fachstudiengänge liegen sollten (Horstmann, 2023, S. 31; Stifterverband, 2019, S. 23 & 26).

Eine Besonderheit des Bielefelder Studienmodells ist der Individuelle Ergän­zungsbereich (IndiErg), in dem Studierende vieler Fachrichtungen die Möglichkeit haben, bis zu 30 Leistungspunkte in regulären Lehr­veran­staltungen der Fächer – größtenteils modular gebunden – zu erbringen. Der IndiErg bietet Bielefelder Studierenden dementsprechend vielfältige Möglichkeiten, curricular gebunden ihr eigenes Profil zu schärfen und ihre Kompetenzen über das eigene Fach hinaus zu erweitern. SKILLS ermög­licht Studierenden zwar auch eine interessengeleitete Kompetenz­ent­wick­lung und Profilbildung. Jedoch finden sich bei SKILLS im Verhält­nis zum IndiErg vorwiegend extracurriculare Angebote. Diese Angebote sind sowohl universitätsinterne als auch externe Angebote von großen Bil­dungsplattformen. Eine Anrechenbarkeit mit Leistungspunkten der Angebote von SKILLS ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Ebenso sind im Rahmen von SKILLS vorwiegend Veranstaltungsformate wie digitale asynchrone Kurse oder Workshops zu finden. Mit einem außerhalb der Studienordnungen liegenden Angebot verfolgt SKILLS einen Ansatz, der korrespondierend zum IndiErg einerseits die Studien­fächer bei der Einbindung überfachlicher Zukunftskompetenzen entlastet und andererseits eine flexiblere Reaktionsfähigkeit auf inhaltliche Ent­wicklungen ermöglicht, da SKILLS an keinen Akkreditierungszyklus gebunden ist.

Wie bereits deutlich wurde, sind Zukunftskompetenzen und die damit ein­hergehende inhaltliche Fokussierung in den Studienfächern nicht unstrit­tig. Der Diskurs um Zukunftskompetenzen sieht Universitäten eher in der Rolle der Veränderungsbedürftigen. Die notwendigen curricularen Ände­rungen werden zum Beispiel von Akteuren der Wirtschaft vorgegeben. Universitäten sollten und können aber eine gestaltende Rolle im Diskurs um Zukunftskompetenzen einnehmen. Daraus ergibt sich für Universitä­ten das Potenzial, eigene Schwerpunkte in der Förderung der Kompe­tenzen ihrer Studierenden zu setzen, Alleinstellungsmerkmale des Stand­orts herauszuarbeiten sowie diese Schwerpunkte nach außen hin sichtbar zu machen. Dementsprechend orientiert sich die inhaltliche Schwer­punkt­setzung von SKILLS an den Themenbereichen des Leitbilds für die Lehre der Universität Bielefeld.

Des Weiteren sollte die Schwerpunktsetzung im überfachlichen Bereich studierendenzentriert erfolgen. Um SKILLS adressatengerecht zu entwickeln, werden die Bedarfe, die zum Beispiel im Rahmen von Workshopformaten wie dem Living Document für gemein­sam gestaltete Lehre sichtbar wurden, in SKILLS berücksichtigt und eingebunden. Dies betrifft beispielsweise die stärkere Vorbereitung auf die Berufswelt. Zusammenfassend setzt SKILLS damit zum einen inhalt­liche Schwerpunkte, die universitätsspezifische Alleinstellungsmerkmale der Universität Bielefeld sind. Zum anderen reagiert SKILLS in der Aus­gestaltung auf konkrete Bedarfe von Studierenden.

Im Anschluss an das Leitbild für die Lehre ist das Angebot des IndiErg auch anhand bestimmter Themenbereiche geordnet. Diese Themen­bereiche betonen sowohl die Fachkompetenzen und das Fachwissen verschiedener Fächer als auch die Schwerpunkte in der Lehre an der Universität Bielefeld sowie überfachliche Bereiche. Diese Themen­bereiche greift SKILLS auf und ergänzt sie um den Bereich SKILLS fürs Studium:

  • Berufsfeld
  • Digitalisierung
  • Diversität/Inklusion
  • Gender
  • Gesellschaftliches Engagement/Nachhaltigkeit
  • Internationalisierung
  • Interdisziplinarität
  • SKILLS fürs Studium



Auch das Kompetenzverständnis von SKILLS stellt eine Schwerpunkt­setzung aus der Universität Bielefeld heraus dar. Das oben beschriebene Kompetenzverständnis ist direkt anschlussfähig an das am ZLL entwickelte Individual Career Portfolio (ICP) des Career Service. Das ICP wird bereits in verschiedenen Formaten genutzt und soll perspektivisch auch als Instrument zur individuellen Kompetenzreflexion im Rahmen von SKILLS eingesetzt werden. Der Fokus des ICP liegt auf der Sichtbarmachung und Reflexion individueller Kompetenzen. Dementsprechend eignet sich das Instrument für die individuelle Dokumentation und Reflexion der Ange­bote, die auf SKILLS zu finden sind. Die Integration des ICP in SKILLS ist zu einem späteren Zeitpunkt geplant. Um diese Weiterentwicklung von Beginn an anzubahnen, basieren die Kompetenzcluster von SKILLS auf denen des ICP:

  • Selbstkompetenz
  • Sozialkompetenz
  • Methodenkompetenz
  • Fachkompetenz



4 Aufbau von SKILLS

Unterschiedliche Einrichtungen an der Universität Bielefeld machen bereits viele Angebote für den studienbegleitenden und berufs­vorbe­reitenden Kompetenzerwerb. Diese Angebote werden zum Teil auch inner­halb des bereits beschriebenen IndiErg angeboten. Ein Großteil der Angebote ist jedoch nicht über diese Struktur auffindbar oder ist nicht im IndiErg belegbar, da es keine regulären Lehrveranstaltungen sind, sondern zum Beispiel Workshops oder digitale asynchrone Kursformate.

Ein Ziel von SKILLS ist es, Studierenden diese Angebote zentral zur Ver­fügung zu stellen. Damit soll Studierenden einerseits die gezielte Suche nach Angeboten ressourcensparend ermöglicht werden und andererseits sollen dezentrale Angebote in die Breite getragen werden, indem sie einfacher und gezielter auffindbar sind.

Analog dazu gibt es inzwischen ein großes und somit unübersichtliches Ange­bot verschiedener universitätsexterner Anbieter für den indivi­duel­len Kompetenzerwerb. Dieses Angebot ist vielfach nicht kostenfrei oder für den Erwerb von Zertifikaten, die die erfolgreiche Teilnahme be­schei­nigen, werden Gebühren erhoben. Dem gegenüber stehen vielfältige, qualitativ hochwertige Selbstlernangebote, vor allem Open Educational Resources, die kostenfrei verfügbar sind. Diese Angebote sind in unter­schiedlichen Repositorien wie zum Beispiel auf den Plattformen twillo, KI-Campus und MOOChub zu finden, die eigene Schwerpunktsetzungen verfolgen und/oder ein sehr vielfältiges Angebot haben. Die inhaltlichen Schwerpunkte von SKILLS übernimmt in diesem Sinn eine Filterfunktion, die das Angebot eingrenzt und damit in der Folge Übersichtlichkeit schaf­fen soll. Darüber hinaus finden sich auf den Plattformen verschiedenste Kursformate wie unter anderem asynchrone Selbstlerneinheiten und -kurse und Massive Open Online Courses.

Hier setzt SKILLS an, indem ein kostenloses, kuratiertes und anhand be­stimmter universitätsspezifischer Kriterien selektiertes Angebot erstellt wird. Damit soll gleichzeitig Orientierung in diesem schnell wachsenden und vielfältigen Bereich geboten werden und die Förderung von Kompe­tenzen und Talententwicklung aus dem Profil der Universität Bielefeld heraus entwickelt werden. Im Folgenden werden Aufbau und Inhalte von SKILLS dargestellt.

Abbildung 1 Darstellung der Angebotsarten und Kategorisierungen von SKILLS

[Quelle: eigene Darstellung]



Die Website zeichnet sich durch eine einfache Bedienoberfläche aus, die sowohl eine freie Suche als auch ein Filtern nach den genannten Kategorien ermöglicht. Der Fokus liegt dabei auf den Kompetenz- beziehungsweise Themenbereichen der Angebote. Die Darstellung der Angebote wird vereinheitlicht, um Studierenden eine möglichst einfache, schnelle und passgenaue Auswahl zu ermöglichen. Die Website ist für externe Benutzerinnen und Benutzer zugänglich. Die Angebote, die von verschiedenen Einrichtungen der Universität Bielefeld bereitgestellt werden, sind jedoch größtenteils ausschließlich immatrikulierten Bielefelder Studierenden zugänglich. Zudem setzen die meisten dieser Angebote eine verbindliche Anmeldung voraus. Besonders relevant für das Profil von SKILLS sind die folgenden Punkte:

  • Die Basis von SKILLS bilden Peer-to-Peer-Angebote zu den Bereichen Schreiben, Lernen, Präsentieren, Selbstmanagement und Planung und Durchführung von Tutorien. Diese Angebote fokussieren auf den Be­reich SKILLS fürs Studium und bestehen aus langjährig etablierten Workshopangeboten am Zentrum für Lehren und Lernen (ZLL) an der Universität Bielefeld.
  • Alle Angebote werden sowohl mit Blick auf verschiedene digitale und analoge Handlungskompetenzen als auch in Bezug auf verschiedene Themenbereiche kategorisiert.
  • Lernformate wie unter anderem Workshops in Präsenz, aber auch asynchrone digitale Selbstlerneinheiten werden kategorisiert, um Studierenden hinsichtlich ihres Kompetenzerwerbs Flexibilität zu ermöglichen sowie verschiedene Lebensrealitäten zu berücksichtigen.
  • Es ist möglich, Angebote danach zu filtern, ob Leistungspunkte erwor­ben werden können beziehungsweise Teilnahmebescheinigungen oder Zertifikate. Damit ist einerseits eine Anschlussfähigkeit an curriculare Inhalte möglich (Fokus IndiErg), andererseits ist die Möglichkeit gege­ben, darüber hinaus Nachweise zu erwerben und diese im Rahmen der Berufsorientierung und Profilbildung sichtbar zu machen.
  • Es ist möglich, die Angebote nach den Sprachen Deutsch und Englisch zu filtern.
  • Weitere an der Universität Bielefeld sowie extern vorhandene Ange­bote zur Talentförderung wie Preise und Stipendien flankieren das Angebot. Somit agiert SKILLS als zentrale Anlaufplattform für Infor­mationsbedarfe in diesen Bereichen.
  • Externe Selbstlernkurse beziehungsweise -einheiten durchlaufen eine für SKILLS entwickelte Qualitätssicherung und werden regelmäßig auf ihre Aktualität hin geprüft.



Die Akquise der bestehenden Angebote an der Universität Bielefeld, die eine Passung zum Profil von SKILLS aufweisen, erfolgt über die persön­liche Ansprache von Lehrenden beziehungsweise Verantwortlichen. Eine Mitarbeiterin im Projekt BiLinked, angesiedelt am ZLL, ist für die Akquise und Pflege von SKILLS verantwortlich. So soll gewährleistet werden, dass das bestehende Angebot an der Universität Bielefeld zuverlässig auf SKILLS abgebildet wird. Aktuell ist der Betreuungsbedarf von SKILLS hoch, da die Akquise der Angebote anläuft sowie Workflows zur Pflege des Portals eingeführt und evaluiert werden. Außerdem wird SKILLS auf die Usability hin geprüft, was gegebenenfalls Anpassungen der Website zur Folge hat. Die Website bedarf einer kontinuierlichen Pflege, da anson­sten ihr Mehrwert zum Beispiel durch veraltete Angebote oder nicht funktionierende Verlinkungen nicht gegeben ist.

Der Ausbau von SKILLS erfolgt parallel auch durch die Integration ex­ter­ner Angebote von offenen Bildungsplattformen. Damit wird ein inte­graler Ansatz verfolgt, in dem sowohl bereits bestehende Angebote integriert werden als auch Desiderate sichtbar werden können. Eine Empfehlung von Angeboten ist allen Statusgruppen im Rahmen eines Vorschlagsformulars möglich. Ebenso können Studierende Wünsche hinsichtlich fehlender Angebote äußern. So soll zum einen eine niedrig­schwellige Partizipationsmöglichkeit für Studierende geschaffen werden, individuelle Bedarfe sichtbar zu machen und zum anderen eine zeitnahe Reaktion auf diese Bedarfe ermöglicht werden.



5 Fazit und Ausblick

Mit SKILLS wird zusammenfassend ein Portal zur Kompetenz- und Talent­entwicklung, Profilbildung und Berufsorientierung Studierender geschaf­fen, das ausgehend von den Schwerpunkten in der Lehre an der Universi­tät Bielefeld ein universitätsspezifisches Profil von Zukunfts­kompetenzen entwickelt. Damit betont SKILLS einerseits die gestal­te­rische Rolle von Hochschulen im Kontext der Diskussion um Future Skills. SKILLS wurde zu Beginn des Sommersemesters 2024 veröffentlicht und soll sich flexibel und ausgerichtet an den konkreten Bedarfen Studie­render entwickeln. Damit wird andererseits eine studierenden­zentrierte Perspektive auf die Diskussion um Future Skills eingenommen. Daran anknüpfend soll in der Weiterentwicklung zum einen ein Fokus auf Möglichkeiten zur Dokumen­tation und Reflexion des Kompetenzerwerbs gelegt werden, der bereits jetzt durch die inhaltliche Anbindung an das Kompetenzverständnis des ICP angebahnt wird. Davon ausgehend sind auch eigene Formen der Zertifizierung sowie die Anrechenbarkeit von Angeboten von SKILLS in Form von Micro-Credentials denkbar, um die Attraktivität und Akzeptanz der Angebote zusätzlich zu erhöhen.



Dieses Vorhaben wird im Rahmen des Projekts BiLinked von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert.



DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

  • Bild: Patrick Pollmeier

Sophia Hohmann koordiniert am Zentrum für Lehren und Lernen an der Universität Bielefeld im Projekt BiLinked das SKILLS-Portal.

sophia.hohmann@uni-bielefeld.de



Fabian Schumacher ist Leiter der Abteilung Hochschuldidaktik und Lehrentwicklung im Zentrum für Lehren und Lernen an der Universität Bielefeld.

fabian.schumacher@uni-bielefeld.de





LITERATURVERZEICHNIS

Bettinger, P. (2021). Etablierung normativer Ordnungen als Spielarten optimierter Selbstführung? MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 45, 34–58. https://doi.org/10.21240/mpaed/45/2021.12.17.x. Abgerufen am 10.05.2024.

Career Service Universität Bielefeld (2021). Portfolio Programm Studierende & Wirtschaft. Unveröffentlichtes internes digitales Lernportfolio zur Dokumentation und Reflexion der persönlichen Erkenntnisse während der Teilnahme am Programm. Bielefeld.

Ehlers, U.-D. (2020). Future Skills: Lernen der Zukunft – Hochschule der Zukunft. Springer VS.

Enderle, S., Lehner, A. & Kunz, A. M. (2021). Die Erkundung des Schlüssel­quali­fi­ka­tions­universums – Hintergrund und Ziele der Studie. In S. Enderle, A. Lehner & A. M. Kunz (Hrsg.). Das Schlüsselqualifikationsangebot an deutschen Universitäten. Empirische Befunde (S. 17–30). Beltz Juventa.

Foelsing, J. & Schmitz, A. (2021). New Work braucht New Learning. Eine Perspektivreise durch die Transformation unserer Organisations- und Lernwelten. Springer Gabler.

Graf, N. & Roderus S. (2023). Digitalisierung und Agiles Lernen. In M. Harwardt, P. F.-J. Niermann, A. M. Schmutte & A. Steuernagel (Hrsg.). Lernen im Zeitalter der Digitalisierung. Einblicke und Handlungsempfehlungen für die neue Arbeitswelt (S. 21–40). Springer Gabler.

Horstmann, N. (2023). Förderung von Future Skills in der Hochschullehre. CHE Impulse Nr. 13. Centrum für Hochschulentwicklung. https://www.che.de/download/future-skills-2023/. Abgerufen am 10.05.2024.

Kalz, M. (2023). Zurück in die Zukunft? MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 2023 (Occasional Papers), 332–352. https://doi.org/10.21240/mpaed/00/2023.11.19.x. Abgerufen am 10.05.2024.

Ladenthin, V. (2020). Zukunftsparadox. Universität – Ort der Bildung oder Ausbildung? Forschung & Lehre, 27(1), 26–27.

OECD (2020a). OECD Lernkompass 2030 (Erstausgabe 2019). Bertelsmann Stiftung, Deutsche Telekom Stiftung, Education Y e. V., Global Goals Curriculum e. V., Siemens Stiftung.

OECD (2020b). Curriculum Overload: A Way Forward. OECD Publishing. https://doi.org/10.1787/3081ceca-en. Abgerufen am 10.05.2024.

Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und McKinsey & Company (Hrsg.). (2019). Hochschul-Bildungs-Report 2020: Für morgen befähigen. Edition Stifterverband. https://www.hochschulbildungsreport2020.de/download/file/fid/163. Abgerufen am 10.05.2024.

Wissenschaftsrat (2015). Empfehlungen zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeits­markt – Zweiter Teil der Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften vor dem Hintergrund des demographischen Wandels. www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4925-15.html. Abgerufen am 10.05.2024.

Wissenschaftsrat (2022). Empfehlungen für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre. https://doi.org/10.57674/q1f4-g978. Abgerufen am 10.05.2024.







FOKUS: INTERDISZIPLINÄRE LEHR- UND LERNFORMATE

02 · EMPIRISCHE STUDIE ZUR KI-KOMPETENZENTWICKLUNG – ANALYSE UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ⸺

TIMUR SEREFLIOGLU · DAGMAR ROSTEK · SEBASTIAN TAUGERBECK · NINO BOHN · CHRISTOPH HESSE Universität Siegen / WBS Gruppe

In dieser Studie analysieren wir, wie das zweiwöchige AI-Ambassador-Schulungsprogramm die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt vorantreibt und zur Entwicklung notwendiger Future Skills beiträgt. Sie beleuchtet die erweiterten technischen, klassischen und transformativen Kompetenzen der Teilnehmenden und unterstreicht sowohl die Bedeutung einer Innovationskultur als auch die Rolle von Führungskräften bei der erfolgreichen Adaption von KI-Technologien. Weiterhin wird auf die Notwendigkeit der kontinuierlichen Weiter­bildung eingegangen, um mit den technologischen Fortschritten mit­zuhalten. Unsere Arbeit betont zudem, dass ein umfassendes Verständnis für digitale Ethik und Kollaboration essenziell für die effektive Nutzung von KI ist. Die Erkenntnisse unserer Studie richten sich an Bildungsein­rich­tungen, Unternehmen und politische Entscheidungsträger und bieten Anregungen für die Entwicklung effektiver Bildungsprogramme in der KI-Branche.



1 Einleitung

1.1 Hintergrund und Kontext der Forschung

Im Zeitalter technologischer Fortschritte rückt die Integration von KI in den Arbeitsalltag zunehmend in den Vordergrund. Deshalb initiierte die WBS Gruppe das AI-Ambassador-Programm, um ein fundiertes KI-Ver­ständnis zu fördern und eine breite Akzeptanz unter den Mitarbeiten­den zu schaffen. Das Programm zeichnet sich durch seine spielerische und interaktive Ausrichtung aus, welche die Teilnehmenden zur aktiven Aus­einandersetzung mit KI ermutigt und das Ziel verfolgt, sie zu Multipli­katoren für KI im Unternehmen zu entwickeln.

Zu den Hauptzielen gehören die Vermittlung eines umfassenden Ver­ständnisses von KI, die Erweiterung der Kompetenzen für die Zusammen­arbeit mit KI, die Stärkung der Kollaboration im Team und die Vorbe­reitung auf die Herausforderungen einer von KI geprägten Arbeitswelt. Eine Besonderheit dieses Programms ist die wissenschaftliche Begleitung durch einen Experten des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der Universität Siegen, spezialisiert auf Human-Computer-Inter­action. Diese Partnerschaft gewährleistet, dass neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in das Programm einfließen und dessen Qualität kontinuier­lich evaluiert und optimiert wird.

Vor diesem Hintergrund repräsentiert das Programm einen besonders interessanten Untersuchungsgegenstand, da es gezielt darauf abzielt, KI-Kompetenzen innerhalb des Unternehmens auszubauen und die Beleg­schaft auf die vielfältigen Aspekte der digitalen Transformation vorzubereiten.



1.2 Vorstellung des AI-Ambassador-Programms

Das AI-Ambassador-Programm hat sich als praxisorientierte Antwort auf die Notwendigkeit etabliert, die Belegschaft für die Arbeit in einer digital transformierten Umgebung zu wappnen. Im Kern dieses Vorhabens liegt eine strategisch ausgearbeitete Lernreise, die über die rein technische Schulung hinausgeht und die Teilnehmenden in die Lage versetzen soll, fundierte Kenntnisse und ein kritisches Verständnis für die Anwendungs­möglichkeiten von KI zu entwickeln. Indem das Programm ein Umfeld schafft, das zum Explorieren und Experimentieren anregt, soll es nicht nur das individuelle Lernen fördern, sondern auch den Austausch von Erfah­rungen und Ideen unter den Mitarbeitenden.

Ein zentraler Aspekt, der das Programm auszeichnet, ist die zielgerichtete Ausbildung von Mitarbeitenden zu kulturellen Multiplikatoren im Unter­nehmen. Diese Schlüsselpersonen sind dazu befähigt, ihr neu erworbenes Wissen aktiv innerhalb ihres Teams und des gesamten Unternehmens zu teilen, wodurch ein kollaboratives Lernumfeld entsteht, das die gesamte Organisation stärken soll. Darüber hinaus soll der interdisziplinäre Dialog zwischen verschiedenen Abteilungen gefördert werden, was die unter­nehmensweite Adaptation und Integration von KI-Technologien beschleu­nigen soll.

In der täglichen Anwendung wird den Teilnehmenden durch das Pro­gramm vermittelt, wie KI-Werkzeuge effektiv genutzt werden können, um Arbeitsprozesse zu optimieren und innovative Lösungen zu entwickeln. Dabei steht der praktische Nutzen für die individuelle Arbeitssituation im Fokus, wodurch die direkte Übertragbarkeit der Lerninhalte auf reale Arbeitskontexte gewährleistet wird.

Schlüsselpunkte des AI-Ambassador-Programms

  • Zielgerichtete Ausbildung zum AI-Ambassador: Ausbildung von Schlüsselpersonen, die das erlernte Wissen aktiv im Unternehmen teilen.
  • Förderung kollaborativen Lernens: Schaffung eines Umfelds, das den Austausch und die Zusammenarbeit unter den Teilnehmenden stimu­liert.
  • Praxisnahe Anwendung von KI: Konzentration auf den effektiven Ein­satz von KI-Werkzeugen zur Optimierung von Arbeitsprozessen und Entwicklung von Lösungen.



Durch diese gezielten Maßnahmen soll das AI-Ambassador-Programm wesentlich dazu beitragen, die Belegschaft nicht nur auf die technolo­gischen Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten, sondern auch eine Kultur der Innovation und kontinuierlichen Weiterbildung im Unternehmen zu fördern.



1.3 Forschungsfragen und -ziele

Im Fokus unserer wissenschaftlichen Untersuchung steht das AI-Ambassador-Programm. Diese Programmeinführung dient unserem Forschungsvorhaben als Basis, um sowohl die Effektivität als auch die weitreichenden Folgen der Initiative auf individuelle Kompetenz­entwicklung und organisatorische Dynamik zu analysieren. Aus diesem Kontext heraus leiten wir die folgenden zentralen Forschungsfragen und -ziele ab.



Forschungsfragen

1. Effekte auf Future Skills der Teilnehmenden: Inwieweit trägt das AI-Ambassador-Programm zur Entwicklung der erforderlichen Zukunfts­kompetenzen (Kirchherr et al., 2021) bei den Teilnehmenden bei? Welche Rolle spielt das Programm bei der Vorbereitung der Teilnehmenden auf die Integration von KI-Technologien in den Arbeitsalltag?

2. Förderung der KI-Akzeptanz im Unternehmenskontext: Inwiefern unterstützt das Programm ein verbessertes Verständnis und eine erweiterte Akzeptanz von KI-Technologien innerhalb der Organisation?

3. Einfluss auf die Organisationsstruktur und Innovationskraft: Inwiefern lassen sich Veränderungen in der Unternehmenskultur, den Arbeits­prozessen sowie hinsichtlich der Innovations- und Produktivitäts­steige­rung als Konsequenz des Programms feststellen?



Forschungsziele

1. Evaluierung der Programmwirksamkeit: Es gilt, valide Aussagen über die Effektivität des AI-Ambassador-Programms hinsichtlich der Förde­rung von Future Skills und der Implementierung von KI-Technologien im beruflichen Alltag zu erarbeiten.

2. Ableitung praxisorientierter Empfehlungen: Auf Grundlage der For­schungsergebnisse werden handlungsleitende Empfehlungen für die Gestaltung ähnlicher Initiativen formuliert, die auf eine optimierte Inte­gration von Future Skills und KI-Technologien in den Arbeitskontext abzielen.

3. Beitrag zur wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion: Diese Studie intendiert, signifikante Impulse zur aktuellen Debatte über effek­tive Bildungsstrategien in Bezug auf digitale Transformation und KI zu setzen und praxisrelevante Einsichten zur Förderung von Future Skills bereitzustellen.



Durch die präzise Untersuchung dieser Forschungsfragen und -ziele strebt unsere Studie an, einen bedeutenden Überblick über das Potenzial und die Herausforderungen des AI-Ambassador-Programms zu gewähren. Ziel ist es, Lücken in der aktuellen Forschungslandschaft zur Entwicklung von KI-Kompetenzen zu adressieren und zu schließen.



2 Integration von KI in die Arbeitswelt und Bildung: eine Übersicht

2.1 Die Rolle von KI in der modernen Arbeitswelt

Die Rolle von KI in der Transformation der heutigen Arbeitswelt ist unbe­streitbar und weitreichend: Diese Technologie, als Kernstück der vierten industriellen Revolution, hat fundamentale Änderungen in der Art und Weise eingeleitet, wie Unternehmen funktionieren und wie Menschen arbeiten und interagieren. KI ist nicht allein auf die Automatisierung all­täglicher, routinemäßiger Aufgaben beschränkt, sondern ebnet den Weg für die Schaffung neuer Berufsfelder und Arbeitsmethoden. Durch fort­geschrittene Datenanalyse und -interpretation verbessern KI-Systeme Entscheidungsprozesse und tragen maßgeblich zu personalisierten Kundenerfahrungen bei. Allerdings entstehen durch die Einführung von KI auch Herausforderungen, insbesondere der Bedarf an der Entwicklung neuer Kompetenzen und der Neuausrichtung von Arbeitsplätzen, was eine kontinuierliche Anpassung und Lernbereitschaft sowohl von den Arbeits­kräften als auch von Organisationen erfordert (Büchel & Mertens, 2022).

Die integrative Wirkung von KI treibt signifikante Effizienzsteigerungen und Innovationen voran. Durch die Fähigkeit, umfangreiche Daten­mengen präzise zu analysieren, unterstützt KI strategische Geschäfts­entscheidungen mit datenbasierten Vorhersagemodellen und tief­greifenden Einsichten. Diese Entwicklung hat die Nachfrage nach KI-kompetenten Arbeitskräften signifikant erhöht. Wie im Diskussionspapier Future Skills (Kirchherr et al., 2021) hervorgehoben wird, besteht ein dringlicher Bedarf an Talenten, die mit dem Tempo der technologischen Entwicklungen mithalten können und fähig sind, diese neuen Technolo­gien nahtlos in ihren Berufsalltag zu integrieren. Diese Anforderung erstreckt sich über das Spektrum der IT-Spezialisten und Datenwissen­schaftler hinaus und betrifft zunehmend auch traditionellere Berufe, die durch den KI-Einsatz eine Transformation erleben (Höfer et al., 2021).

Darüber hinaus ermöglicht KI personalisierte Lernerlebnisse im Bildungs­bereich, was eine deutliche Verschiebung in der Lehr- und Lernkultur signalisiert. Gemäß dem Future Skills Framework (Kirchherr et al., 2021) ist für die effektive Nutzung von KI in den Bereichen Bildung und Beruf nicht nur ein fundiertes Verständnis für digitale Ethik vonnöten, sondern es sind auch Kompetenzen in der digitalen Kollaboration essenziell. Technologische Kompetenzen, die sich auf die Gestaltung und Nutzung von Technologien konzentrieren, werden hauptsächlich von Fachleuten mit aktuellem Expertenwissen und gezielter Anwendungsfähigkeit aus­geführt. Diese Fähigkeiten sind entscheidend, um das volle Potenzial von KI auszuschöpfen und dabei ethische Standards sowie Datenschutzricht­linien zu beachten.



2.2 Technologische Kompetenzen

Technologische Kompetenzen umfassen Fähigkeiten, die für die Entwick­lung, Anwendung und das Verständnis von neuen Technologien notwen­dig sind. Dazu zählen Programmierkenntnisse, Verständnis für Datenana­lyse und KI sowie die Fähigkeit, komplexe IT-Infrastrukturen zu gestalten und zu managen. Die rasante Entwicklung in Bereichen wie dem Internet der Dinge, Blockchain und Quantencomputing erfordert eine stetige Weiterbildung und Spezialisierung. Da sie sowohl das Verständnis und die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien als auch spezialisiertere Fähigkeiten wie Data Analytics, KI, Software­entwicklung und IT-Architektur umfassen, stehen sie im Zentrum der digitalen Trans­formation. Diese Fähigkeiten sind dabei nur einige Beispiele für die Band­breite an technologischen Fähigkeiten, die in der modernen Arbeitswelt unabdingbar sind (Kirchherr et al., 2021).



2.3 Digitale Kompetenzen

Digitale Kompetenzen beziehen sich auf das sichere und effektive Nutzen digitaler Technologien im beruflichen und privaten Kontext. Dazu gehö­ren digitale Kommunikation, Nutzung digitaler Lernmittel sowie der kritische Umgang mit Informationen und Medien im digitalen Raum. Besonders die COVID-19-Pandemie hat die Bedeutung digitaler Kompe­tenzen, besonders für das Homeoffice und die virtuelle Zusammenarbeit, zusätzlich verstärkt. Weiter beschreiben sie die Fähigkeit, digitale Techno­logien effektiv und verantwortungsbewusst zu nutzen. Dazu gehören The­men wie Digital Literacy, digitale Ethik, digitale Kollaboration und Digital Learning. Diese Kompetenzen befähigen Individuen, sich in einer zu­nehmend digitalisierten Welt zurechtzufinden und aktiv teilzuhaben. Die Pandemie hat die Bedeutung dieser Kompetenzen verdeutlicht, da digi­tale Kommunikation und Zusammenarbeit in vielen Bereichen an Relevanz gewonnen haben.



2.4 Klassische und transformative Kompetenzen

Klassische Kompetenzen wie kritisches Denken, Kreativität und Problem­lösungsfähigkeiten bleiben unverzichtbar. Transformative Kompetenzen wie Anpassungsfähigkeit, Resilienz und Innovationskompetenz gewinnen an Bedeutung, um in einer sich schnell verändernden Arbeitswelt be­stehen zu können. Diese Fähigkeiten ermöglichen es Individuen, Ver­änderungen proaktiv zu gestalten und Herausforderungen als Chancen zu sehen. Diese Kompetenzen bilden das Fundament für Anpassungs­fähigkeit und Innovation. Sie umfassen kritisches Denken, Kreativität, Lösungsfähigkeit, Resilienz und Innovationskompetenz und sind ent­scheidend, um auf unvorhergesehene Veränderungen reagieren und diese als Chance nutzen zu können. Resilienz, Urteilsfähigkeit, Innovations­kompetenz, Missionsorientierung sind Beispiele für transformative Kompetenzen, die in einer sich rasch wandelnden Welt von großer Be­deutung sind (Kirchherr et al., 2021).



3 Methodik

3.1 Auswahl des Forschungsdesigns

Unser Forschungsdesign (Abbildung 1) folgt dem Total Quality Frame­work (TQF) und nutzt einen Mixed-Methods-Ansatz, um vielseitige Daten zu erfassen. Die vier TQF-Prinzipien – Glaubwürdigkeit, Analysierbarkeit, Transparenz und Nützlichkeit – leiten unsere Arbeit. Wir sichern die Glaubwürdigkeit durch repräsentative Stichproben und Tiefeninterviews, gewinnen tiefere Einblicke durch statistische und thematische Analysen, sichern Transparenz durch detaillierte Dokumentation unserer Methoden und streben nach nützlichen Ergebnissen für die Programmoptimierung. Die Datensammlung kombiniert breite Umfragen mit qualitativen Inter­views, die sich auf die Entwicklung von Future Skills und Herausforde­rungen konzentrieren. Unsere zweistufige Analyse nutzt sowohl quan­titative als auch qualitative Daten, um die Effektivität des AI-Ambassador-Programms zu bewerten, wobei ethische Standards wie Anonymität und informierte Zustimmung gewahrt bleiben. Das Ziel ist es, fundierte Erkenntnisse zu liefern, die effektive Bildungsstrategien im Bereich KI fördern (Roller & Lavrakas, 2015).

Abbildung 1 Grafisches Abstract der Forschungsmethodik

[Quelle: eigene Darstellung]



3.2 Datenerhebungsmethoden

Im Rahmen unserer Forschung zum AI-Ambassador-Programm und dessen Beitrag zur Entwicklung von Future Skills setzen wir unter­schied­liche Datenerhebungsmethoden ein, um ein ganzheitliches Bild der Programmwirkungen zu erhalten.



3.2.1 Quantitative Datenerhebung

Die Durchführung einer quantitativen Datenerhebung wurde im Zuge der Evaluierung des AI-Ambassador-Programms in Angriff genommen, wobei der Fokus auf der Bewertung von KI-Kompetenzen lag. Als integraler Bestand­teil dieses Mixed-Methods-Ansatzes stellte sich eine Online-Um­frage dar, an der sich 49 der insgesamt 100 Teilnehmenden aus verschie­densten Durchläufen des Programms beteiligten, was einer Rücklauf­quote von ungefähr 50 Prozent entspricht. Die Umfrage umfasste 51 un­terschiedliche Fragen, welche darauf ausgerichtet sind, ein umfassendes Bild bezüglich der durch das Programm erlangten KI-Kompetenzen und deren Einfluss auf das berufliche Umfeld der Teilnehmenden zu erfassen.

Erörtert wurden in der Umfrage eine Vielzahl an Themen, von einem all­gemeinen KI-Verständnis über den praktischen Einsatz von KI-Technolo­gien bis hin zur Beteiligung an KI-bezogenen Schulungen oder Workshops. Es ist von besonderem Interesse, zu ermitteln, inwiefern das Programm zur Entwicklung relevanter KI-Fähigkeiten beigetragen hat und wie es sich auf die Einstellungen und das Engagement der Teilnehmenden hin­sicht­lich zukünftiger KI-Projekte und ihrer persönlichen beruflichen Ent­wicklung ausgewirkt hat. Die Zielsetzung der Erhebung lag darin, Daten zu generieren, welche die fortlaufende Optimierung des AI-Ambassador-Programms unterstützen sollen. Dabei stand im Fokus, die Bedürfnisse der Teilnehmenden adäquat zu erfüllen und agil auf die dynamischen Anforderungen des KI-Bereiches zu reagieren. Zur Initialanalyse der gesammelten Daten kam deskriptive Statistik zum Einsatz, die einen Überblick über die Stichprobenverteilung und demografischen Eigen­schaften der Befragten bot. Inferenzstatistische Verfahren, darunter t-Tests, dienten zur Identifikation statistisch signifikanter Differenzen zwischen spezifischen Gruppen.

Ein besonderes Augenmerk lag auf den Unterschieden in den Antworten von Umfrageteilnehmenden basierend auf ihren vorherigen Erfahrungen mit KI-bezogenen Weiterbildungen. Die durchgeführte Gruppenanalyse legte offen, auf welche Weise frühere KI-Erfahrungen die Bewertung und Wahrnehmung des Programms beeinflussen mochten. Mithilfe verschie­dener statistischer Methoden war es möglich, sowohl die weitreichenden als auch die spezifischen Auswirkungen des Programms auf die Entwick­lung der KI-Kompetenzen zu durchdringen und umfassend zu analysieren. Diese sorgfältige methodische Herangehensweise leistet einen wesent­lichen Beitrag zur Bewertung der Wirksamkeit des Programms und for­muliert begründete Empfehlungen für dessen kontinuierliche Verbesse­rung.

Wesentliche Punkte der quantitativen Datenerhebung:

  • Umfragebeteiligung: 49 von 100 Programmteilnehmenden nahmen teil (Rücklaufquote von circa 50 Prozent).
  • Inhaltsreiche Themengebiete: Abfragung von allgemeinem KI-Verständ­nis bis zur Anwendung in der Praxis.
  • Ziel der Erhebung: Gewinnung von Daten für die kontinuierliche Ver­besserung des Programms.
  • Deskriptive und inferenzstatistische Analyse: Nutzung von Statistik für einen umfassenden Einblick in die Daten.
  • Gruppenanalyse: Vergleich der Erfahrungen basierend auf vorheriger KI-Schulung.

Diese Analyse bildet eine solide Basis zur Weiterentwicklung des AI-Ambassador-Programms und unterstützt die zielgerichtete Anpassung an die dynamischen Entwicklungen im Feld der KI.



3.2.2 Qualitative Datenerhebung

In der qualitativen Phase unserer Untersuchung des AI-Ambassador-Pro­gramms griffen wir auf semi-strukturierte Interviews zurück, um ein tief­greifendes und nuanciertes Verständnis der Erfahrungen und Eindrücke der Programmteilnehmenden zu gewinnen. Der eingesetzte Interview-Leitfaden erwies sich dabei als wesentliches Instrument, da er sowohl eine strukturierte als auch eine flexible Annäherung an die Datensammlung ermöglichte. Dieser Ansatz förderte offene und ehrliche Diskussionen, die wertvolle Einblicke in die subjektiven Erlebnisse der Interviewten ver­schafften.

Der Leitfaden strukturierte das Interview in verschiedene Abschnitte, beginnend mit einer kurzen Einführung, in der die Interviewer sich vor­stellten, den Zweck des Interviews erläuterten, die Anonymität und Vertraulichkeit zusicherten und die Zustimmung zur Aufnahme einholten. Es folgten allgemeine Fragen zur Position und zu den Hauptaufgaben der Teilnehmenden innerhalb ihrer Organisation sowie zum Verständnis von KI vor der Programmteilnahme. Diese Einleitungsfragen dienten als Grundlage, um das individuelle Ausgangsniveau an KI-Kompetenzen zu erfassen.

In den nachfolgenden Abschnitten wurden spezifische Erfahrungen mit dem AI-Ambassador-Programm erörtert. Gefragt wurde nach Heraus­forderungen, markanten Lernerfahrungen und deren Einfluss auf die berufliche Praxis. Besonders interessierten die Veränderungen im Ver­ständnis von KI sowie praktische Anpassungen im Arbeitsbereich der Teilnehmenden. Eine zentrale Frage galt der Rolle der Interviewten als »Multiplikatoren« für KI in ihrem Arbeitsumfeld und den Initiativen, die sie eventuell daraus ableiteten.

Abschließend wurden die Teilnehmenden um ihre Perspektiven zur zukünftigen Rolle von KI in ihrer Organisation gebeten. Verbesserungs­vorschläge für das Programm und spezifisches Feedback zur genutzten IT-Infrastruktur – insbesondere zu deren Mehrwert und gewünschten Änderungen – rundeten das Interview ab. Der letzte Abschnitt bot Raum für zusätzliche Anmerkungen, die über die vorbereiteten Fragen hinausgehen konnten.



4 Ergebnisse

4.1 Darstellung und Diskussion der quantitativen Ergebnisse

Vergleichende Analysen

In der fortgeschrittenen Analyse des AI-Ambassador-Programms wurde ein besonderer Fokus auf die vergleichende Untersuchung zwischen Teilnehmenden mit und ohne Führungsverantwortung gelegt, insbeson­dere in Bezug auf organisatorische Barrieren und den KI-Wissenstransfer. Die t-Tests (Abbildung 2) zeigten, dass die meisten Fragen keine signifi­kanten Unterschiede zwischen den Gruppen aufwiesen (p-Werte > 0.05), außer bei Frage f48, die signifikante Unterschiede in der Wahrnehmung organisatorischer Barrieren offenbarte (p-Wert = 0.0079). Dies deutet darauf hin, dass Führungskräfte organisatorische Barrieren anders wahr­nehmen als Nicht-Führungskräfte.

Die Ergebnisse zeigen, dass Führungskräfte möglicherweise besser in der Lage sind, bestimmte Barrieren zu überwinden. Gleichzeitig gibt es eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den Programmzielen und der Umsetzung, da Nicht-Führungskräfte weniger Unterstützung spüren.

Die Analyse der Zugehörigkeitsdauer im AI-Ambassador-Programm zeigte, dass über 50 Prozent der Befragten zwischen ein und fünf Jahren in ihrer Position sind, was auf eine moderate berufliche Erfahrung hinweist. Teilnehmende mit längerer Erfahrung zeigten ein erhöhtes Interesse an KI-Fortbildungen und gesteigertes Selbstvertrauen.

Wichtige Fragen und Ergebnisse:

  • f21: Interesse an weiteren KI-bezogenen Fortbildungen.
  • f36: Selbstvertrauen im Umgang mit KI-Aufgaben.
  • f43: Einfluss des Programms auf langfristige Karriereziele.



Diese Analysen bieten wertvolle Einsichten zur Weiterentwicklung des Programms und zur Unterstützung von Teilnehmenden bei der Über­windung von KI-Hindernissen. Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse der t-Tests, welche die Antworten zwischen den Gruppen vergleichen.

Abbildung 2 Die Ergebnisse der t-Tests zeigen, wie die Antworten zwischen den Teilnehmenden mit Führungsverantwortung und denen ohne Führungsverantwortung variieren

[Quelle: eigene Darstellung]



Die Analyse der Zugehörigkeitsdauer der Teilnehmenden im AI-Ambassador-Programm verdeutlicht eine vielschichtige Zusammen­setzung der beruflichen Hintergründe. Etwa die Hälfte der Befragten, genau 52 Prozent, befinden sich zwischen einem und fünf Jahren in ihrer aktuellen Position. Dies deutet auf eine moderate berufliche Erfahrung hin, die sowohl eine Vertrautheit mit etablierten Abläufen als auch eine Offenheit für neue Lernansätze umfasst. Eine Gruppe von etwa 21 Pro­zent der Teilnehmenden, die weniger als ein Jahr Erfahrung haben, hat ein starkes Interesse daran, ihre Fähigkeiten zu erweitern. Im Gegensatz dazu weisen etwa 19 Prozent der Befragten zwischen sechs und zehn Jahren Erfahrung auf und suchen nach Wegen, ihre Karrieren durch KI-Techno­logien zu bereichern. Die Gruppe mit über zehn Jahren Erfahrung, die 8 Prozent der Befragten ausmacht, könnte am meisten von einer Erwei­terung ihrer umfangreichen beruflichen Erfahrung um neue KI-Kompe­tenzen profitieren.

Ergänzend wurden mittels ANOVA-Tests¹ signifikante Unterschiede in den Reaktionen auf spezifische Fragen (»f21«, »f36« und »f43«) fest­gestellt, abhängig von der Dauer der Tätigkeit in der aktuellen Position. Diese Befunde betonen die Wichtigkeit der Berufserfahrung hinsichtlich des Interesses an KI-Fortbildungen, des Selbstvertrauens in KI-Projekten sowie des Einflusses des Programms auf die Karriereziele im KI-Bereich. Insbesondere weisen Teilnehmende mit längerer Erfahrung ein erhöhtes Interesse an KI-Fortbildungen und ein gesteigertes Selbstvertrauen auf, was die Bedeutung maßgeschneiderter Lernangebote hervorhebt.

Signifikante Fragen:

  • f21 = Wie stark hat das Programm Ihr Interesse an weiteren KI-bezogenen Fortbildungen oder Projekten geweckt?
  • f36 = Wie sehr hat das Programm Ihr Selbstvertrauen im Umgang mit KI-bezogenen Aufgaben oder Projekten gestärkt?
  • f43 = Wie sehr hat das Programm Ihre langfristigen Karriereziele im Bereich KI beeinflusst?

Abbildung 3 Dauer der Tätigkeit der Befragten

[Quelle: eigene Darstellung]



Weitere Analysen: Das Balkendiagramm (Abbildung 4) illustriert die Selbsteinschätzung der Teilnehmenden hinsichtlich ihres Verständnisses von Künstlicher Intelligenz (KI) vor ihrer Teilnahme am AI-Ambassador-Programm. Die Einschätzungen wurden auf einer Skala von 1 (sehr geringes Verständnis) bis 5 (sehr hohes Verständnis) abgegeben.

Die Mehrheit der Teilnehmenden ordnet sich auf der Relevanzstufe 2 ein, was darauf hinweist, dass sie ihr anfängliches Verständnis von KI als eher gering einschätzt. Dies verdeutlicht den Bedarf an grundlegenden Infor­mationen und Bildungsmaßnahmen zu Beginn des Programms. Die ab­nehmende Höhe der Balken bei den höheren Relevanzstufen zeigt, dass nur wenige Teilnehmende ihr Wissen über KI als hoch oder sehr hoch bewerten.

Abbildung 4 Selbsteinschätzung der Teilnehmenden bezüglich ihres Verständnisses von Künstlicher Intelligenz (KI)

[Quelle: eigene Darstellung]



Diese Verteilung unterstreicht die Notwendigkeit, dass Bildungsprogram­me im Bereich KI die unterschiedlichen Wissensniveaus der Teilnehmen­den berücksichtigen müssen. Es sollten sowohl grundlegende Inhalte für weniger erfahrene Teilnehmende als auch fortgeschrittene Materialien für diejenigen mit höherem Vorwissen angeboten werden. Diese Erkennt­nisse sind entscheidend, um die Ausbildungsinhalte des AI-Ambassador-Programms zu diversifizieren und maßgeschneiderte Lernpfade zu ent­wickeln. Ziel ist es, sicherzustellen, dass alle Teilnehmenden – unabhängig von ihrem Wissensstand – maximal von der Programmteilnahme pro­fitieren und ihre KI-Kompetenzen signifikant weiterentwickeln können.

Abbildung 5 zeigt, wie die Teilnehmenden die Auswirkungen des AI-Ambassador-Programms auf ihre Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen bewerten. Die Relevanzstufen reichen von 1 (kein Einfluss) bis 5 (sehr großer Einfluss), wobei die Mehrheit der Teil­nehmenden das Programm als begrenzt einflussreich (Stufe 2) oder mäßig einflussreich (Stufe 3) wahrnimmt.

Die Verteilung der Antworten deutet darauf hin, dass das Programm die Zusammenarbeit beeinflusst hat, jedoch nicht in einem ausgeprägten Maße. Während einige Teilnehmende einen starken Einfluss bemerken (Stufen 4 und 5), gibt es auch eine signifikante Gruppe, die keinen Einfluss (Stufe 1) wahrnimmt.

Wissenschaftlich betrachtet, zeigen diese Ergebnisse, dass das Programm grundsätzlich Ansätze zur Förderung der Zusammenarbeit bietet, aber die Wirkung möglicherweise nicht bei allen Teilnehmenden gleich stark aus­geprägt ist. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Integration neuer Kollaborationsansätze mehr Zeit benötigt oder zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um die Zusammenarbeit effektiver zu fördern.

Abbildung 5 Beeinflussung der Zusammenarbeit

[Quelle: eigene Darstellung]



Für die Weiterentwicklung des Programms empfehlen sich daher Maß­nahmen zur intensiveren Förderung von Teamarbeit und Kollaborations­fähig­keiten, insbesondere im Kontext von KI-Technologien in interdiszipli­nären Teams. Durch gezielte Lernmodule und maßgeschneiderte Unter­stützung könnten die Teilnehmenden besser in die Lage versetzt werden, KI-Initiativen erfolgreich in ihrem organisatorischen Umfeld zu leiten und umzusetzen.

Abbildung 6 Verbesserung der Ergebnisse im Arbeitsbereich

[Quelle: eigene Darstellung]



Abbildung 6 stellt dar, inwiefern die Anwendung von KI nach Einschätzung der Teilnehmenden zu einer Verbesserung der Ergebnisse in ihrem Arbeitsbereich beigetragen hat. Die Skala reicht von 1 (keine Verbesserung) bis 5 (starke Verbesserung).

Der größte Anteil der Teilnehmenden hat die Relevanzstufe 3 gewählt, was auf eine moderate Verbesserung hindeutet. Das bedeutet, dass die Mehrheit der Befragten eine gewisse positive Auswirkung der KI-Anwen­dung in ihrem Arbeitsbereich erkennen kann. Die Balken für die Stufen 2 und 4 sind auch prominent, wobei Stufe 2 darauf hindeutet, dass einige Teilnehmende nur eine geringfügige Verbesserung erlebt haben, während Stufe 4 eine größere, aber nicht maximale Verbesserung anzeigt. Die niedrigsten Balken auf den Stufen 1 und 5 zeigen, dass nur wenige Teil­nehmende entweder keine oder eine sehr starke Verbesserung wahr­genommen haben.

Wissenschaftlich interpretiert, reflektiert diese Verteilung ein differen­ziertes Bild der wahrgenommenen Effektivität von KI im Berufsfeld der Befragten. Während eine generelle Tendenz zu einer positiven Wirkung besteht, variiert das Ausmaß der Verbesserung zwischen den Teilnehmen­den. Diese Unterschiede könnten von einer Vielzahl von Faktoren ab­hängen, wie dem spezifischen Arbeitskontext, der Art der implementier­ten KI-Tools und dem Grad der Integration und Anpassung von KI-Lösungen in den Arbeitsalltag.

Die Erkenntnisse legen nahe, dass die Förderung eines tieferen Verständ­nisses für die praktische Anwendung von KI und die Bereitstellung von Unterstützung bei der Implementierung dazu beitragen könnten, die Effektivität von KI-Anwendungen zu maximieren. Bildungsprogramme sollten darauf abzielen, die Teilnehmenden nicht nur in der Theorie zu schulen, sondern auch praktische Anwendungsfälle zu vermitteln, um eine konkrete und spürbare Verbesserung der Arbeitsergebnisse zu erzielen.

Abbildung 7 Veränderung seit Teilnahme am Programm

[Quelle: eigene Darstellung]



Abbildung 7 veranschaulicht die Selbst­einschätz­ung der Teilnehmenden, wie sich ihre Rolle und ihr Beitrag in KI-bezogenen Projekten oder Diskussionen seit der Teilnahme am Programm verändert haben. Auf der X-Achse sind Relevanzstufen von 1 (keine Ver­änderung) bis 5 (starke Veränderung) dargestellt, während die Y-Achse den Prozentsatz der Teilnehmenden anzeigt, die jede Stufe gewählt haben.

Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden hat Stufe 3 ausgewählt, was darauf hinweist, dass sie eine moderate Veränderung in ihrer Rolle oder ihrem Beitrag erlebt haben. Ein deutlich kleinerer Anteil der Teil­nehmenden empfindet eine geringe (Stufe 2) oder starke (Stufe 4) Veränderung, während nur sehr wenige keine oder eine sehr starke Veränderung (Stufen 1 und 5) verzeichnen.

Diese Verteilung signalisiert, dass das Programm einen erkennbaren, aber nicht revolutionären Einfluss auf die Rolle und den Beitrag der Teilneh­men­den in KI-bezogenen Kontexten hat. Diese moderate Veränderung könnte auf die Wirksamkeit des Programms bei der Steigerung des Enga­gements und der aktiven Teilnahme der Teilnehmenden in KI-Projekten hindeuten, zeigt jedoch auch, dass es Raum für weitere Verbesserungen gibt, insbesondere bei der Ermächtigung der Teilnehmenden, eine füh­rende Rolle in solchen Projekten zu übernehmen.

Für zukünftige Programmiterationen könnte dies bedeuten, dass eine stärkere Fokussierung auf praktische Erfahrungen und die Anwendung von KI-Wissen erforderlich ist, um die Teilnehmenden zu befähigen, ihre Beiträge zu KI-bezogenen Projekten und Diskussionen signifikant zu er­höhen. Dies könnte durch Projektarbeit, Mentoringprogramme und die Förderung eines aktiven Erfahrungsaustausches zwischen den Teilneh­men­den erreicht werden, um nicht nur ihr Verständnis, sondern auch ihre praktische Anwendungskompetenz in KI zu vertiefen.

Abbildung 8 Stärkung des Selbstvertrauens der Teilnehmenden nach Relevanzstufe

[Quelle: eigene Darstellung]



Abbildung 8 zeigt, wie die Teilnehmenden die Stärkung ihres Selbstvertrauens durch das Programm in Bezug auf KI-bezogene Aufgaben oder Projekte bewerten. Die höchste Säule auf der Relevanzstufe 3 zeigt, dass die meisten Befragten eine mittlere Steige­rung ihres Selbstvertrauens erfahren haben. Die zweithöchste Säule auf Stufe 2 lässt auf eine geringere Steigerung schließen, während die Säulen auf den Stufen 4 und 5 eine stärkere, jedoch weniger häufige Steigerung anzeigen.

Diese Ergebnisse könnten darauf hinweisen, dass das Programm im All­gemeinen erfolgreich das Selbstvertrauen der Teilnehmenden verbessert hat, wobei das Ausmaß der Stärkung variiert. Es ist wichtig zu erkennen, dass, während einige Teilnehmende signifikante Verbesserungen ihres Selbstvertrauens verzeichnen, andere möglicherweise noch Unter­stütz­ung benötigen, um ähnliche Fortschritte zu erzielen.

Um die Auswirkungen des Programms weiter zu erhöhen, könnten zu­künftige Iterationen gezielte Unterstützung für diejenigen bieten, die eine geringere Stärkung des Selbstvertrauens erfahren haben. Das Ziel wäre es, alle Teilnehmenden zu befähigen, KI mit größerer Sicherheit und Kom­petenz anzuwenden.

Abbildung 9 Wahrgenommene Wirkung des AI-Ambassador-Programms auf die Förderung einer Kultur der Offenheit und des Lernens im Kontext von KI unter den Teilnehmenden

[Quelle: eigene Darstellung]

Abbildung 10 Steigerung des Interesses der Teilnehmenden an weiterführenden KI-bezogenen Fortbildungen und Projekten durch das AI-Ambassador-Programm

[Quelle: eigene Darstellung]

Abbildung 11 Einfluss des AI-Ambassador-Programms auf die Initiativfähigkeit der Teilnehmenden zur Einführung und Förderung von KI-Projekten in ihren Organisationen

[Quelle: eigene Darstellung]



Die Abbildungen 9, 10 und 11 stellen unterschied­liche Aspekte dar, wie das AI-Ambassador-Programm die Teilnehmenden in Bezug auf KI beeinflusst hat:

Kultur der Offenheit und des Lernens (Abbildung 9): Das Diagramm zeigt, wie das Programm dazu beigetragen hat, eine Kultur der Offenheit und des Lernens in Bezug auf KI zu schaffen. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden gibt an, dass das Programm in dieser Hinsicht eine mäßige bis hohe Wirkung hatte, wobei die meisten Teilnehmenden Stufe 3 wäh­len. Dies legt nahe, dass das Programm wirksam eine Umgebung geför­dert hat, die für KI-Lernen und -Anwendung offen ist.

Interesse an weiteren KI-bezogenen Fortbildungen oder Projekten (Ab­bildung 10): Im nächsten Diagramm bewerten die Teilnehmenden, wie stark das Programm ihr Interesse an weiteren KI-bezogenen Fortbil­dungen oder Projekten geweckt hat. Die Mehrheit fühlt sich durch das Programm motiviert, was auf Stufe 3, 4 und 5 deutlich wird. Dies zeigt, dass das Programm das Interesse an KI erheblich gesteigert hat und möglicherweise die aktive Beteiligung an KI-Projekten und Weiterbildung vorantreibt.

Initiierung und Förderung von KI-Projekten (Abbildung 11): Dieses Dia­gramm reflektiert, inwieweit das Programm die Teilnehmenden dazu ermutigt hat, KI-Initiativen oder -Projekte in ihrer Organisation zu ini­tiieren oder zu fördern. Die Antworten verteilen sich hauptsächlich auf Stufe 3 und 4, was darauf hinweist, dass das Programm einen positiven Einfluss hatte. Einige Teilnehmende fühlen sich gut vorbereitet, um KI-Projekte anzustoßen, während andere möglicherweise weitere Unter­stützung benötigen. Die niedrigen Balken bei Stufe 1 und 2 zeigen, dass wenige Teilnehmende keinen oder nur geringen Einfluss des Programms auf ihre Initiativfähigkeit wahrnehmen.

Wissenschaftlich ausgewertet, illustrieren diese Diagramme, dass das AI-Ambassador-Programm insgesamt einen positiven Effekt auf die Ein­stellungen und Aktivitäten der Teilnehmenden im Zusammenhang mit KI hatte. Während einige Aspekte wie das Interesse an KI stark gefördert wurden, gibt es in anderen Bereichen, wie der Initiierung von KI-Pro­jekten, Raum für Verbesserungen. Diese Erkenntnisse können dazu dienen, zukünftige Programme fein abzustimmen, um nicht nur das Wissen, sondern auch die praktische Anwendung von KI im Berufsfeld der Teilnehmenden zu stärken. Für eine wirksame Förderung der KI-Kom­petenzen sollte das Programm alle Aspekte des KI-Lernens adressieren – von der Kultivierung einer offenen Lernumgebung über die Motivation zur Weiterbildung bis hin zur Befähigung, KI-Projekte zu leiten und zu fördern.

Abbildung 12 Häufigkeit der genannten Herausforderungen bei der Umsetzung von KI-Projekten

[Quelle: eigene Darstellung]



Abbildung 12 zeigt die Häufigkeit, mit der verschiedene Herausforde­rungen von Teilnehmenden im Rahmen des AI-Ambassador-Programms genannt wurden. Die X-Achse kategorisiert die Herausforderungen: technische Schwierigkeiten, Mangel an Ressourcen, fehlendes Verständ­nis, interne Widerstände und sonstige Herausforderungen. Die Y-Achse zeigt die relative Anzahl der Nennungen jeder Herausforderung.

Die am häufigsten genannte Herausforderung ist der »Mangel an Res­sourcen«, gefolgt von »technischen Schwierigkeiten«. Dies könnte auf begrenzte finanzielle Mittel, Zeit oder fehlende technologische Infra­struktur hinweisen, die für die Umsetzung von KI-Projekten erforderlich sind. »Fehlendes Verständnis« steht an dritter Stelle und weist auf eine Wissenslücke bei den Teilnehmenden oder anderen Stakeholdern hin, welche die Umsetzung von KI-bezogenen Initiativen erschwert. »Interne Widerstände« könnten auf organisatorische Kultur oder Widerstand gegen Veränderungen zurückzuführen sein, die Innovationen bremsen. »Sonstige« Herausforderungen könnten eine Vielzahl von weniger häu­figen Problemen umfassen, die nicht in die vorherigen Kategorien fallen.

Wissenschaftlich ausgewertet, gibt diese Verteilung wertvolle Einblicke in die Barrieren, die es zu überwinden gilt, um die Integration von KI in den Arbeitsalltag zu erleichtern. Die Identifizierung dieser Hindernisse ist ent­scheidend, um zielgerichtete Lösungsstrategien zu entwickeln und die Umsetzung von KI-bezogenen Projekten zu fördern. Ein tieferes Ver­ständ­nis dieser Herausforderungen kann auch dazu beitragen, zukünftige Bildungsprogramme so zu gestalten, dass sie auf die spezifischen Bedürf­nisse der Teilnehmenden eingehen und sowohl die erforderlichen Res­sourcen als auch das nötige Wissen zur Bewältigung technologischer Herausforderungen bereitstellen.

Abbildung 13 zeigt die Häufigkeiten der Ant­worten auf die Frage, welche Art von zusätzlichen Ressourcen oder Unter­stützungen den Teilnehmenden helfen würden, KI effektiver in ihrer Arbeit zu nutzen. Die Kategorien umfassen Schulungen, technische Unter­stützung, mehr Personal, finanzielle Mittel sowie sonstige Ressour­cen oder Unterstützung.

Abbildung 13 Verteilung der benötigten Unterstützungsressourcen zur Effektivitätssteigerung von KI-Anwendungen im Berufsumfeld

[Quelle: eigene Darstellung]



Die Analyse der benötigten Ressourcen zur effektiven Nutzung von Künst­licher Intelligenz (KI) im Arbeitsumfeld hat ein differenziertes Bild der Bedürfnisse von Organisationsmitgliedern offenbart. Insbesondere rücken Schulungen und finanzielle Mittel in den Vordergrund, die von den Teilnehmenden als Schlüsselfaktoren für den erfolgreichen Einsatz von KI betrachtet werden. Diese Nachfrage spiegelt die Notwendigkeit wider, sowohl das grundlegende Verständnis als auch die fortgeschrittene An­wen­dung von KI-Technologien durch gezielte Bildungsangebote zu fördern. Zusätzlich zeigt der Bedarf an technischer Unterstützung die Relevanz von fundiertem technischem Know-how und geeigneter Infra­struktur für die Implementierung und Wartung von KI-Lösungen. Wäh­rend Personalressourcen und andere unterstützende Maßnahmen weni­ger häufig genannt wurden, unterstreicht ihre Erwähnung dennoch die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes zur Bewältigung der Heraus­forderungen bei der Einführung von KI.

Aus wissenschaftlicher Perspektive verdeutlichen diese Erkenntnisse die komplexen Anforderungen an Organisationen, die KI-Technologien ein­führen und skalieren möchten. Der ausgeprägte Bedarf an Schulungen unterstreicht existierende Wissenslücken, und die Notwendigkeit finan­zieller Ressourcen weist auf mögliche Hindernisse bei der Investition in KI-Initiativen hin. Die Betonung technischer Unterstützung hebt die kritische Rolle einer soliden Infrastruktur für die effiziente Nutzung von KI hervor.

Diese Resultate bieten Entscheidungstragenden wertvolle Hinweise darauf, in welchen Bereichen Investitionen und Verbesserungen prioritär erfolgen sollten, um das Potenzial von KI vollständig ausschöpfen zu können. Eine synergetische Kombination aus maßgeschneiderten Schu­lungsprogrammen, angemessener finanzieller Unterstützung und einem robusten technischen Supportsystem erscheint wesentlich, um die KI-Kompetenzen der Belegschaft zu stärken und eine erfolgreiche Imple­mentierung von KI-Projekten in Unternehmen zu gewährleisten.



4.2 Darstellung und Diskussion der qualitativen Ergebnisse

In dem folgenden Kapitel werden die qualitativen Ergebnisse, die im Rahmen des AI-Ambassador-Programms gewonnen wurden, detailliert dargestellt und diskutiert. Dieses Kapitel zielt darauf ab, ein vertieftes Verständnis der Erfahrungen der Teilnehmenden mit KI-Technologien zu entwickeln und aufzuzeigen, inwiefern das Programm zur Förderung technologischer und digitaler Kompetenzen beigetragen hat. Durch die Analyse von Interviews mit sechs Programmteilnehmenden erhalten wir Einblicke in die vielschichtigen Aspekte der Implementierung und Nutz­ung von KI in dynamischen Arbeitsumfeldern. Das Kapitel beleuchtet sowohl die positiven Entwicklungen und Erfolge als auch die angetrof­fenen Herausforderungen und Hindernisse, welche die Teilnehmenden beim Erlernen und Anwenden von KI-Technologien erfahren haben. Es werden zentrale Themenbereiche wie die Entwicklung und Verbesserung technologischer und digitaler Fähigkeiten, die Integration von KI in den Arbeitsalltag, die Auswirkung des Programms auf klassische und trans­formative Kompetenzen sowie der Beitrag des Programms zur Implemen­tierung und Nutzung von KI in der Praxis umfassend betrachtet und analysiert.



4.2.1 Entwicklung technologischer und digitaler Kompetenzen

Die Interviewauswertungen im Rahmen des Programms bieten unter­schiedliche Perspektiven auf die Entwicklung technologischer und digitaler Kompetenzen der Teilnehmenden und zeichnen ein Bild signifikanter Lernprozesse und Herausforderungen bei der Imple­men­tierung und Nutzung von KI in einem sich dynamisch entwickelnden Arbeitsumfeld. Trotz eines anfänglichen Mangels an tiefgreifendem KI-Wissen berichten alle Teilnehmenden von einer deutlichen Erweiterung ihrer technologischen und digitalen Kompetenzen. Diese Entwicklung wurde durch verschiedene Aspekte des Programms ermöglicht und gefördert.

Zunächst führte das Programm zu einer Erweiterung des Technologie­verständnisses, indem das Bewusstsein für die Existenz verschiedener KI-Tools geschärft und deren praktische Anwendbarkeit in den täglichen Arbeitsprozessen hervorgehoben wurde. Darüber hinaus wurde die Integration von KI in den Arbeitsalltag signifikant erhöht. Die Teilnehm­enden berichten von einer aktiveren Nutzung von KI-Tools, die von der Automatisierung routinemäßiger Aufgaben bis hin zur Unterstützung kreativer Arbeitsprozesse reicht. Ein weiterer wichtiger Lerneffekt war der Zuwachs an Selbstsicherheit im Umgang mit KI. Insbesondere wurde bei Teilnehmer 6 die Überwindung bestehender Ängste und der Gewinn an Souveränität im Umgang mit KI-Technologien hervorgehoben. Diese Entwicklungen reflektieren die tiefgreifenden Lernprozesse, die durch das Programm angestoßen wurden.

Trotz dieser positiven Entwicklungen wurden auch wiederkehrende Heraus­forderungen und Verbesserungsbedarfe identifiziert. Ein ent­schei­dendes Thema war der Zeitrahmen und die Lernintensität des Pro­gramms, das in seiner aktuellen Form eine tiefgehende Beschäftigung mit den KI-Inhalten teilweise einschränkte. Eine Verlängerung des Pro­gramms könnte den Teilnehmenden die Möglichkeit bieten, sich inten­siver mit komplexeren KI-Konzepten auseinanderzusetzen und diese durch prak­tische Anwendungen zu vertiefen. Zudem wurde die Notwen­digkeit einer klareren Aufgabenstellung und stärkeren Praxisorien­tie­rung betont, um die Effizienz des Lernprozesses zu steigern.

Wesentliche Punkte:

  • Erweiterung des Technologieverständnisses
  • Integration von KI in den Arbeitsalltag
  • Zuwachs an Selbstsicherheit im Umgang mit KI
  • Herausforderungen: Zeitrahmen und Lernintensität
  • Verbesserungsbedarf: Praxisorientierung und Aufgabenstellung



Zusammenfassung: Die qualitativen Ergebnisse des Programms bestä­tigen dessen signifikanten und positiven Einfluss auf die Entwicklung technologischer und digitaler Kompetenzen. Um eine fortlaufende Verbesserung zu erreichen, ist es entscheidend, die Programmstruktur an die Bedürfnisse der Teilnehmenden anzupassen, den Schwerpunkt auf praxisnahe Anwendungen zu legen und ausreichend Zeit für die Ver­mittlung und Aneignung der Inhalte bereitzustellen. Letztendlich bieten die gewonnenen Einsichten eine wertvolle Grundlage für die Diskussion über die Auswirkungen auf klassische und transformative Kompetenzen und die Weiterentwicklung des Programms.



4.2.2 Auswirkungen auf klassische und transformative Kompetenzen

Das AI-Ambassador-Programm hat, laut der Auswertung, nicht nur die technischen und spezifischen digitalen Fähigkeiten der Teilnehmenden gefördert, sondern auch einen substanziellen Beitrag zur Entwicklung klassischer und transformativer Kompetenzen geleistet. Diese über­fach­lichen Fähigkeiten, die für eine aktive und kreative Mitarbeit in zukünfti­gen Arbeitswelten essenziell sind, wurden durch die Teilnahme am Pro­gramm spürbar gestärkt.

Eines der bemerkenswertesten Ergebnisse war die Förderung des krit­ischen Denkens und der Problemlösungsfähigkeit. Die Teilnehmenden beschrieben, wie ihre Auseinandersetzung mit KI-Technologien nicht nur ihr technisches Verständnis vertiefte, sondern auch ihre Fähigkeit, über den Einsatz und die Auswirkungen von KI gründlich zu reflektieren und kreative Lösungsansätze für alltägliche und berufliche Herausforderungen zu entwickeln. Dieser Prozess des Hinterfragens und der Innovation ist ein klarer Beweis dafür, wie das Programm nicht nur Wissen über KI ver­mittelte, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung damit anregte.

Darüber hinaus wurde die Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmenden deutlich verbessert. Fähig, komplexe Themen rund um KI verständlich darzustellen und produktive Diskussionen zu führen, stärkten sie ihre Ver­mittlungskompetenz. Diese Fähigkeit, effektiv zu kommunizieren und zu kollaborieren, ist besonders in der zunehmend vernetzten und techno­lo­gisch fortgeschrittenen Arbeitswelt von Bedeutung.

Die Lernkompetenz der Teilnehmenden wurde ebenfalls durch das Pro­gramm gesteigert, wobei viele von einer gestärkten Bereitschaft zum lebenslangen Lernen berichteten. Angespornt durch das Programm, sich stetig mit neuen technologischen Entwicklungen auseinanderzusetzen, wuchs die Eigeninitiative der Teilnehmenden, sich selbstständig Wissen anzueignen und anzuwenden.

Auf der Ebene der transformativen Kompetenzen erlebten die Teilnehm­enden eine spürbare Steigerung ihrer Adaptionsfähigkeit und Flexibilität. Angesichts der Dynamik und Schnelllebigkeit der KI-Technologien lernten sie, sich schnell an neue Entwicklungen anzupassen und ihre Arbeits­prozesse entsprechend zu optimieren.

Die Innovationskompetenz wurde durch das Programm erheblich geför­dert. Die Teilnehmenden entdeckten KI als ein Werkzeug, das ihr Innova­tionspotenzial freisetzen und ihren kreativen Umgang mit Technologie grundlegend verändern kann.

Nicht zuletzt wurden durch das Programm ethisches Bewusstsein und soziale Verantwortung im Umgang mit KI geschärft. Die kritische Reflexion über Datenethik und die sozialen Folgen von KI-Anwendungen trugen zu einem verantwortungsbewussten Handeln der Teilnehmenden im digitalen Raum bei.

Wesentliche Punkte der Erkenntnisse:

  • Förderung kritischen Denkens und innovativen Problemlösens
  • Stärkung der Kommunikationsfähigkeit und Kollaboration
  • Anregung zur kontinuierlichen Lernbereitschaft und Eigeninitiative
  • Steigerung der Adaptionsfähigkeit und Flexibilität im Umgang mit KI-Technologien
  • Anregung von Innovationspotenzial und kreativem Einsatz von KI
  • Entwicklung von ethischem Bewusstsein und sozialer Verantwortung



Zusammenfassung: Das AI-Ambassador-Programm hat nicht nur entscheidende technische und digitale Fähigkeiten gefördert, sondern auch einen tiefgreifenden Einfluss auf die Entwicklung von klassischen und transformativen Kompetenzen, die für die Herausforderungen und Chancen der Zukunft von essenzieller Bedeutung sind.



4.2.3 Beitrag zur Implementierung und Nutzung von KI

Das AI-Ambassador-Programm steht symbolisch für einen Wegbereiter in der digitalen Transformation, indem es nicht nur ein fundiertes Ver­ständ­nis für KI schafft, sondern auch deren praktische Anwendungen lebendig macht. Die aus den Interviews gewonnenen Erkenntnisse skizzieren ein vielschichtiges Bild davon, wie das Programm das Bewusstsein, die Hal­tung und das Engagement der Teilnehmenden rund um das Thema KI nachhaltig beeinflusst hat.

Die Implementierung von KI in Arbeitsprozessen markiert einen zentralen Erfolg des Programms. Hierbei steht besonders die gesteigerte Bereit­schaft der Teilnehmenden im Vordergrund, KI-Technologien in den täglichen Arbeitsalltag zu integrieren. Diese reicht von der Automati­sierung standardisierter Tätigkeiten bis hin zur Nutzung von KI für koplexe datenbasierte Analyseprozesse und Entscheidungsfindungen. Neue KI-gestützte Services und Produkte zeigen, wie vielfältig die Einsatzmöglich­keiten von KI sind und wie sie zur betrieblichen Innovation beitragen können. Parallel dazu förderte die Teilnahme am Programm eine Inno­vationskultur, welche die experimentierfreudige und offene Auseinander­setzung mit neuen Technologien begünstigt – ein wesentlicher Baustein für die Zukunftsorientierung jeder Organisation.

Dieses Programm trug nicht nur zur Erweiterung des Wissensspektrums über KI und dessen Anwendungsmöglichkeiten bei, sondern ermöglichte auch eine Vertiefung des Verständnisses in ethischen, technischen und gesellschaftlichen Dimensionen von KI. Die Übernahme einer Multiplika­torrolle durch viele Teilnehmende nach dem Programmabschluss ver­deutlicht die Bedeutung des Peer-Lernens und der gemeinschaftlichen Wissensentwicklung, die entscheidend für die erfolgreiche KI-Transfor­mation sind.

Die Vision der zukünftigen Rolle von KI zeichnet sich durch eine nach­haltige und ethisch verantwortbare Integration in Bildungskontexte aus. Insbesondere die Potenziale zur Individualisierung des Lernprozesses durch KI-gestützte Lernumgebungen und die Automatisierung adminis­trativer Prozesse verdeutlichen das transformative Potenzial von KI in der Bildungsbranche. Darüber hinaus unterstreicht die Hervorhebung einer Führungsrolle in der KI-Transformation die Bedeutung von Führungs­persönlichkeiten, die nicht nur ein tiefgreifendes Verständnis von KI vermitteln, sondern auch eine Kultur der Offenheit und des Experimen­tierens fördern.

Wesentliche Erkenntnisse:

  • Förderung der KI-Adaption in verschiedenen Arbeitsprozessen
  • Entstehung einer Innovationskultur durch Exploration und Implementierung von KI-Technologien
  • Erweiterung des Wissensspektrums bezüglich KI in technischen und ethischen Dimensionen
  • Stärkung der Multiplikatoren für eine kollektive Wissensentwicklung
  • Zukunftsorientierte Integration von KI in Bildung und Führung



Zusammenfassung: Das AI-Ambassador-Programm hat sich als überaus effektiv in der Förderung einer umfassenden KI-Kompetenz und in der positiven Beeinflussung der digitalen Transformationsprozesse erwiesen. Die Transformationen, die durch das Programm ermöglicht wurden, reichen über den individuellen Rahmen hinaus und bilden eine solide Grund­lage für die erfolgreiche Integration von KI in die zukünftige Arbeit. Aus dieser Analyse leitet sich die Empfehlung ab, dass zukünftige Bil­dungs­initiativen diese Erkenntnisse nutzen sollten, um eine noch effek­tivere Vermittlung von KI-Kompetenzen zu erreichen und Teilnehmende optimal auf eine digital transformierte Zukunft vorzubereiten.

Die qualitative Analyse der Teilnehmendenerfahrungen offenbart die transformatorische Kraft professioneller Bildungsprogramme im The­menfeld KI und zeigt die Potenziale, aber auch die Herausforderungen auf, die mit der Einführung neuer Technologien in die Arbeitswelt ver­bunden sind. Zukünftige Programme sollten diese Erkenntnisse nutzen, um eine noch wirksamere Vermittlung von KI-Kompetenzen zu erreichen und die Teilnehmenden optimal auf die digital transformierte Zukunft vorzubereiten.

Diese umfassende Ausarbeitung zeigt, wie qualitatives Feedback und die Reflexion individueller Lernerfahrungen die Basis für eine kontinuierliche Verbesserung und Anpassung von Bildungsinitiativen bieten können, um den dynamischen Anforderungen des digitalen Zeitalters gerecht zu werden.



5 Schlussfolgerungen und Ausblick

5.1 Stärken und Schwächen des AI-Ambassador-Programms

Die qualitativen Ergebnisse des AI-Ambassador-Programms liefern tiefer­gehende Einblicke in die Effektivität und den Einfluss des Programms auf die Entwicklung von Kompetenzen der Teilnehmenden im Bereich der KI. Die Interviews mit sechs Programmteilnehmenden haben gezeigt, dass das Programm maßgeblich zur Erweiterung sowohl der technologischen und digitalen als auch der klassischen und transformativen Fähigkeiten beigetragen hat. Diese Kompetenzen sind entscheidend für eine erfolg­reiche Integration und Nutzung von KI in dynamischen Arbeitsumfeldern (André & Bauer, 2021).

Ein herausragendes Ergebnis ist die signifikante Erweiterung des Techno­logie­verständnisses bei den Teilnehmenden, die von einer aktiveren Nut­zung der KI in ihrem Arbeitsalltag berichten. Besonders hervor­zuheben ist der durch das Programm erzielte Zuwachs an Selbstsicherheit im Umgang mit KI, welcher es den Teilnehmenden erlaubt, innovative Lösungen in ihren Arbeitsprozessen einzuführen. Des Weiteren werden durch das Programm klassische und transformative Kompetenzen gestärkt, die für die Bewältigung der Herausforderungen in einer sich schnell verändern­den Arbeitswelt erforderlich sind, wie kritisches Denken, Anpassungs­fähig­keit und Teamarbeit.

Trotz der positiven Entwicklungen wurden auch Herausforderungen und Verbesserungsbedarfe identifiziert. Einschränkungen in Bezug auf den Zeitrahmen und die Lernintensität des Programms unterstreichen die Notwendigkeit einer Programmverlängerung, um eine umfassendere Auseinandersetzung mit und Vertiefung von KI-Konzepten zu ermög­lichen. Zudem wurde das Fehlen einer klaren Aufgabenstellung und die Notwendigkeit einer stärkeren Praxisorientierung als Verbesserungs­bedarf hervorgehoben.

Limitationen und zukünftige Forschung: Es gilt, die Limitationen der Studie, die primär auf Selbstauskünften basiert und eine begrenzte Stichprobengröße aufweist, zu berücksichtigen. Zukünftige Forschungen sollten eine breitere Datenbasis einschließen und die Langzeiteffekte des Programms auf die berufliche Entwicklung der Teilnehmenden erfor­schen. Zusammenfassend bestätigen die qualitativen Ergebnisse die signifikanten und positiven Effekte des AI-Ambassador-Programms auf die KI-Kompetenzentwicklung. Die identifizierten Herausforderungen bieten gleichzeitig wertvolle Ansatzpunkte für dessen Weiterentwicklung, um noch effektivere und nachhaltigere Bildungsangebote im Bereich KI zu kreieren.



5.2 Implikationen für Bildung, Wirtschaft und Politik

Die Analyse des AI-Ambassador-Programms deutet auf bedeutsame Einblicke hin, die direkte Auswirkungen auf den Bildungssektor, die Wirtschaftsunternehmen und politische Entscheidungsträger haben.

Bildung: Die offengelegte Diversität in den Ausgangsniveaus des KI-Ver­ständ­nisses unter den Teilnehmenden untermauert die Notwendigkeit, innerhalb des Bildungswesens unterschiedliche Lernpfade anzubieten, die auf die variierenden Erfahrungsgrade zugeschnitten sind. Bildungsinsti­tutionen sollten die Entwicklung modularer Lernangebote in Betracht ziehen, die sowohl Grundlagen vermitteln als auch tiefergehendes, spe­zialisiertes Wissen bereitstellen. Wichtig wäre es, dabei auch transversale Fähigkeiten wie kritisches Denken, kreative Problemlösung und ethische Reflexion über den Einsatz von KI zu stärken, um die Studierenden adäquat auf die zukünftige Arbeitswelt vorzubereiten.

Wirtschaft: Für Unternehmen offenbart die Untersuchung die essenzielle Rolle von Führungskräften bei der Förderung des KI-Wissenstransfers und bei der Überwindung organisatorischer Barrieren. Firmen sind ange­halten, in Fortbildungsprogramme zu investieren, die auf die Befähigung von Führungskräften ausgerichtet sind, effektive Multiplikatoren für KI-Wissen zu werden. Zudem erscheint es sinnvoll, eine Unternehmenskultur zu etablieren, die experimentelles Lernen, kreative Anwendung von KI und eine integrative Kollaborationskultur fördert, um eine effiziente Einführung und Nutzung von KI-gestützten Prozessen zu gewährleisten.

Politik: Politische Entscheidungsträger sind herausgefordert, Rahmen­bedingungen zu schaffen, die eine ausgewogene Integration von KI unterstützen. Dies beinhaltet einerseits die Förderung von Innovations- und Bildungsinitiativen im KI-Bereich, die ethische Standards und Daten­schutz respektieren, und andererseits die Gewährleistung eines breiten Zugangs zu KI-Bildung, um soziale Ungleichheiten zu vermeiden. Eine enge Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen und Unternehmen ist wesentlich, um ein kohärentes Bildungssystem zu entwickeln, das effektiv auf die Anforderungen der digitalen Transformation reagiert.

Zusammenfassung: Die Ergebnisse des AI-Ambassador-Programms liefern wertvolle Impulse für ein strategisches Herangehen an die Inte­gration von KI in Bildung, Wirtschaft und Politik. Es ist von entscheiden­der Bedeutung, dass diese drei Bereiche kooperieren, um die Entwicklung und den Einsatz von KI-Technologien zu fördern, die sowohl innovativ als auch ethisch verantwortbar sind. Die Anpassung der Bildungsangebote, die Förderung einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur und die Schaffung unterstützender politischer Rahmenbedingungen sind Schlüsselkomponenten, um die Potenziale von KI umfassend zu nutzen und gleichzeitig die Herausforderungen der digitalen Ära erfolgreich zu meistern.



5.3 Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung des Programms

Im Folgenden werden Handlungsempfehlungen für die Weiterentwick­lung des AI-Ambassador-Programms diskutiert, basierend auf den Ergeb­nissen der durchgeführten Analyse.

1. Anpassung der Lerninhalte auf verschiedene Erfahrungsstufen: Die Analyse zeigt, dass Teilnehmende mit unterschiedlichem Vorwissen zu KI an dem Programm teilnehmen. Um den Bedürfnissen und dem Niveau aller Teilnehmenden gerecht zu werden, sollten die Lerninhalte modular und anpassbar gestaltet werden, von grundlegenden Einführungen bis hin zu fortgeschrittenen Techniken. Zusätzlich sollte eine klare Aufgaben­stellung formuliert werden, um den Teilnehmenden von Beginn an klare Lernziele und Erwartungen zu vermitteln.

2. Integration praktischer Anwendungsfälle: Die positiven Effekte des Programms auf die Selbstsicherheit und Anwendungsbereitschaft von KI in der Praxis unterstreichen die Notwendigkeit, praktische Anwendungs­fälle und Projekte zu integrieren. Hierdurch sollten die Teilnehmenden die Möglichkeit erhalten, das Gelernte direkt anzuwenden und die Auswirk­ungen von KI auf reale Arbeitsprozesse zu erleben. Die starke Praxis­orientierung sollte durch kontinuierliche Praxisprojekte und realitätsnahe Szenarien verstärkt werden.

3. Stärkung der Führungsrolle bei der KI-Integration: Die signifikanten Unterschiede in der Wahrnehmung von organisatorischen Barrieren zwischen Führungskräften und Nicht-Führungskräften machen deutlich, dass eine spezifische Schulung für Führungspersonen notwendig ist. Diese sollte darauf abzielen, Führungsverantwortung im Kontext der KI-Trans­formation zu stärken und Führungskräfte zu Multiplikatoren für KI-Kom­petenzen im Unternehmen zu machen.

4. Förderung der Kollaboration und des Peer-Lernens: Um die Kollaboration und den Wissenstransfer innerhalb des Programms zu verstärken, sollten Formate des Peer-Lernens und des Erfahrungs­austausches zwischen den Teilnehmenden gefördert werden. Zusätzlich könnte die Implementierung von Mentoring-Programmen, in denen erfahrene KI-Anwender ihr Wissen teilen, den Lernprozess intensivieren.

5. Verlängerung der Programmdauer und Flexibilisierung des Lernens: Angesichts der Herausforderungen in Bezug auf den Zeitrahmen und die Lernintensität sollte die Dauer des Programms angepasst werden, um eine intensivere Auseinandersetzung mit den Inhalten zu ermöglichen. Zusätzlich könnten flexible Lernformate und -zeiten dazu beitragen, das Programm für eine breitere Zielgruppe zugänglich zu machen.

6. Kontinuierliche Evaluation und Anpassung des Programms: Um den dynamischen Entwicklungen im Bereich KI gerecht zu werden, ist eine fortlaufende Evaluation des Programms essenziell. Feedbackschleifen und regelmäßige Updates des Lehrplans können sicherstellen, dass das Programm stets aktuell bleibt und den neuesten technologischen sowie pädagogischen Erkenntnissen folgt.

Die durchgeführte Untersuchung des AI-Ambassador-Programms bietet wertvolle Einblicke in die Effektivität und Bereiche zur Optimierung. Um den zukünftigen Anforderungen einer immer digitaler werdenden Ar­beits­welt gerecht zu werden, ist eine kontinuierliche Weiterentwick­lung des Programms unerlässlich. Die vorgeschlagenen Handlungsempfehl­ungen bilden eine fundierte Grundlage, um das Programm noch wirk­samer zu gestalten und die KI-Kompetenzen der Teilnehmenden auf ein neues Niveau zu heben.



5.4 Limitationen der Studie und Ansätze für zukünftige Forschung

Im Folgenden diskutieren wir die Einschränkungen unserer Studie, wie die mögliche subjektive Verzerrung durch Selbstauskünfte und die Be­schränk­ung auf ein spezifisches Programm, und schlagen erweiterte Forschungsansätze vor, einschließlich der Nutzung diverser Datenquellen und der Untersuchung der langfristigen Wirksamkeit von KI-Bildungs­programmen.

Subjektive Verzerrung durch Selbstauskünfte: Die Abhängigkeit von Selbstauskünften der Teilnehmenden kann die Objektivität der erhobenen Daten beeinträchtigen. Subjektive Wahrnehmungen und Erfahrungen können zu einem verzerrten Bild der tatsächlichen Effekte des Pro­gramms führen. Die Teilnehmenden könnten dazu neigen, ihre Fort­schritte und das Programm insgesamt in einem positiveren Licht zu betrachten, als es möglicherweise der Fall ist.

Beschränkung auf ein einzelnes Programm: Die Fokussierung auf das AI-Ambassador-Programm der WBS Gruppe schränkt die Generalisierbarkeit der Erkenntnisse auf andere KI-Bildungsprogramme und organisatorische Kontexte ein. Unterschiedliche Formate, Zielgruppen und organisato­rische Rahmenbedingungen könnten zu abweichenden Ergebnissen führen.

Einbindung diverser Datenquellen: Zukünftige Forschungsprojekte könnten von der Einbindung einer breiteren Palette an Datenquellen profitieren. Neben den Selbstauskünften der Teilnehmenden könnten Beobachtungen, Interviews mit Kursleitenden und Mentoren sowie die Analyse von Arbeitsproben und Projektergebnissen eine umfassendere Bewertung der Programmwirksamkeit ermöglichen.

Erweiterung der Stichprobe: Um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu verbessern, sollten zukünftige Studien eine breitere Stichprobe von KI-Bildungsprogrammen und Organisationen einschließen. Dies würde es ermöglichen, die Erkenntnisse über das spezifische Programm hinaus zu extrapolieren und ein nuanciertes Bild der Wirksamkeit solcher Bildungs­initiativen zu zeichnen.

Langfristige Wirksamkeit und Karriereentwicklung: Ein weiterer fruchtbarer Forschungsbereich betrifft die langfristige Wirksamkeit von KI-Bildungsprogrammen und deren Einfluss auf die Karriereentwicklung der Teilnehmenden. Vertiefende Längsschnittstudien könnten aufzeigen, wie nachhaltig die erworbenen KI-Kompetenzen genutzt werden und welche Auswirkungen sie auf berufliche Aufstiegschancen und die Anpassung an die digitale Transformation haben.

Zusammenfassung: Die Ergebnisse unserer Studie bieten eine fundierte Basis für die Weiterentwicklung von KI-Bildungsprogrammen. Die identifizierten Limitationen und Vorschläge für zukünftige Forschung untermauern die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Evaluierung und Anpassung solcher Programme. Durch die Berücksichtigung dieser Erkenntnisse können Bildungsanbieter, Unternehmen und politische Entscheidungsträger maßgeblich dazu beitragen, das Potenzial von KI-Technologien voll auszuschöpfen und eine innovationsorientierte Arbeitskultur zu fördern.



¹ Die Varianzanalyse (ANOVA, Analysis of Variance) ist ein statistisches Verfahren zur Untersuchung von Unterschieden zwischen den Mittelwerten mehrerer Gruppen. Sie überprüft, ob die beobachteten Unterschiede statistisch signifikant sind oder durch Zufall entstanden sein könnten, indem sie die innerhalb und zwischen den Gruppen vorhandene Variabilität vergleicht.



DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

Timur Sereflioglu promoviert an der Universität Siegen zum Thema menschzentrierte KI und begleitet Unternehmen bei der Digitalisierung und KI-Implementierung. Seit mehreren Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der Frage, wie Technologie akzeptiert und angeeignet werden kann. Er arbeitet für das Mittelstand-Digital Zentrum Ländliche Regionen, wo er praxisorientierte Lösungen für die Herausforderungen und Chancen der KI im Unternehmenskontext entwickelt. Seine Expertise liegt in der Schnittstelle zwischen Technik und Mensch, mit einem besonderen Fokus auf die Bedürfnisse und Besonderheiten des Mittelstands.



Dagmar Rostek ist Product Lead bei der WBS Gruppe. Als Informatikerin, Supervisorin, Kommunikationstrainerin, Wirtschaftspsychologin und angehende Datenwissenschaftlerin konzentriert sie sich auf die Entwicklung von KI-gestützten Weiterbildungsprodukten. Diese zielen darauf ab, die Potenziale von Menschen aufzuzeigen und eine vertikale Ich-Entwicklung zu fördern.



Christoph Leonard Hesse, Strategic Product Owner @PUNK, Projektmanager mit 8+ Jahren internationaler Beratungs- und Gründungserfahrung, mehrfacher Social & Impact-Entrepreneur in den Bereichen Unternehmerische Bildung, Migration, Diversität & Inklusion 



Sebastian Taugerbeck ist seit April 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der Universität Siegen. Er arbeitete im Forschungsprojekt ASUP – Anwenderorientierte Smarte Umweltinformationssysteme in Praxis und leitete das EFRE-Projekt sustainKMU. Zudem unterstützte er das Projekt C3H – Caritas Computer Club Heckersberg. Seine Forschungsinteressen liegen in der qualitativen empirischen Sozial- und Bildungsforschung, insbesondere im nachhaltigen Projektmanagement und in der Nutzung digitaler Medien in sozialen Institutionen.



Nino Bohn studierte Sozial- und Medienwissenschaften (B.A.) sowie Sozialwissenschaft & Sozioinformatik (M.A.) an der Universität Siegen. Für seine Bachelorarbeit im Bereich Political Data Science erhielt er den Tim-Spier-Studienpreis der Sozialwissenschaften. Als Wissenschaftlicher Mitarbeiter liegen seine Forschungsinteressen in immersiven Technologien, digitalen Zwillingen, Conversational AI sowie KI-Werkzeugen in sozialen und öffentlichen Kontexten.



LITERATURVERZEICHNIS

André, E. & Bauer, W. (2021). Kompetenzentwicklung für Künstliche Intelligenz: Veränderungen, Bedarfe und Handlungsoptionen [Application/pdf]. https://doi.org/10.48669/PLS_2021-2. Abgerufen am 01.03.2024.

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Der Mittelstand (o. J.). Zahlen und Fakten rund um den deutschen Mittelstand. BVMW DE. https://www.bvmw.de/de/der-verband/%C3%BCber-uns/zahlen-fakten. Abgerufen am 01.03.2024.







FOKUS INTERDISZIPLINÄRE LEHR- UND LERNFORMATE

03 · BRÜCKEN BAUEN FÜR DIE ZUKUNFT: WIE DIRK DUAL FUTURE SKILLS INS DUALE STUDIUM INTEGRIERT ⸺

LAURA EIGBRECHT · JÖRN ALLMANG · ULF-DANIEL EHLERS Duale Hochschule Baden-Württemberg Karlsruhe

Wie können Future Skills in die Hochschullehre integriert werden? Der Beitrag präsentiert eine didaktische Vorgehensweise, die sich einerseits durch eine strukturelle Verankerung von Future Skills im Rahmen eines gesamten Student Life Cycles als auch andererseits durch eine hoch­schul­didaktische und digital unterstützte Herangehensweise auszeich­net. Das Konzept wurde für das duale Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg im Projekt DIRK Dual entwickelt. Es bezieht sich dabei auf eine besondere Studienform, die mit den Lernorten Theorie und Praxis besondere Herausforderungen, aber auch große Potenziale zum Erlernen von Future Skills anhand der kontinuierlichen Reflexion der eigenen Erfahrungen bietet. Der Beitrag bietet Einblicke in die entwickelten Konzepte und Materialien sowie erste qualitative Evalua­tions­ergebnisse aus der Pilotphase.



1 Einleitung

In Zeiten, in denen Herausforderungen komplexer werden und Wissen einerseits leichter verfügbar, aber auch leichter automatisierbar und damit volatiler denn je ist, stehen Future Skills, sprich Kompetenzen, um in komplexen Zukunftsszenarien handlungsfähig zu sein, im Zentrum aktueller Bildungsdiskussionen. Future Skills sind also Fähigkeiten, die Individuen beziehungsweise Hochschulabsolventinnen und -absolventen ermöglichen, die Herausforderungen der Zukunft bestmöglich zu meistern beziehungsweise »in hochemergenten Handlungskontexten selbstorganisiert komplexe Probleme zu lösen und (erfolgreich) hand­lungsfähig zu sein« (Ehlers, 2020, S. 57). Im Rahmen eines multimetho­dischen Forschungsdesigns und über internationale Konsultationen der NextSkills-Studie wurden 17 Profile von zukünftig relevanten Fähigkeiten, sogenannten Future Skills, entwickelt. Doch wie können Future Skills konkret in die Hochschullehre integriert werden? Der Beitrag präsentiert eine didaktische Vorgehensweise, die sich einerseits durch eine struktu­relle Verankerung von Future Skills im Rahmen eines gesamten Student Life Cycles und andererseits durch eine hochschuldidaktische und digital unterstützte Vorgehensweise auszeichnet. Das Konzept wurde für das duale Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) im vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg geförderten Projekt DIRK Dual (Digitales Reflexionstool zur Kompetenzentwicklung im Studium), gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, entwickelt und bezieht sich dabei auf eine besondere Studienform, die mit den Lernorten Theorie und Praxis besondere Herausforderungen, aber auch große Potenziale zum Erlernen von Future Skills anhand der kontinu­ierlichen Reflexion der eigenen Erfahrungen bietet. Im Beitrag wird das im Rahmen von DIRK Dual entwickelte didaktische Konzept zum Erlernen von Future Skills im Studium sowie dessen theoretische Fundierung vor­gestellt. Einzelne Komponenten und Materialien werden beschrieben sowie erste Einblicke in die Evaluationsergebnisse aus der Pilotierung innerhalb verschiedener Kurse und Studiengänge an der DHBW darge­stellt, um Rahmen- und Gelingensbedingungen für die Integration von Future Skills in das duale Studium zu beschreiben.

2 Becoming a reflective student: das DIRK Dual-Konzept für Future Skills im dualen Studium

Das duale Studium bietet mit seiner besonderen Struktur förderliche Bedingungen für das Erlernen von Kompetenzen und damit auch für Future Skills. Studierende lernen, studieren und arbeiten jeweils drei Monate am Praxisstudienort, dem Dualen Partner, sowie an einem der Standorte der DHBW. Studierende werden durch die Verzahnung von Theorie und Praxis zu Reflexionsprozessen angeregt, machen praktische Erfahrungen, die sie mit den gelernten Inhalten in Beziehung setzen und mit den Erfahrungen anderer Studierender abgleichen können. Es gibt also im Studium an der DHBW zahlreiche Möglichkeiten, die eigenen Erfahrungen individuell und gemeinsam zu reflektieren, die eigenen Kompetenzen einzuschätzen und sich gemeinsam dabei zu unterstützen. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch auch, dass dieses Potenzial der Theorie-Praxis-Verzahnung nicht immer genutzt wird (Deuer & Wild, 2018; Gerstung & Deuer, 2020; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2018). Die Initiative DIRK Dual nimmt dies zum Ausgangspunkt für die folgenden drei Hauptinnovationsziele:

  • (I) Die Verbesserung der studentischen Lernreflexionen im Übergang von Praxis- zu Theoriephasen und auch umgekehrt mittels eines formativen und stärker auf die Studierenden angepassten Peer-Reflexionskonzepts.
  • (II) Die Digitalisierung des Ablauf- und Reflexionsberichts (ARB) und damit einhergehend die Einführung eines die gesamte Studienlaufzeit umfassenden und somit für den Lernfortschritt nachhaltigen E-Portfolio-Tools.
  • (III) Die Einführung eines studiumsintegrierten Future-Skills-Programmes, welches Studierende bei der lehrintegrierten sowie auch selbstgesteuerten Entwicklung von Future Skills über das gesamte duale Studium unterstützen und mit Open Badges¹ zertifiziert werden soll.



Zu (I): Dafür wurde ein Kurskonzept entwickelt, das durch eine Kombi­nation verschiedener Lernformate dazu beiträgt, Studierende als soge­nannte Reflective Practitioners (Schön, 1983) zum erfolgreichen Handeln zu befähigen und sie in der Entwicklung ihrer Future Skills zu unter­stützen. Der reflexions- und erfahrungsbasierte Ansatz fußt auf dem Begriff der learner agency (Schoon, 2018) und soll Studierende in die Lage versetzen, Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess zu übernehmen und diesen eigenständig zu reflektieren. Lernende sollen ihren Lern­pro­zess im Sinne von Kolbs (1984) Reflexionszyklus bewusst steuern – dabei sollen sie sowohl geplante als auch spontan gemachte Erfahrungen sowie Handlungsstrategien reflektieren, sich ihres impliziten Wissens bewusst­werden und so ein Verständnis für ihren Handlungs­kontext entwickeln (Schön, 1983) und nutzen (siehe dazu ausführlicher: Ehlers et al., 2023). Doch findet das Erlernen von Future Skills nicht isoliert statt: Es bedarf Begleitung und Feedback sowie Peer Feedback (Hattie & Timperley, 2007), um eigene Wahrnehmungen mit anderen Perspektiven abgleichen zu können und nicht nur individuell, sondern auch gemeinsam den Lern­prozess zu gestalten. Das DIRK Dual-Konzept beschreibt das Erlernen von Future Skills in einem Vierschritt, der an Kovalcik (2019) angelehnt ist und durch verschiedene im Rahmen des Projektes entwickelte Konzepte und Materialien unterstützt werden soll (siehe ausführlicher Kap. 3: Werk­zeuge aus dem DIRK Dual-Future-Skills-Baukasten):

  • Schritt 1: Benennung und Definition von Future Skills
  • Schritt 2: Bewusstsein für Future Skills entwickeln und bedeutsame Future Skills identifizieren
  • Schritt 3: Die Entwicklung von Future Skills mit Erfahrungen verbinden
  • Schritt 4: Future-Skill-Artikulation und Übertragung auf andere Kontexte

Mit seiner besonderen Struktur bietet das duale Studium dafür förder­liche Bedingungen, indem praktische Erfahrungen mit den gelernten Inhalten in Beziehung gesetzt und mit anderen Studierenden abgeglichen werden können, um sich so gegenseitig im individuellen Kompetenzlernen zu unterstützen (Deuer & Wild, 2018). Dieses bisher noch nicht ausrei­chend genutzte Potenzial soll mit dem Projekt DIRK Dual sichtbar gemacht und besser genutzt werden.



Zu (II): Das DIRK Dual-Gesamtkonzept stützt sich auf ein zentrales Instru­ment des Studiums an der DHBW, dem sogenannten Ablauf- und Refle­xi­ons­bericht (ARB), und flechtet diesen in ein didaktisches Design aus Workshops, Peer-Feedback und Lern-Coachings ein. Abbildung 1 zeigt die Elemente des Gesamtkonzepts.

Abbildung 1 Begleitstudienangebot »Future Skills im dualen Studium«

[Quelle: eigene Darstellung]

Der ARB ist ein bewährtes Instrument an der DHBW, um die Kompetenz­entwicklung der Studierenden während der Praxisphasen auf Basis von schriftlichen Selbstreflexionen sichtbar zu machen und zu dokumentieren. Um das Potenzial dieses Instruments jedoch vollständig auszuschöpfen und Reflexion nicht nur punktuell, sondern kontinuierlich anzuregen, wird eine Umstellung des PDF-basierten Dokuments auf ein kontinuierlich zu füllendes E-Portfolio angestrebt – mit sechs Reflexionszeitpunkten pro Studienjahr.



Zu (III): Damit Studierende dieses wiederum eigenständig nutzen können und den Blick für ihre Future-Skills-Entwicklung schärfen, wurden Lern­interventionen in Form von Workshops rund um die Themen Future Skills sowie eigenverantwortliches und selbstgesteuertes Lernen eingeführt und werden nun gegebenenfalls in den Curricula verankert werden. Einen dieser Workshops, das Future-Skills-Modul, konnten wir zwischen De­zem­ber 2022 und Januar 2023 mit 512 Studierenden in insgesamt 22 Kursen als Onboarding-Workshop an verschiedenen Fakultäten und Standorten der DHBW pilotieren. Es wurden verschiedene Ansatzpunkte identifiziert, um das Workshopkonzept weiterzuentwickeln. Dies geschah iterativ nach jedem durchgeführten Workshop auf Basis des quantitativen sowie quali­tativen Feedbacks von Seiten der Studierenden. Das weiter­entwickelte Workshopkonzept wurde im Zeitraum Dezember 2023 bis Februar 2024 in weiteren 33 Kursen mit 631 Studierenden getestet und evaluiert. Die Ergebnisse geben wertvolle Aufschlüsse dazu, wie Studierende im Studium in der Entwicklung von Future Skills unterstützt werden können, und zeigen gleichzeitig die Wichtigkeit einer solchen didaktischen Imple­mentierung auf. Das Feedback zeigt allerdings auch die Signifikanz auf, das Konzept ganzheitlich weiterzuentwickeln, um über das ganze Studium hinweg Folge- und Begleitangebote anbieten zu können. Das Projekt birgt das Potenzial, die Hochschulbildung durch die Integration von Workshops und Angeboten zur Entwicklung von Future Skills zu bereichern. Der Schlüssel zum Erschließen dieses Potentials liegt in der engen Zusam­men­arbeit mit Studiengangsleitungen, um innerhalb des bestehenden Curri­culums Raum für solche innovativen Lerngelegenheiten zu schaffen. Dieser Ansatz ermöglicht es, dass die Angebote nicht als zusätzliche Belastung wahrgenommen werden, sondern als integraler Bestandteil des Studiums, das darauf abzielt, den Studierenden relevante Kompetenzen für zukünftige berufliche und weitere Kontexte zu vermitteln. Darüber hinaus erkennen wir das Potential für Coaching- und Mentoringangebote, die, sobald sie strukturell in das Studienangebot integriert sind, nicht nur konzipiert, sondern auch erfolgreich umgesetzt werden können. Die Realisierung dieser Vision erfordert eine Anpassung der Kapazitäten und eine strategische Planung, um die entwickelten Angebote nachhaltig in die Hochschullandschaft einzubetten und den Studierenden eine umfas­sende Bildungserfahrung zu bieten.

Die Materialien werden im Format eines Baukastens entwickelt, der auch in anderen Kontexten und über die DHBW hinaus eingesetzt werden kann.

3 Werkzeuge aus dem DIRK Dual-Future-Skills-Baukasten

Nachfolgend sollen einzelne bereits entwickelte Materialien und Ele­men­te des DIRK Dual-Baukastens vorgestellt werden, bevor die Evaluierungs­ergebnisse einer Pilotierung Rückschlüsse auf Gelingensbedingungen und Potenziale bieten.

Kernstück des Konzepts ist das Future-Skills-Modul als Onboarding-Workshop (Abbildung 2). Dieses findet über 4 LVS statt und besteht aus drei Blöcken mit jeweils circa 60 Minuten Lernzeit zu den Themen (I) Future Skills kennenlernen, (II) Future-Skills-Profil entdecken, (III) Future-Skills-Learning-Journey entwickeln.

Abbildung 2 Struktur des Future-Skills-Moduls

[Quelle: eigene Darstellung]



Jeder Block beginnt mit einem Lightning Talk und wird mit interaktiven und nachfolgend dargestellten Lernaktivitäten fortgesetzt, die Studie­rende in verschiedenen Sozialformen (einzeln, Gruppe, Plenum) durch­führen. Ein sogenannter Future-Skills-Passport in Papierform wird über die gesamte Workshopdauer genutzt, um Lernergebnisse zu dokumen­tie­ren. Er enthält auch eine Übersichtskarte der Future-Skills-Profile, mit denen gearbeitet wird. Durch sein kompaktes Format kann er mitge­nom­men und als Erinnerungsstütze genutzt werden, um sich im Alltag und über die Workshopdauer hinaus mit Future Skills zu beschäftigen.

Weiterhin wird in Block 1 ein Future-Skills-Kartenspiel (Abbildung 3) genutzt, um Future Skills kennenzulernen. Es dient sowohl dem Kennen­lernen (TABU-Variante) als auch dem Diskutieren von Future Skills und enthält verschiedene Aktionskarten, die zur Reflexion und zum Austausch anregen.

Abbildung 3 Future-Skills-Kartenspiel

[Quelle: eigene Darstellung]



Mit den Future-Skills-Karten können auch in anderen Kontexten, also über das Future-Skills-Modul hinaus, stärkenorientierte Lernphasen durch­geführt werden, so beispielsweise die didaktische Lernsequenz Stories of Transformation. Dabei werden Studierende gebeten, eine Anker­situation ihres eigenen Lebens vorzubereiten, in der sie sich als sehr selbstwirksam und stark, zufrieden oder glücklich wahrgenommen haben und in der sie etwas aus ihrer Sicht sehr Wertvolles geschafft oder bewältigt haben. Sie werden dann gebeten, diese Ankergeschichten in Kleingruppen einander zu erzählen und sich gegenseitig empathisch und aktiv zuzuhören. Dabei sollen die Zuhörenden jeweils durch die Future-Skills-Karten blättern und, während sie zuhören, solche Future-Skills-Karten heraussuchen, die ebenfalls zu der Erzählung passen. Diese werden als Fremdreflexion der erzählenden Person gespiegelt. Diese reflektiert dann ihrerseits, ob sie mit den Future Skills, die ihr präsentiert werden, in Resonanz treten kann.

Weitere Methoden in der Lernsequenz fokussieren sich ebenfalls auf die Entwicklung der Reflexionsfähigkeit von Studierenden. In Teil II kommt der Future Skill Kompass zum Einsatz, der Studierende anhand von Hand­lungssituationen anregt, ihren eigenen Entwicklungsstand von Future Skills zu reflektieren. Der Future Skill Kompass ist ein Online-Instrument, das auf der Idee der subjektiven und situativen Interessens- und Präferenzeinschätzung basiert. Die Studierenden bekommen heraus­fordernde Handlungssituationen, die allesamt Future Skills thematisieren, vorgelegt und werden gebeten, einzuschätzen, wie wohl sie sich in solchen Situationen fühlen würden. Dies wird visuell in Form eines gra­fischen Spinnennetzdiagramms dargestellt und in Einzel- und Gruppen­arbeit reflektiert, um auf diese Weise Selbst- und Fremdwahrnehmungen zu vergleichen und Reflexionsimpulse anzustoßen. Darüber hinaus sollen durch den Austausch einer persönlichen Ankergeschichte, die als Evidenz für die Einschätzung dienen soll, Hinweise auf persönliche Zukunfts­kompetenzen gesammelt werden. Abbildung 4 zeigt exemplarisch ein Future-Skills-Profil mit den dazugehörigen Handlungssituationen.

Abbildung 4 Handlungssituationen für das Future-Skills-Profil Kommunikationskompetenz



Einen Einblick in das Future-Skills-Modul bietet das folgende Video.



Am Ende des Future-Skills-Moduls werden Studierende angeregt, Future-Skills-Profile zu bestimmen, mit denen sie sich schwerpunktmäßig be­schäf­tigen möchten – aus persönlichem und beruflichem Interesse und unter Einbezug aller Aktivitäten des Workshops. Um ein entsprechendes Lernangebot zu schaffen, wurden in Zusammenarbeit mit externen Part­nern verschiedene Future-Skills-Lerneinheiten entwickelt zu sieben Future-Skills-Profilen mit einer Dauer von jeweils circa fünf Zeitstunden/sechs LVS, die für die Studierenden kostenlos auf Moodle verfügbar sind und auch Anregungen für Übungen und Aktivitäten während der Praxis­phase bieten. Dies ist ein Modul des DIRK Dual-Baukastens, um eine kontinuierliche und über den Workshop hinausgehende Beschäftigung mit Future Skills anzuregen.

Der Onboarding-Workshop wurde bereits mit mehr als 50 Studierenden­gruppen zu verschiedenen Zeitpunkten im Studium durchgeführt. Als weiteres Lernangebot werden Future-Skills-Apps eingesetzt. Mehr als 100 Studierende nehmen an dieser Pilotinitiative teil, die ein non-forma­les Lernangebot repräsentiert. Studierende entscheiden dabei selbst­organisiert, welche App-Angebote und Formate sie für die eigene Future-Skills-Entwicklung in Anspruch nehmen wollen. Zusätzlich wurde die Möglichkeit geschaffen, an monatlichen digitalen Fokus-Meetings teil­zu­nehmen, um ins Gespräch zu kommen.

4 Erfolge und Herausforderungen

Nachfolgend sollen Gelingensbedingungen und Potenziale für das Er­lernen von Future Skills im Studium aufgeführt werden, die sich einer­seits aus den Rückmeldungen der Studierenden nach Absolvieren des Future-Skills-Moduls zusammensetzen, andererseits aus einer Gruppen­aus­wertung von Studiengangsleiterinnen und -leitern im Anschluss an eine großflächige Durchführung des Future-Skills-Moduls und aus ersten Erkenntnissen, die aus den Fokus-Meetings mit den Studierenden stam­men, die das Future-Skills-App-Lernangebot wahrgenommen haben. Der Fokus der Auswertung soll hierbei auf dem qualitativen Datenmaterial liegen sowie Aufschlüsse über Gelingensbedingungen und Heraus­forde­rungen für das vorgestellte Konzept geben.



4.1 Evaluation des Workshopkonzepts

Der 30 Items umfassende Fragebogen, mit dem die Workshop-Erfah­run­gen aus Studierendensicht erhoben wurden, gliedert sich in die Ab­schnit­te soziodemografische Daten (Alter, Geschlecht, Studiengang), Reaktion und Wirkung des didaktischen Designs, Fragen zur Akzeptanz der Studie­renden hinsichtlich spezifischer Charakteristika des Workshops sowie Fragen zu Selbstwirksamkeitserfahrungen. Es wurde eine Likert-Skala (stimme gar nicht zu, stimme eher nicht zu, stimme eher zu, stimme voll zu) mit der Möglichkeit der Auswahl von »keine Antwort« verwendet. Um genauere Erkenntnisse zum einzelnen Antwortverhalten zu erhalten, wurden problemzentrierte Nachfrageanteile verwendet. Da die Likert-Skalen der beiden Erhebungszeiträume sich unterscheiden, werden im vorliegenden Beitrag aus Platzgründen lediglich die Erkenntnisse des zwei­ten Erhebungszeitraums (Dezember 2023 – Februar 2024) darge­stellt. Von den 631 Studierenden, mit denen der Workshop durchgeführt wurde, beantworteten 452 Studierende die Umfrage, was eine Gesamt­rücklaufquote von 71,6 Prozent ergibt. Nach der Datenbereinigung und Qualitätsprüfung wurden 405 Umfragen als von ausreichender Daten­qualität für die Analyse bewertet.

Als Einstieg und zur Verortung einiger allgemeiner Faktoren (Abbildung 5), die den Workshop betreffen, soll zunächst eine kurze Darstellung der quantitativen Daten erfolgen, der Fokus der Auswertung soll jedoch auf der Auswertung des qualitativen Datenmaterials liegen. In Anbetracht der Bedeutung des Erlernens von Future Skills ergab sich eine Zustim­mungs­rate von 82,6 Prozent. Die Wichtigkeit zeigt sich auch klar daran, dass 66,5 Prozent der Studierenden an zusätzlichen Future-Skills-Lernange­boten teilnehmen würden, 12,4 Prozent von ihnen sogar im Selbst­lernmodus in ihrer Freizeit.

Abbildung 5 Wichtigkeit des Future-Skills-Lernens und Bereitschaft zur Teilnahme an zusätzlichen Lernangeboten

[Quelle: eigene Darstellung]



Das Feedback zur Frage, ob der Workshop dazu diente, die Teilnehme­rinnen und Teilnehmer mit dem Konzept von Future Skills vertraut zu machen, war mit 84,5 Prozent überwältigend positiv und verdeutlicht die Relevanz der Thematik (Abbildung 6). Der Workshop hat darüber hinaus mit einer Zustimmung von 59,3 Prozent gezeigt, dass ein solches Lehr-Lernkonzept sinnvoll ist, um Studierende dabei zu unterstützen, Future Skills zu identifizieren, die für sie persönlich bedeutsam sind.

Abbildung 6 Dichotomisierte Darstellung der Workshop-Wirksamkeit

[Quelle: eigene Darstellung]



Betrachtet man nun die offenen Freitextantworten des Workshop-Fragebogens, so zeigen sich hier ebenfalls klare Tendenzen hinsichtlich der Future-Skills-Lernerfahrungen der Studierenden. Um eine Übersicht über die diversen Antworttendenzen zu erhalten, erfolgte eine Bildung von thematischen Clustern. Der Schwerpunkt der Auswertung richtet sich auf die Identifikation spezifischer Herausforderungen und Schwierig­keiten, mit denen das Konzept aus Studierendenperspektive konfrontiert wird, um daraus zu schließen, welche Faktoren zu einer gesteigerten Akzeptanz und Effektivität zukünftiger Workshopdesigns und einer niedrigschwelligen Implementierung in das Curriculum beitragen können. Betrachtet man die Freitextantworten derjenigen, die ausführen sollten, wieso ihnen die Workshopziele nicht deutlich waren, so lassen sich ins­besondere Themenschwerpunkte hinsichtlich eines fehlenden Lebens­weltbezugs sowie der Unklarheit bezüglich nachfolgender, auf dem Workshop aufbauender Lernangebote und des konkreten, individuellen Praxisbezugs der Inhalte identifizieren. Akzeptanzsenkende Faktoren (»Das würde ich am Workshop noch verbessern«) zeigen sich in der zu langen Workshopdauer sowie in dem Wunsch einer im Rahmen des Workshops intensiveren Auseinandersetzung mit einzelnen Future Skills. Die beiden letztgenannten Faktoren sind jedoch schwer miteinander zu vereinen. Demgegenüber kristallisieren sich folgende zentrale Aspekte heraus, welche die Akzeptanz für das Konzept fördern (»Das hat mir am Workshop besonders gut gefallen«): Der starke Fokus auf Interaktivität und Teilnehmendenorientierung durch dynamische Gruppenaktivitäten und -prozesse wurde positiv hervorgehoben und führte zu einem Aus­tausch und Netzwerkaufbau unter den Kommilitoninnen und Kommili­to­nen. Weiterhin trug die strukturelle sowie methodische Vielfalt inklusive der proaktiven Workshopgestaltung seitens der Lehrenden maßgeblich zum konzeptuellen Verständnis von Future Skills bei. Abschließend kann aus den Freitextantworten verdeutlicht werden, dass die Workshops zu einer vertieften Auseinandersetzung und Identifikation mit dem eigenen Future-Skills-Profil geführt haben, was sich auch in den quantitativen Daten manifestiert. Betrachtet man die Studierendenwünsche in Bezug auf ihre weitere Future-Skills-Entwicklung, so wird evident, dass insbe­sondere konkrete Methoden, um Future Skills zu lernen, die Bereit­stel­lung von zusätzlichen Lernmaterialien und -ressourcen sowie praktische Anwendungen als Schlüsselkategorien genannt wurden. Dies deckt sich auch mit den vorgestellten quantitativen Analysen und verdeutlicht eindrucksvoll die Bedeutung, die Studierende dem Future-Skills-Lernen beimessen.



4.2 Feedback der Studiengangsleitenden im Rahmen einer Fokusgruppe

Im Rahmen einer Fokusgruppe mit 15 Studiengangsleitenden wurde das Future-Skills-Modul evaluiert, das zeitgleich in einer vollständigen ersten Semester-Kohorte pilotiert wurde. Der offene Dialog und die Protokol­lierung der Gespräche lieferten wertvolle Einblicke. Insbesondere wurde die Relevanz des Zeitpunkts der Einführung von Future Skills betont. Zu Studienbeginn liegt der Fokus der Studierenden oft auf dem Bestehen von Prüfungen, während die bewusste Kompetenzentwicklung in den Hintergrund rückt.

Die Ergebnisse der Fokusgruppe lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen:

  1. Die Implementierung einer an Future Skills orientierten Lehre stellt für Lehrende eine besondere Herausforderung dar, da es um innovative erfahrungsbezogene, situative und interaktive Lehrformate geht, die auf authentischen Studierendenerfahrungen basieren. Diese Heran­gehens­weise erfordert von den Lehrenden eine besondere Flexibilität und Offen­heit für neue Lehrmethoden.
  2. Die Einführung von an Future Skills orientierten Lehrmethoden erfor­dert eine umfassende Vorbereitung und Unterstützung der Lehren­den. Dies beinhaltet nicht nur die Bereitstellung von Materialien und Semi­nar­konzepten, sondern auch fortlaufende Weiter­bildungs­angebote, die Lehrende in die Lage versetzen, diese Methoden effektiv anzuwenden.
  3. Change-Management-Prozesse müssen daher so gestaltet sein, dass sie auf die spezifischen Bedürfnisse und Vorbehalte der verschiedenen Lehrendengruppen eingehen – solche, die bereits Erfahrung mit diesen Lehrformaten haben und solche, die noch viel Unterstützung dabei benötigen.
  4. Bedeutung des Zeitpunkts: Eine frühe Integration von an Future Skills orientierten Lehrmethoden kann Studierende von Beginn ihres Stu­diums an zur aktiven Kompetenzentwicklung motivieren.
  5. Klarheit der Terminologie: Die Bedeutung und Relevanz von Kom­pe­tenzen muss den Studierenden klar und verständlich vermittelt werden. Eine Vereinfachung der Fachsprache und eine grundlegendere Einfüh­rung in das Thema sind essentiell.
  6. Angebote mit zunehmender Komplexität: Um eine nachhaltige Inte­gra­tion von Future Skills zu fördern, sind regelmäßige, im Schwie­rigkeits­grad ansteigende Angebote sinnvoll. Dies unterstützt eine kontinuier­liche Kompetenzentwicklung über den gesamten Studienverlauf.
  7. Es ist sehr wichtig, dass Future Skills nicht nur wissensorientiert, etwa als Katalog von Zukunftskompetenzen, gelehrt beziehungsweise ledig­lich präsentiert werden, sondern dass Studierende in dazu geeigneten erfah­rungsbasierten Formaten in Reflexionsprozesse über das eigene Lernen eintreten. Die erfolgreiche Implementierung einer an Future Skills orien­tierten Lehre erfordert ein umfassendes Umdenken und Anpassungs­fähigkeit seitens der Lehrenden und seitens der Lernenden.



Als Fazit lässt sich festhalten, dass durch gezielte Unterstützungs­maß­nahmen, angepasste Weiterbildungsangebote und eine klare Kommuni­ka­tion die Voraussetzungen geschaffen werden können, um alle Lehrenden – von Aktivistinnen und Aktivisten über Skeptikerinnen und Skeptiker bis hin zu Interessierten – in diesen Prozess einzubeziehen. Die frühzeitige und klare Förderung von Kompetenzen bei Studierenden sowie die Bereitstellung gestaffelter Lernangebote tragen maßgeblich zu einer erfolgreichen Implementierung bei.



4.3 Studierendenerfahrungen aus den Lern-Apps

Im weiteren Projektverlauf erfolgt eine Auswertung der Future-Skills-Apps, die im Zeitraum Dezember 2023 – März 2024 getestet wurden. Alle drei Apps², auch wenn sie sich in ihrer didaktischen Vorgehensweise unterscheiden, zeichneten sich dadurch aus, dass sie in den Alltag inte­grierte, kleine Lernimpulse bieten, um Future Skills zu fördern und zu vertiefen. Die qualitativen Daten wurden in digitalen monatlichen Fokus-Meetings per Padlet/Conceptboard erhoben und sollen nachfolgend knapp dargestellt werden.

Ein zentraler Aspekt, der sich bei allen drei Angeboten durchgezogen hat, war, dass die Lernangebote förderlich für die Aktivierung, Strukturierung und Bewusstmachung von Kompetenzen sind. Dies wird insbesondere durch Reflexionsimpulse in der Auseinandersetzung mit den App-Inhalten initiiert, da diese speziell auf die persönlichen und individuellen Erlebnisse der Studierenden eingehen und so erfahrungsbasiertes Lernen aus der Lebenswelt der Studierenden ermöglichen. Gleichermaßen ließen sich die Lerninhalte nicht nur unmittelbar in der Praxisphase beziehungsweise im Berufsalltag anwenden, sondern auch während des Theoriestudiums an der DHBW sowie ebenfalls im privaten Bereich. Generell lässt sich auch feststellen, dass die Studierenden eine Präferenz für eher kompakte Lerninhalte zeigen. Auch bei der individuellen Lerngestaltung war das Future-Skills-Lernangebot unterstützend: Neben der bereits erwähnten persön­lichen Relevanz der individuellen Lehrinhalte wurden insbesondere die Sichtbarmachung des Lernfortschritts, Push-Benachrichtigungen als Erinnerung sowie bei Bedarf angeleitete Lernempfehlungen als hilfreich für die Strukturierung des Lernprozesses angeführt. Auch die Fokus­meetings per se wurden positiv angenommen und als ein wichtiges Element für die persönliche Selbstreflexion des vergangenen Lernzeit­raums angesehen.

Sowohl die qualitativen als auch die quantitativen Evaluationsergebnisse verdeutlichen das ausgeprägte Interesse, die persönliche Bedeutsamkeit und die Akzeptanz der Studierenden hinsichtlich der Future-Skills-Lern­interventionen und unterstreichen die Relevanz des zugrundeliegenden Konzepts. Dies spiegelt sich auch in der Wahrnehmung der Studierenden wider, die ein erhöhtes Interesse an weiteren Lernmöglichkeiten bekun­den. Eine grundsätzliche Bereitschaft, sich intensiver mit der Thematik auseinanderzusetzen, ist vorhanden, jedoch zeigen die qualitativen Eva­lua­tionsergebnisse die spezifischen Herausforderungen, mit denen sich das Konzept konfrontiert sieht. Insbesondere der individuelle Praxis­bezug, der Zeitpunkt des Workshops und eine Unklarheit im Hinblick auf Folge­angebote wurden hier vonseiten der Studierenden sowie der Studien­gangsleitenden als verbesserungswürdig angeführt. Alle drei Punkte sind jedoch studiengangsmodular bedingt und sprechen für eine didaktische Integration in das bestehende Studienmodell, um Zeitpunkte, individuelle studiengangsbezogene Praxisinhalte und Future-Skills-Folge­angebote in die bestehenden Hochschulstrukturen zeitlich sowie kon­zeptionell einzubetten und abzustimmen.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Der vorliegende Beitrag hat illustriert, wie ein didaktisches Design zum Erlernen von Future Skills in die Hochschullandschaft integriert werden kann. Insbesondere duale Hochschulen bieten mit ihren alternierenden Lernorten Potenziale für die Entwicklung von Future Skills, die genutzt werden sollten. Die Reaktionen der Studierenden, die qualitativ und quantitativ erhoben und ausgewertet wurden, zeigen eindeutig, dass integrative Bildungskonzepte für eine individuelle Entwicklung essentiell sind und allen Stakeholdern einen Mehrwert bieten. Gleichermaßen muss jedoch auf die Grenzen des Ansatzes verwiesen werden, die sich auch dadurch manifestieren, dass derzeit keine strukturelle Einbettung des aktuellen didaktischen Gesamtkonzepts in die Hochschullandschaft möglich ist und somit eines der für Studierende so bedeutsamen Allein­stellungsmerkmale des Projekts, die komplette Integration in den Student Life Cycle, derzeit wegfällt. Positiv lässt sich jedoch herausstellen, dass das dem Projekt zugrundeliegende Baukastenprinzip mit den ver­schie­denen Future-Skills-Lernmaterialien zahlreiche Entwicklungsperspektiven bietet. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Entwicklung einer Future-Skills-Selbstlernplattform für Studierende, die darauf abzielt, die ent­wi­ckel­ten Lernmaterialien nachhaltig bereitzustellen. Das Baukastenprinzip ermöglicht Lehrenden, Praxisanleiterinnen und -anleitern sowie Studie­renden bereits jetzt, einzelne Elemente und Materialien zu nutzen, um Future Skills im Selbststudium sowie in einzelnen Veranstaltungen punk­tuell ins duale Studium zu integrieren. So kann zum Beispiel der Future Skill Kompass genutzt werden, um Studierende zur Reflexion von Future Skills anzuregen und fachbezogene eigene Handlungssituationen zu ent­wickeln und zu diskutieren. Herausforderungen bestehen aktuell ins­besondere auf hochschulpolitischer Ebene, um den digitalisierten ARB in Form der Kompetenzwerkstatt als verbindendes Element des Refle­xi­ons­prozesses in der Verzahnung von Theorie und Praxis zu implementieren, zu etablieren und nutzbar zu machen. Um Future Skills in der Hochschule zu fördern, müssen nicht nur Lernmaterialien konzipiert, sondern auch Lernformate und tradierte Vorstellungen neu gedacht werden, um Stu­dierende stärker einzubeziehen, sie in ihren Kompetenzlernprozessen zu unterstützen und auf diese Weise auf ihnen noch unbekannte, emergente Zukünfte vorzubereiten.



¹ Open Badges sind digitale Abzeichen, welche das Erreichen von Kompetenzen und Errungenschaften von Lernenden transparent durch standardisierte Metadaten validieren und nachweisbar machen (Newby & Cheng, 2020).

² Die Apps beziehungsweise Lernangebote der folgenden Anbieter wurden genutzt: DayOff, mindmee, ondojo.



DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

Laura Eigbrecht ist akademische Mitarbeiterin an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Lehrstuhl für Bildungsmanagement und Lebens­langes Lernen. Als Doktorandin forscht sie im Bereich transformativer Future Skills in der Hochschulbildung. Nach ihrem binationalen Bachelor-Abschluss Europäische Medienkultur und ihrem Master-Abschluss in Kinder- und Jugendmedien in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden war sie beim Kinderkanal von ARD und ZDF sowie in Lehre und Beratung im Bereich Migration, Sprache und Bildung tätig. Weiterhin produziert sie Podcasts und Radiobeiträge zu Themen wie der Zukunft der Hochschulbildung und Nachhaltigkeit. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich Future Skills, Transformatives Lernen, Zukünftebildung, Nachhaltigkeit, Studie­ren­denengagement.



  • Bild: J. Allmang

Jörn Allmang ist akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bildungs­management und Lebenslanges Lernen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Sowohl im BA als auch MA studierte er Erziehungs­wissen­schaft mit Schwerpunkt Medienpädagogik und Erwachsenenbildung. Während des Studiums arbeitete er in verschiedensten, innovativen Berei­chen der E-Learning-Branche, von konzeptioneller Arbeit in einer E-Learning-Agentur bis hin zu einem Forschungsinstitut. An der DHBW Karlsruhe ist er für das Projekt DIRK Dual verantwortlich, das sich mit der portfoliogestützten Entwicklung von Future Skills im dualen Studium beschäftigt.



Prof. Dr. Ulf-Daniel Ehlers ist Professor für Bildungs­mana­gement und lebens­langes Lernen und leitet die Arbeitsgruppe NextEducation an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, die er 2017 als Forschungsgruppe mit Schwer­punkt auf Future-Skills-Forschung gründete. Zuvor war er von 2011 bis 2017 Gründungsvizepräsident der DHBW. Der stu­dierte Anglist, Sozial­wissen­schaftler und Pädagoge promo­vierte im Bereich Qualitäts­ent­wicklung für E-Learning und habilitierte in der Erwachsenen- und Weiterbildung mit Schwerpunkt Neue Medien. Nach Stationen als Privatdozent an der Universität Duisburg-Essen, Professor an der Universität Augsburg und der University of Maryland ist er jetzt Professor für Bildungsmanagement und lebenslanges Lernen an der DHBW. Er ist Autor und Herausgeber von 20 Fach­büchern und mehr als 300 Veröffentlichungen in Fach­zeitschriften sowie Buchbeiträgen.



LITERATURVERZEICHNIS

Deuer, E. & Wild, S. (2018). Theorie-Praxis-Beziehung im Kontext des dualen Studiums – Erwartungen und Wahrnehmungen aus der Perspektive der dual Studierenden (Arbeitspapier: Hochschulforschung an der DHBW). https://www.dhbw.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Schrifterzeugnisse/Theorie-Praxis-Beziehung_im_Kontext_des_dualen_Studiums_2018_3.pdf. Abgerufen am 10.06.2024.

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Ehlers, U.-D., Geier, N. & Eigbrecht, L. (2023). Curriculare Einbettung und didaktische Umsetzung von Future Skills in der Hochschullehre. Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft, 10(4), 336–361. https://doi.org/10.5771/2196-7261-2023-4-336. Abgerufen am 10.06.2024.

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FOKUS: INTERDISZIPLINÄRE LEHR- UND LERNFORMATE

04 · DIGITAL TEACHING AND LEARNING LAB – DIGITALE LEARNING DESIGNS ZUR FÖRDERUNG VON FUTURE SKILLS ⸺

SABRINA ZEAITER Goethe-Universität Frankfurt am Main

Die Goethe-Universität Frankfurt a. M. fördert im Projekt Digital Teaching and Learning Lab (DigiTeLL) die Entwicklung von Lehr-Lern­innovation für die Hochschullehre in kooperativen Partnerschaften zwischen Fachbereichen und Third Space¹ (Partnerships). Dabei ent­stehen neue digitale Learning Designs² zur Stärkung von Future Skills verschiedener Ausprägung, über digitale und technologische bis hin zu sozio-emotionale Kompetenzen. In einem Abstraktionsprozess werden die Neuentwicklungen aus dem Fachkontext herausgelöst und so für andere Fachbereiche mit ähnlichen oder gleichen Lernzielen einsetzbar. Der Transfer und Roll-out³ der Projektergebnisse in die Breite der Uni­versität wird von Beginn an mitgedacht, so dass eine nachhaltigere und langfristigere Etablierung der Innovationen inter- und transdiszi­plinär ermöglicht wird.



1 Digital Teaching and Learning Lab (DigiTeLL)

Die Goethe-Universität Frankfurt a. M. ist mit mehr als 40.000 Studie­renden die drittgrößte deutsche Universität. Als Volluniversität bietet sie das gesamte Spektrum an Studiengängen an und zeichnet sich durch eine große Heterogenität in allen Bereichen aus (unter anderem Studierende, Personal, Fächervielfalt, infrastrukturelle Bedingungen, Bedarfslagen etc.). Wie die Gesellschaft wird auch die Hochschullehre zunehmend digitalisiert, was neue Ansätze und neue Bildungskonzepte ermöglicht (Horz & Schultze-Vorberg, 2017). Digitale Innovationen bieten neue Impulse für die Lehre und können die Inklusion beim Lernen verbessern. Mit dem von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre (StIL) geförderten universitätsweiten Projekt Digital Teaching and Learning Lab (DigiTeLL) etabliert die Goethe-Universität einen nachhaltigen Ansatz für Wissensmanagement und -transfer (Linde & Gödert, 2005). Das Projekt konzentriert sich auf die kooperative Entwicklung digitaler Learning Designs mit dem Ziel, diese didaktischen Lehr-Lernkonzepte als Tem­plates für den Einsatz in zahlreichen Studiengängen frei zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel als Open Educational Ressource (OER). Dadurch werden unter anderem digitale Schlüsselkompetenzen und technolo­gische Kompetenzen gefördert (Future Skills Framework SV, 2021).

Strukturell ist DigiTeLL so konzipiert, dass Synergien zwischen den verschiedenen didaktischen Projekten, ob nun aus DigiTeLL oder der gesamten Universität, unterstützt und gefördert werden. Dadurch sollen insbesondere parallel entwickelte, strukturell ähnliche Lehr-Lernprojekte, die sich nur in ihren Inhalten unterscheiden, vermieden werden. Auch der parallelen Entwicklung oder Erprobung gleicher Basistechnologien, die oft durch mangelnden Informationsfluss und fehlenden Austausch von Ergebnissen beziehungsweise unzureichende Verbreitung von Innova­tionen entstehen, soll mit den DigiTeLL-Strukturen der kooperativen Zusammenarbeit entgegengewirkt werden. Zudem wird für mehr Nach­haltigkeit auf eine langfristige Einbindung von Technologien in besteh­ende Strukturen hingewirkt.

Dazu erprobt DigiTeLL die Implementierung eines Innovationskreislaufs (Abbildung 1) mit partnerschaftlich angelegten Entwicklungsprojekten. Der Entwicklungsprozess von Bildungsinnovationen wird über diesen systematisierten Innovationskreislauf universitätsweit eingebettet. Es wurden zum einen in allen Third-Space-Einheiten, die mit Lehren und Lernen befasst sind, DigiTeLL-finanzierte Stellen verankert. Hierzu zählen Hochschulrechenzentrum, studiumdigitale, Interdisziplinäres Kolleg Hochschuldidaktik, Fachzentren (Natur-, Geistes- und Sozialwissen­schaften sowie Lehrkräftebildung), Büro für Chancengerechtigkeit sowie eine Arbeitsgemeinschaft zum kompetenzorientierten Prüfen (FB 05). Zum anderen wurden didaktische Innovationsprojekte gefördert, die als Partnerships angelegt sind. Hierunter versteht DigiTeLL die Zusammen­arbeit zwischen Lehrenden und/oder Studierenden (Innovatorinnen und Innovatoren/Ideengebende) und den DigiTeLL-Stellen in den Third-Space-Einheiten der Goethe-Universität Frankfurt im Bereiche Lehren und Lernen. So sind Innovationen nicht mehr nur lokal in einer Disziplin verankert, sondern der Transfer in andere Bereiche wird bereits im Entwicklungsprozess vorbereitet oder direkt umgesetzt. Um dies zu erreichen, werden Lehr-Lerninnovationen in zwei Phasen, Inkubator und Akzelerator, mit jeweils vier Teilphasen entwickelt (Abbildung 1).

Abbildung 1 DigiTeLL-Innovationskreislauf (basierend auf Scheffel et al., 2019) zur Systematisierung von Innovationszyklen

[Quelle: DigiTeLL/Goethe-Universität Frankfurt]



Die Inkubator-Phase ist gekennzeichnet durch die gemeinschaftliche Entwicklung neuer digitaler Lehr-Lernkonzepte in Partnerships, sogenannte Digitale Learning Designs. Ausgangspunkt ist eine Idee aus einem fachbezogenen Kontext, zu der gemeinschaftlich ein didaktisches Konzept inklusive digitaler Elemente entwickelt und in einem fachbezogenen Kontext erprobt wird. Der neue Ansatz von DigiTeLL wird in der zweiten Phase, dem Akzelerator, sichtbar. Hier werden die neuen Konzepte aus der Inkubator-Phase aus ihrem Fachbezug herausgelöst und zu didaktischen Vorlagen weiterentwickelt. Diese digitalen Learning Designs stehen anschließend zur Nutzung in verschiedensten Fachbereichen zur Verfügung.

Ein Schlüsselelement der Akzelerator-Phase ist der Transfer und Rollout der neu entwickelten digitalen Learning Designs, um diese Innovationen einem breiteren Nutzerkreis zugänglich zu machen. Dazu werden die Mehrzahl der Learning Designs als Open Educational Resources (OER) strukturiert und nachhaltig über die Plattform Lehre Virtuell zur Verfü­gung gestellt. Diese Plattform ist als virtuelles Handbuch für die Lehre mit direktem Zugang für Mitarbeitende der Goethe-Universität und, wo möglich, für die allgemeine Öffentlichkeit zu den vorgestellten anpass­baren Quellmaterialien (Code, AR/VR-Produkte, Apps etc.) konzipiert. Die Learning Designs wurden um detaillierte Anwendungs- und Nutz­ungshinweise ergänzt und alle Materialien sind als Download verfügbar. Um die Nachhaltigkeit zu erhöhen, werden in DigiTeLL langfristige und groß angelegte Verbreitungs- und Transferprozesse (Akzelerator) er­probt und (weiter-)entwickelt (Linde & Gödert, 2005). Zu diesen Pro­zessen gehört die bereits erwähnte Trennung der Learning Designs von den Fachinhalten, um die inter- und transdisziplinäre Übertragbarkeit zu erhöhen.

DigiTeLL ist ein praxisorientiertes Lehr-Lernentwicklungsprojekt aus der Aktions- und Interventionsforschung (Elliott, 1991; Krainer & Lerchster, 2012). In zwei Förderrunden wurden neununddreißig Partnerships für jeweils bis zu zwölf Monate gefördert. Jeder Förderphase ging ein kriteriengestütztes Antrags- und Auswahlverfahren voraus. Die Auswahl erfolgte durch ein Expertengremium, welches die Anträge kriterien­geleitet bewertete. Jedes Kriterium wurde durch operationalisierbare Beschreibungen ausdefiniert (Abbildung 2) mit einer 5-Punkte-Likert-Skala. Zu den Kriterien gehören Innovationskraft, Skalierbarkeit/Über­tragbarkeit, Lernendenzentrierung und Partizipation, Vernetzung/Synergien (kollaborative Aspekte), didaktisch und technisch zugängliches Design, technische Nachhaltigkeit, Interoperabilität mit bestehenden Systemen, Diversitätsaspekte, Kompetenzorientierung sowie Construc­tive Alignment (Anderson & Krathwohl, 2001).

Ziel eines jeden geförderten Projektes ist nicht die Entwicklung neuer digitaler Werkzeuge, sondern die Entwicklung innovativer digitaler Learning Designs (Wildt, 2003; Riplinger & Schiefner-Rohs, 2017), das heißt eines umfassenden didaktischen Konzepts, welches integrale Schlüsselkompetenzen oder Future Skills inkludiert. Zu diesen gehören, neben den eher praktischen Skills (zum Beispiel digitale und techno­logische Kompetenzen), (meta-)kognitive Skills wie kritisches Denken sowie sozio-emotionale Skills (unter anderem Selbstwirksamkeit und Zusammenarbeit) (OECD-Lernkompass 2030, 2019).

Abbildung 2 Originaler Auszug aus der kriteriengeleiteten Vorbegutachtung zur Bewertung von Partnership-Anträgen

[Quelle: DigiTeLL/Goethe-Universität Frankfurt]

Die Verankerung von DigiTeLL-Prozessen in allen Fachbereichen und universitären Unterstützungsstrukturen für Lehren und Lernen im Third Space über das Partnership-Prinzip zielt zudem darauf ab, mögliche Vorbehalte gegenüber der Nutzung fachfremder, in anderen Disziplinen entstandener Innovationen abzubauen. DigiTeLL strebt ein hohes Maß an Lernendenzentrierung an, weshalb studentische Projekte ausdrücklich antragsberechtigt waren. Die Einbeziehung von Studierenden in alle Projekte des DigiTeLL-Portfolios, sei es als Innovatoren, als studentische Hilfskräfte oder als Informanten bei der Bewertung der Lernkonzepte, unterstützt den studierendenzentrierten Ansatz zusätzlich.

Um die Beteiligung der Studierenden zu fördern und sie bei der Aus­arbei­tung von Anträgen zu unterstützen, wird speziell für Studierende ein Workshop zum Verfassen von Anträgen angeboten. Darüber hinaus ist die Lernendenorientierung und -beteiligung ein zentrales Kriterium für die Vergabe von Partnerships. Dabei wird bewertet, inwiefern die Stu­die­ren­den als aktiver Teil des Entwicklungsprozesses der geplanten Maßnahmen vorgesehen sind. In den Vorschlägen muss überzeugend dargelegt wer­den, wie Studierende systematisch in die Planung, Durchführung sowie Evaluation der Maßnahme einbezogen und wie die jeweiligen Studieren­den angeleitet werden, um ihnen einen konstruktiven Beitrag zur Maß­nahme zu ermöglichen. Darüber hinaus wird geprüft, inwiefern die Stu­dierenden als Adressaten der geplanten Maßnahmen im Fokus stehen. Um für eine Förderung in Frage zu kommen, muss die Projektidee an den Stärken und Vorkenntnissen, dem Unterstützungs­bedarf sowie den fachlichen und überfachlichen Interessen der Stu­dierenden im jeweiligen Studienkontext ansetzen. Die Umsetzung dieser Anforderungen in den Partnerships wird von den DigiTeLL-Support­strukturen begleitend gestaltet und überprüft, um sicherzustellen, dass Studierende als Adressaten und als aktiver Teil des Entwicklungs-, Um­setzungs- und Evaluationsprozesses inkludiert werden.



2 Das Partnership-Prinzip in DigiTeLL

Zentral für DigiTeLL ist die Umstrukturierung von Innovationsprojekten in inneruniversitäre Partnerships (Lynch & Smith, 2012; Tushnet, 1993). Die Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und/oder Studierenden und DigiTeLL-­Stellen in den zentralen Unterstützungsstrukturen der Goethe-Universität Frankfurt für die Bereiche Lehren und Lernen zielt auf eine effektivere und ressourceneffizientere Umsetzung von innovativen didaktischen Projekten.

Entlang der Themen »Methoden und Vermittlung« sowie »Feedback und Aktivierung« werden neue Konzepte entwickelt und erprobt (Abbildung 3) und nach einem Evaluationsprozess in der Pilotphase einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zu den möglichen Nachnutzenden der digitalen Learning Designs, die in DigiTeLL entwickelt werden, gehören sowohl Lehrende als auch Studierende, da neben Konzepten für den Lehreinsatz auch solche für das selbstgesteuerte Lernen entwickelt werden.

Abbildung 3 Übersicht der inhaltlichen Bereiche der DigiTeLL-Partnerships

[Quelle: DigiTeLL/Goethe-Universität Frankfurt]

Jedes Projekt adressiert mindestens eines von acht Themen für inno­vative digital unterstützte Learning Designs im einreichten Partnership: Selbstlerntools, AR/VR, forschendes Lernen, formative Peer Assess­ments, adaptive Tests, E-Prüfungen, automatisiertes Feedback und Learning Analytics (Abbildung 3). Diversität (Aichinger et al., 2020; Bendl et al. 2015), Barrierefreiheit (Walgenbach & Körner, 2020; Zorn & Weiser, 2018; W3C Consortium), kompetenzorientiertes Prüfen (Schröder, 2015) und Constructive Alignment (Biggs, 1996) sind Vorgaben in DigiTeLL, die in allen Partnerships und ihren jeweiligen Learning Designs berücksichtigt werden müssen, um die Projektergebnisse an die Bedürfnisse der hetero­genen Studierenden (Allemann-Ghionda, 2014; Ostermann, 2021) anzu­passen und die Stärkung von Future Skills zu unterstützen. Dies wird durch verbindliche Vorgaben im Rahmen der Förderzusage und durch die partner­schaftliche Einbindung der DigiTeLL-Stellen im Third Space sicher­gestellt. Darüber hinaus können die Partnerships weitere Themen ihrer Wahl fokussieren.

DigiTeLL-Stellen sind als unterstützende Strukturen in die zentralen universitären Einrichtungen (Third Space) eingebettet und beraten die Innovatoren bereits in der Ideenentwicklung. Diese Unterstützung setzt sich dann in der Umsetzungsphase und bei den Vorbereitungen für den Transfer der entstandenen Lehr-Lernkonzepte fort. In verschiedenen Vernetzungsformaten wie Sprechstunden, Beratungstreffen, Commu­nities of Practice (Wenger, 2010), Netzwerktreffen und Tagungen (zum Beispiel eLearning Netzwerktag oder DigiTeLL-Tagungen) etc. werden Möglichkeiten zur vertieften Diskussion von Konzepten, Problemen und Fragestellungen sowie zur Präsentation aktueller Entwicklungsstände geschaffen. Darüber hinaus erhalten die Partnerships bedarfsorientierte Schulungen, um sie im Entwicklungsprozess zu unterstützen und ihre Kompetenzen zu erweitern.



2.1 Die Partnerships

Bei allen Partnerships geht es darum, das Lehren und Lernen durch digita­le Angebote wesentlich zu bereichern (unter anderem positiver Umgang mit Heterogenität und Diversität, Flexibilisierung, Barriere­freiheit etc.), Future Skills zu fördern und so einen Nutzen für die Lernenden zu ge­ne­rieren, zur weiteren Steigerung des Lernerfolgs, der Flexibilität der Lern­umgebung und der Lernendenzentrierung. Die Vielfalt der Stu­die­ren­den wird positiv aufgenommen und unterschiedliche Unterstütz­ungs­be­dürf­nisse im Lernprozess werden durch digitale Lehr- und Lernmaterialien berücksichtigt. Dies kann zum Beispiel durch digitale Selbstlernangebote mit Feedbackfunktionen zur Flexibilisierung des Studiums geschehen oder durch die Erweiterung bestehender Lehr- und Lernszenarien, zum Beispiel Physikexperimente, um Augmented-Reality-Elemente sowie virtuelle Anamnesekontexte für Medizinstudierende. Das Spektrum der in Entwicklung befindlichen Lehr-Lerninnovationen ist breit gefächert und zeichnet sich durch den hochschulweit vernetzten Ansatz aus. In den Learning Designs werden Studierenden implizit und explizit Future Skills für verschiedene Professionen vermittelt (Santos & Serpa, 2017). Darüber hinaus werden die Projektbeteiligten in DigiTeLL, zusätzlich zur eigenen innovatorischen Kraft, zur Stärkung des eigenen Kompetenzprofils fortgebildet. Durch Vernetzung und Kollaboration in DigiTeLL wird zudem eine Community of Practice der Lehr-Lern­innovatorinnen und -innova­toren an der Goethe-Universität etabliert.

Maßgeschneiderte Evaluationen der einzelnen digitalen Learning Designs finden vor allem in den Partnerships selbst statt. Das Spektrum reicht von Fokusgruppen-Interviews über Pre- und Post-Tests bis hin zu White- und Black-Box-Tests von Anwendungen usw. Darüber hinaus wird das Gesamt­projekt von einem externen Evaluierungsdienst bewertet, der neben den neu eingerichteten Prozessen auch die Partnerships berücksichtigt.

Im nachfolgenden wird eine kleine Auswahl der DigiTeLL-Partnerships synoptisch vorgestellt. Weitere Informationen finden sich auf der DigiTeLL-Homepage (Abbildung 4).



Abbildung 4 QR-Code zur Übersicht der Partnerships

[Quelle: DigiTeLL/Goethe-Universität Frankfurt]



i-TaLES: Immersive Teaching and Learning in Educational Settings: i-TaLES (Abbildung 5)

Das Partnership i-TaLES befasst sich mit Lernprozessen in immersiven virtuellen Lernumgebungen der fach- und mediendidaktischen Lehr­kräftebildung (Fachbereich Informatik und Mathematik). Es orientiert sich an dem Technological Pedagocial and Content Knowledge (TPACK) Modell (Mishra & Koehler, 2006). Studierende erlernen theoretische Grundlagen zum Einsatz von Virtual Reality (VR) Technologien im Unter­richt und entwickeln eigene Konzepte für VR-Lernanwendungen für ihre spezifischen Lehramtsfächer. Die Prototypen werden in der Entwick­lungs­umgebung CoSpaces umgesetzt und anschließend evaluiert. Durch diese immersiven Lernerfahrungen werden die Studierenden mit der emergenten VR-Technologie produktiv konfrontiert und auf Grundlage des Constructive Alignments zukunftsorientiert fach- und medien­didaktisch weiterqualifiziert

Abbildung 5 Ansicht aus dem Entwicklungsprozess in der CoSpaces-Entwicklungsumgebung

[Quelle: Andreas Dengel und David Fernes]



WARP-P: Wirkungsvolle AR im Praktikum Physik (Abbildung 6)

Das physikalischen Praktikum in der Lehrkräftebildung wird im Partner­ship WARP-P (Physik) durch Augmented Reality (AR) angereichert (Teichrew & Erb, 2020; Altinpulluk, 2019). Die Studierenden erstellen dynamische Modellierungen und überprüfen diese im Experiment, unterstützt durch AR-Elemente, die das Modell überlagern und so den Erkenntnisprozess erlebbarer machen. Im Partnership wurden ver­schie­dene Modelle mit AR-Funktionalität für das Praktikum für Lehramts­studierende (L2/L5) entwickelt, basierend auf den Prinzipien des for­schenden Lernens. Durch die Verwendung und unmittelbare Über­prüfung im Experiment erhalten die Studierenden sichtbares Feedback zu ab­strakten Inhalten, die sonst nur modellhaft erschlossen werden. Das Experimentieren mit AR unterstützt so die Selbstwirksamkeit der Studierenden.

Abbildung 6 Beispiel einer physikalischen Modellierung mit AR-Elementen

[Quelle: Roger Erb, Mareike Freese und Lion Glatz]



Otter: Online Tutorial Tool zum Erlernen von R (Abbildung 7)

Das Selbstlerntool Otter des Partnerships TeachR Pro (Erziehungswissen­schaften) vermittelt die Grundlagen der Programmiersprache R mittels Erläuterungen, ausführbarer Beispielcodes und praktischer Übungen. Dadurch können Studierende verschiedenster Fachrichtungen den Umgang mit der Programmiersprache R erlernen, unter anderem für die Auswertung statistischer Methoden in Veranstaltungen oder eigen­ständigen Forschungsarbeiten. Durch Otter sollen die Nutzenden befähigt werden, selbstständig Code zu schreiben. Das Selbstlerntool ermöglicht es ihnen selbstreguliert und in ihrem eigenen Tempo Wissens­lücken zu schließen. Praktische Anwendungskompetenzen stehen dabei im Vordergrund, aber auch theoretisches Wissen aus dem algo­rith­mischen Denken und dem Feld der Logik-Operatoren wird vermittelt.

Abbildung 7 Lerneinheit zu logischen Operatoren

[Quelle: Meike Steinhilber]



NoSQLconcepts: digitale Lernbegleitung in der Datenbanklehre (Abbildung 8)

NoSQLconcepts ist ein Partnership der Informatik. Hier wurde ein digitales Lerntool entwickelt, mit dem Studierende unterschiedliche Datenmodelle und Datenbanken erlernen können. Dabei steht NoSQL für »not only SQL«, also Datenbanken, die über das traditionelle tabellarische SQL-Datenmodell hinausgehen. Durch das digitale Lerntool wird der Datenbankzugriff vereinfacht und vereinheitlicht, da auf alle Datenbanken und Datenmodelle über das Tool zugegriffen werden kann und keine individuelle Installation der einzelnen Datenbanken notwendig ist. Ergänzt wird das Tool durch adaptive Soforthilfen, individualisiertes Feedback sowie Usability- und Learnability-Analyse und kontinuierliche Auswertung des Lernerfolgs (Learning Analytics). Diese Daten stehen den Studierenden für ein selbstreguliertes Lernen zur Verfügung.

Abbildung 8 Dashboard-Ansicht der Learning Analytics im Tool

[Quelle: Lena Wiese und Vanessa Meyer, 2024]



KommVir: Let’s talk about – Medizinische Kommunikation Virtuell (Abbildung 9)

KommVir ist ein Partnership des Fachbereichs Medizin. Mittels einer VR-Anwendung soll es Lernenden ermöglicht werden, in einer virtuellen Klinik Anamnesegespräche verschiedener Komplexitätsstufen einzuüben, unterstützt durch automatisiertes Feedback. Die immersive, geschützte Lernumgebung eröffnet den Studierenden mehr individuelle Übungszeit im Bereich »Arzt-Patienten-Kommunikation«. Die Lernumgebung und die Komplexität der Gesprächssituation kann an den individuellen Aus­bil­dungsstand und Zeitbedarf der Lernenden angepasst werden, für ein flexibles und selbstgesteuertes Lernen. Sozio-emotionale Kompe­ten­zen wie etwa Empathie und Mitgefühl in sensitiven zwischenmenschlichen Interaktionssituationen (Inner Development Goals, 2021) werden gestärkt.



Abbildung 9 Virtueller Behandlungsraum

[Quelle: Miriam Rüsseler, Yvonne Beaugé und Micha Schlichting, 2024]



ANGEL: Assisted Network Group E-Learning (Abbildung 10)

Das Partnership ANGEL aus der Katholischen Theologie befasst sich mit dem Forschenden Lernen. Die Erstellung von Hausarbeiten wird Teil der kommunikativen Seminarsituation, mittels der kollaborativen Werkzeuge von Moodle sowie der Teamanwendung von CITAVI. Ziel ist es, die strukturelle und analytische Kompetenz der Studierenden sowie ihre Schreibkompetenz zu stärken.

Abbildung 10 Visualisierung des Lehr-Lernkonzepts von Angel

[Quelle: Annette Langner-Pitschmann und Maria Müller, 2023]

Die Studierenden erlernen, wie sie die Ressourcen zur Steigerung der Qualität wissenschaftlicher Texte in CITAVI sinnvoll einsetzen können. Dazu erstellen sie während des Seminars kollaborativ in Teams Argumentationskonzepte, welche sie zu Semesterende in eine Hausarbeit umwandeln und präsentieren. Das Learning Design umfasst neben Teamarbeit auch Peer-Review.



3 Ausblick

DigiTeLL konnte sich erfolgreich um eine Weiterförderung bis Ende 2025 bewerben und wird in einer dritten Förderrunde 15 Partnerships auf dem Weg zum weiteren Roll-out und Transfer der Learning Designs innerhalb und außerhalb der Goethe-Universität begleiten. Die Learning Designs werden sukzessive auf der Plattform »Lehre Virtuell« veröffentlicht (Abbildung 11). Die Plattform und die Datenbanken, in denen die digitalen Learning Designs (einschließlich des Quellmaterials) gespeichert sind, werden weiterentwickelt und mittelfristig an die Bedürfnisse der Partnerships angepasst. Einer der Schwerpunkte in DigiTeLL ist die externe Gesamtevaluation des DigiTeLL-Projekts mit seinem strukturellen Ansatz für Innovationen im Bildungsbereich. Dazu gehört die Evaluation der Learning Designs aus den drei Förderphasen sowie der Kooperationen, des Vernetzungsangebots, der Unterstützungsstrukturen, des Innovationszyklus und der Weiterbildungsangebote. Auch wird ein adaptives Evaluationskonzept für kompetenzorientierte digitale Learning Designs entwickelt. Die Erweiterung und Anpassung der Unterstützungsstrategien für den Transfer und Rollout der digitalen Learning Designs am Ende der Partnerships sind ein weiteres Entwicklungsfeld. Zudem wird an unterstützenden Konzepten zur systematischen Verankerung der Learning Designs mit ihrem Future-Skills-Ansatz in den Lehrplänen der Studiengänge gearbeitet, um Kontinuität zu gewährleisten. Schließlich werden mit der Hochschulleitung der Goethe-Universität Frankfurt, insbesondere dem Chief Information Office, mögliche Strategien zur Fortführung und Verstetigung der in DigiTeLL erprobten Innovationsschleife aus den laufenden Mitteln entwickelt.

Abbildung 11 QR-Code zu den Learning Designs auf der Seite »Lehre Virtuell«

[Quelle: DigiTeLL / Goethe-Universität Frankfurt]



¹ Third Space bezeichnet in Hochschulen das Arbeitsfeld zwischen Wissenschaft und klassischer Verwaltung. Personen in diesem Feld sind nicht primär in Forschung und Lehre tätig, ihre Arbeit vereint jedoch Charakteristika beider Bereiche.

² Learning Designs in DigiTeLL können verstanden werden als Lehr-Lernkonzepte, die für Nachnutzende / andere Lehrende aufbereitet wurden.

³ Unter Transfer wird hier die Übertragung in andere Bereiche verstanden und unter Roll-out die Verbreitung auch im gleichen inhaltlich-fachlichen Kontext.

⁴ Der Begriff »Constructive Alignment« wurde 1999 von John Biggs geprägt. Er beschreibt eine Lehrplanung, die Lehr-Lerninhalte sowie Prüfungsform an den beabsichtigten Lernergebnissen ausrichtet.

⁵ Begriffe aus der Softwareentwicklung. Beim White-Box-Testing (auch Glas-Box-Testing genannt) ist den Testenden der Quellcode bekannt und sie haben internes Wissen über die Strukturen, Funktionen und das Design der Software. Black-Box-Testende haben keine Informationen über die zu testende Software und kennen weder den Quellcode noch die Funktionsweise der Software. Die Software ist also eine schwarze Box.



DIE AUTORIN

Sabrina Zeaiter ist Referentin für Digitalisierung (Studium und Lehre) im Chief Information Office an der Goethe-Universität Frankfurt a. M. Zuvor war sie leitende Gesamtprojektkoordinatorin des »Digital Teach­ing and Learning Lab« (DigiTeLL) an der Goethe-Universität Frankfurt a. M. Sie hat einen Bachelor in Anglophone Studies und Master in Linguistics and Web Technology von der Philipps-Universität Marburg. Dort war Frau Zeaiter langjährige Dozentin am Institut für Anglistik und Amerikanistik für Linguistik, Neue Medien, Web-Technologien und Projektmanagement. Als Referentin für Qualitätssicherung in Studiengängen beriet sie Fachbereiche bei der nachhaltigen Sicherstellung und Weiterentwicklung der Qualität in Studium und Lehre. Sabrina Zeaiter war Projektkoordinatorin der Bildungsforschungsprojekte RoboPraX und Robotikum, welche sich mit dem Einsatz humanoider Roboter in der Schul- und Lehramtsbildung befassten.

zeaiter@ltg.uni-frankfurt.de



LITERATURVERZEICHNIS

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FOKUS: INTERDISZIPLINÄRE LEHR- UND LERNFORMATE

05 · FUTURE SKILLS STUDIEREN? EIN ERFAHRUNGSBERICHT ⸺

CHRISTIAN ZAGEL · JOHANNES STÜBINGER · SARAH HAASE · CHRISTIAN GROSCH Hochschule Coburg

Der vorliegende Beitrag beschreibt die Erfahrungen aus zwei Studien­gängen der Hochschule Coburg, die die Förderung von Future Skills ins Zentrum des Lehr-/Lernkonzepts rücken. Im Fokus stehen die bedarfs­orientierte und projektzentrierte Lehre sowie die Arbeit in Kleingruppen. Erste Evaluationsergebnisse beweisen die Wirksamkeit des Konzepts und die Erfolge in Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden.



1 Einleitung

Das traditionelle Modell des Studierens hat ausgedient. Die Art der Wissens­vermittlung an Universitäten und Hochschulen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten vielerorts kaum verändert. Eine Lehrkraft steht im Hörsaal und monologisiert zu wissenschaftlichen und gege­benen­falls praxisnahen Themen, während die Studierenden (hoffentlich) Mitschriften anfertigen und sich leider nur zu selten zu angeregten Diskussionen ermutigen lassen (Enders, 2020). Zum Ende des Semesters wird auswendig gelerntes Wissen in Klausuren abgefragt und oft genug kurz darauf wieder vergessen.

Doch welcher Stellenwert kann dieser Form der Lehre in der heutigen Zeit noch zugemessen werden? Das Wissen der Menschheit ist von jedem Ort der Welt in Sekundenschnelle verfügbar. Künstliche Intelligenz ent­wickelt komplexe Algorithmen sowie Manuskripte und könnte Berufe ersetzen, die bisher als unersetzlich angesehen wurden.

An genau dieser Herausforderung setzen die beiden Studiengänge Applied Digital Transformation, B.Sc. und ZukunftsDesign, M.A. (berufs­begleitend studierbar) am Lucas-Cranach-Campus der Hochschule Co­burg an. Beide zeichnen sich durch ein Lehrkonzept aus, das sich nahezu vollständig von den aus Hochschulen bekannten Modellen loslöst und sich zentral am Konzept der Future Skills orientiert. Im Fokus steht die Arbeit an realen Praxisprojekten. Ob es sich dabei um Ideen aus dem Privatleben handelt oder um Herausforderungen, die von regionalen Unternehmen und Organisationen eingebracht werden, ist unerheblich. Die Inhalte der Projekte variieren stark, ähnlich wie die Partnerorganisationen, die sie einreichen. Sie umfassen ein breites Spektrum von Aktivitäten, darunter die Entwicklung neuer Produktlösungen, den Aufbau von Innovations­management innerhalb des Unternehmens und die Klärung von Fragen zur Unternehmensnachfolge. Die Möglichkeit, Projekte einzureichen, besteht für jegliche Form der Unternehmung: von wirtschaftlich tätigen Unternehmen über Kommunen bis hin zu Vereinen. Diese Arbeit an realen Projekten ermöglicht es frühzeitig, eine Vielzahl von verschie­denen Einrichtungen kennenzulernen, mit Stakeholdern auf allen Ebenen zu interagieren und letztendlich das in einzelnen Modulen vermittelte Wissen direkt anzuwenden. Ganz klar im Fokus steht also die Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung. Ziel muss es sein, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln, Wissen gekonnt einzusetzen, zu rekombi­nieren und mit unbekannten Herausforderungen umgehen zu lernen – und dabei eine Vielzahl zur Verfügung stehende Technologien und Tools (Konferenzsoftware, Miro, Canva etc.) einzusetzen. Infolgedessen ver­ändert sich die Rolle der Dozierenden hin zu aktiven Mentorinnen und Mentoren, die auf Augenhöhe kommunizieren und den Studierenden individuelles Coaching zukommen lassen (Hoffmann et al., 2017).

Auch die Anforderungen in Bezug auf ein effizientes und am Zahn der Zeit orientiertes Studium haben sich geändert – dies betrifft insbesondere die Gruppe der berufsbegleitend Studierenden, die aus ihrem Arbeitsumfeld oft moderne Technologien im Home-Office nutzen und ähnliche Erwar­tungen auch an die Lehrenden stellen. Eine geschickte Kombination aus Online- und Präsenzinhalten ist daher von besonderer Bedeutung und muss nachhaltig geplant sein. Ziel ist es, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren: In Präsenz wird nur das gemacht, was eine physische Anwesenheit erfordert (zum Beispiel persönliches Kennenlernen und Netzwerken, Workshops mit dem Projektpartner etc.).

Der Umgang mit digitalen Tools, sowohl zur Arbeit in Präsenz als auch zur digitalen Kollaboration, ist essenzieller Bestandteil der täglichen Arbeit. Doch welche Kompetenzen erwirbt man besser online, welche eher in Präsenz?

Der vorliegende Beitrag gibt Einblick in die Chancen und Herausforde­rungen von neuen Lehrkonzepten, die im Kern auf die Vermittlung von Future Skills (an der Hochschule gleichgesetzt mit dem Begriff Schlüssel­kompetenzen) ausgerichtet sind. Zunächst werden die beiden inter­disziplinären Studiengänge Applied Digital Transformation, B.Sc. und Zukunfts­Design, M.A. der Hochschule Coburg mit ihrem spezifischen Fokus auf projektzentrierte Lehre vorgestellt. Im darauffolgenden Kapitel werden die Ergebnisse einer Online-Evaluation zum Thema Future Skills vorgestellt, die unter Studierenden der beiden Studiengänge durch­geführt wurde. Der Beitrag schließt mit einem Überblick zur geplanten zukünftigen Entwicklung und einer Zusammenfassung.



2 ZukunftsDesign und Applied Digital Trans­formation: zwei Skill-zentrierte Studiengänge

Der konsekutive Studiengang ZukunftsDesign, M.A. verfolgt einen ganz­heitlichen Ansatz und verbindet die Themengebiete Innovation, Unter­nehmertum und Gestaltung. In einem inter- und transdisziplinären Setting arbeiten Studierende verschiedener Fachgebiete an eigenen Ideen und an realen Projektthemen regionaler Unternehmen und Institutionen (Abbil­dung 1). Mit einem ersten abgeschlossenen Hochschulstudium und der Offenheit für alle Disziplinen spiegelt sich die daraus ergebende Hetero­genität der Studierendengruppe nicht nur in den vertretenen fachlichen Hintergründen, sondern auch in der Erfahrungs- (vom Bachelor­absol­venten bis zu Leitungspersönlichkeiten international agierender Unter­nehmen) und Altersstruktur (21 bis 73 Jahre) wider. Die Inhalte des Studiengangs reichen von Innovationstechniken über ethische Frage­stellungen bis hin zu Aspekten der Dynamik von Projektgruppen und deren Kommunikationsstrukturen. Dabei geht es um die Kombination aus theoretischem Lehrinput und praktischer Transferleistung in Form von Projektarbeit. Zum Aufbau von Handlungskompetenzen beschäftigen sich die Studierenden mit Aspekten der individuellen Haltung, Grundwerten und Bewusstseinsbildung sowie mit Entscheidungsfindungsprozessen von Individuen und Organisationen. Dies fördert die Entwicklung eines fun­dierten Werteverständnisses, einer reflektierten Selbstwahrnehmung und der Fähigkeit, informierte Entscheidungen zu treffen. Dadurch werden sie befähigt, in verschiedenen Kontexten verantwortungsvoll und effektiv zu handeln. Im Mittelpunkt steht Innovation in all ihren Facetten. Wahl­pflichtfächer bieten die Möglichkeit, bereits vorhandenes Fachwissen individuell und bedarfsorientiert zu erweitern. Coaches unterstützen die Projektgruppen als Lernbegleiter, fördern die Reflexion der Studien­inhalte, geben gezielte Anregungen und sorgen für eine dynamische Lernatmosphäre.



Abbildung 1 Herkunft der Projektideen

[Quelle: eigene Darstellung]



Das Masterprogramm ist als Teilzeitstudium konzipiert, kann berufsbe­glei­tend studiert werden und umfasst eine Studiendauer von fünf Semes­tern. Einzige Zugangsvoraussetzung ist ein erfolgreich abgeschlossenes erstes Hochschulstudium. Die Studierenden arbeiten an realen Projekten und organisieren sich dabei weitgehend selbst. Zu den jeweiligen Termi­nen treffen sich die Studierenden bislang in Präsenz am Lucas-Cranach-Campus Kronach, nach Bedarf aber auch direkt in Institutionen und Unternehmen vor Ort. Die Weiterentwicklung sieht jedoch eine Mischung aus rein physischen und rein digitalen Phasen vor. Durch die Verzahnung der Veranstaltungen mit Projekten in der Lehre sowie den entsprech­enden Prüfungsleistungen wird der Transfer der theoretisch vermittelten Inhalte in die Praxis unterstützt. Dadurch, dass die Theorie so direkt zur Anwendung gebracht werden kann, wird das entsprechende Anwen­dungslernen direkt unterstützt (Kolb et al., 2014). Hierdurch werden Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt, die für Fach- und Führungskräfte in unterschiedlichsten Bereichen schon heute, aber künftig immer stär­ker, von Bedeutung sind, da Projektarbeit zunehmend das Arbeiten in traditionellen Hierarchien ablöst (Hasenknopf et al., 2021; Hoffmann et al., 2017). Für dieses einzigartige Lehrkonzept wurde ZukunftsDesign im Jahr 2018 mit dem Preis für herausragende Lehre durch das bayerische Wissenschaftsministerium ausgezeichnet.

Abbildung 2 Coaching-Konzept

[Quelle: eigene Darstellung]



Seit Einführung des Studiengangs im März 2016 wurden mittlerweile über 120 Projekte durchgeführt, die eine nachhaltige Wirkung im Sinne der Regionalentwicklung mit sich brachten. Dies zeigt sich insbesondere da­ran, dass zahlreiche Ideen und Konzepte von den Praxispartnern direkt in die Umsetzung gebracht wurden. Beispiele sind die Anstellung einer »Feel Good Managerin« in der Marktgemeinde Marktrodach (Marktrodach, 2023) oder die Entwicklung eines Kartenspiels zur Sensibilisierung von Kindern für das Thema »virtuelles Wasser« (GameOfRain, 2024). Auch Zukunftsperspektiven und ein Marketingkonzept für das Kloster Vierzehn­heiligen (Birkner, 2022) sind beispielhaft Teil der Projektergebnisse. Die Absolventinnen und Absolventen überblicken interaktions- und prozess­orientierte Zusammenhänge interdisziplinärer Projekte und können die wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnisse der behandelten Fach­gebiete anwenden. Dadurch, dass sie in jedem Semester mit einer neuen Herausforderung konfrontiert werden, meist in einer ihnen unbekannten Anwendungsdomäne (Branche, Unternehmen, Organisation), wird ihr Horizont stetig erweitert. Diese Führungskräfte der Gegenwart und Zukunft sind in der Lage, sich selbstständig auf relevante Problem­stel­lungen und Aufgaben vorzubereiten, adäquate Konzepte zu entwickeln und erforderliche Veränderungsprozesse anzustoßen und zu begleiten.

Die Entwicklung und Schärfung eines ökologischen und sozialen Verant­wortungs­bewusstseins ist essenzielles Element der Ausbildung und damit auch Grundbestandteil der Projektarbeit. Daneben entwickeln die Stu­dierenden ein tiefes Fachwissen für die Zukunftsfähigkeit (Dürr, 2000) und die Kompetenz zur Strukturierung offener Fragestellungen mit Disruptionspotential. Sie entwickeln neue Perspektiven, stellen eigenes Wissen in Frage und übertragen Muster anderer Disziplinen auf die eigene. Essenziell sind dabei die Entwicklung beziehungsweise Gestaltung einer für Innovationen offenen Geisteshaltung und einer stets kritischen und hinterfragenden Denkweise (Kuczmarski, 1996). Durch die Ein­bin­dung ökologischer und sozialer Aspekte in die Projektarbeit lernen die Studierenden, diese in ihren beruflichen und persönlichen Entschei­dungen zu berücksichtigen. Projekte könnten beispielsweise Themen wie nachhaltige Entwicklung, soziale Gerechtigkeit oder Umweltschutz behandeln. Die Studierenden entwickeln ein tiefes Verständnis für die notwendigen Kompetenzen und Technologien, die für die zukünftige Entwicklung relevant sind. Dies beinhaltet das Erlernen von Methoden zur Strukturierung komplexer Fragestellungen und zur Identifizierung von disruptiven Innovationen. Durch die Analyse von Trends und Entwick­lungen in verschiedenen Branchen können sie ihr Wissen ständig erwei­tern und aktualisieren. Eine kritische Denkweise wird durch kontinuier­liche Reflexion und Diskussion eigener Erkenntnisse gefördert. Die Studierenden werden ermutigt, ihr eigenes Wissen in Frage zu stellen und alternative Perspektiven zu prüfen. Dies fördert ein tiefes Verständnis für komplexe Zusammenhänge und die Fähigkeit, innovative Lösungen zu entwickeln. Durch das Übertragen von Mustern und Methoden aus anderen Disziplinen auf ihre eigenen Projekte lernen die Studierenden, neue Perspektiven zu entwickeln und kreative Lösungen zu finden. Eine für Innovationen offene Geisteshaltung wird durch die aktive Teilnahme an Projekten und Diskussionen gefördert, die neue Ideen und Ansätze hervorbringen. Dies beinhaltet auch die Bereitschaft, Fehler zu machen und daraus zu lernen.

Durch reges Interesse von Personen ohne ersten Hochschulabschluss zeigte sich schon früh, dass das besondere Lehrkonzept von Zukunfts­Design auch für die Zielgruppe potenzieller Bachelorstudierender attrak­tiv ist (Abbildung 3). So wurde im Jahr 2022 unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus ZukunftsDesign ein neuer Studiengang ins Leben geru­fen: der B.Sc. Applied Digital Transformation. Dieser versteht sich als »Wirtschaftsinformatik 2.0« und greift die zentrale Idee der strikten Praxis-, Projekt- und Kompetenzorientierung konsequent auf, jedoch mit einem technisch orientierten fachlichen Fokus. Module zu Data Science, Mensch-Maschine-Interaktion, künstlicher Intelligenz oder Innovations­methoden bilden eine grundlegende Basis für die Arbeit an Praxis­projekten.

Abbildung 3 Inhalte der Studiengänge

[Quelle: eigene Darstellung]



Eine Besonderheit ist der sequenzielle Ablauf des Studiums: Jedes Modul umfasst einen Zeitraum von drei Wochen und wird direkt mit einer Prü­fungs­leistung abgeschlossen, die von Präsentation über digitale oder physische Prototypen bis hin zu Selbstreflexionen reichen. Dies ermög­licht eine optimale Planbarkeit und Zusammenarbeit mit Praxispartnern und erlaubt den Studierenden, sich innerhalb dieser Phase vollkommen einem Thema zu widmen. Die Projektorientierung ermöglicht es, meh­rere, inhaltlich zusammenpassende Module über ein zusammenhängendes Praxisprojekt miteinander zu koppeln. Es zeigt sich, dass unabhängig vom fachlichen Modul der individuelle Kompetenzgewinn und damit die Per­sönlichkeitsentwicklung massiv zunehmen, denn grundliegende Skills wie Teamfähigkeit, Kommunikationskompetenz, kritisches Denken oder Inno­vationskompetenz werden als Grundelemente gesehen, die fachübergrei­fend gefordert und gefördert werden. Dies zeigt sich konkret darin, dass die Studierenden schon nach den ersten Modulen deutlich sicherer sind in der Selbstorganisation, Projekt- und Teamarbeit, sowie bei Präsenta­tio­nen gegenüber den Praxispartnern. Gegebene Sachverhalte werden stets kritisch hinterfragt und es wird versucht, »hinter die Kulissen« zu blicken. Es ist geplant, ein Evaluationsschema zu entwickeln, das diesen Eindruck evidenzbasiert belegt. Spezifische Einzelkompetenzen, zum Beispiel die Design-Thinking-Kompetenz oder Aspekte der Digitalkompetenz, halten über Modelle bei der Bearbeitung von Projekten oder auch über ent­sprechende fachliche Komponenten ins Lehrkonzept Einzug (zum Beispiel Nutzung von KI-Tools, 3D Druck, neue Kommunikationstechnologien). Zugrunde liegt derzeit ein Kompetenzrahmen basierend auf Ehlers (2020) in Kombination mit dem des Stifterverbandes (Kirchherr et al., 2018). Auf dieser Grundlage wird aktuell ein eigenes Verständnis der Hochschule Coburg entwickelt.

In beiden Studiengängen spielen Future Skills also eine zentrale Rolle für die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden und werden damit als grundliegende Basis für das Handeln gesehen. Wie essenziell das Thema ist, zeigt die Tatsache, dass ab April 2024 eine studiengangsübergreifende Professur explizit für den Bereich Future Skills berufen wurde. Die nach­folgenden Teaser-Videos geben einen Überblick zu den beiden Studiengängen und beschreiben zudem die Einzigartigkeit der beiden Lehrkonzepte:



3 Evaluation zur Wirkung von Future Skills

Im Zuge der Weiterentwicklung der Studiengänge und der künftig stär­keren Fokussierung auf die strategische Integration bestimmter Future Skills wurde zwischen 15.01.2024 und 15.03.2024 eine erste Online-Kurzumfrage unter den aktiven Studierenden der beiden Studiengänge durchgeführt (Fragebogen bestehend aus fünf Fragen). Als Grundlage dazu diente eine Future-Skills-Definition in Anlehnung an Ehlers (2020). Ziel war es, herauszufinden, welche Future-Skills-Kompetenzen aus Stu­dierendensicht besonders gut vertreten sind, und vor allem, durch welche methodischen Ansätze diese umgesetzt werden. Insgesamt nahmen 30 Studierende an der Umfrage teil.

Die erste Frage behandelte die drei von Ehlers definierten Hauptkate­go­rien (Future Skills Finder – Next Skills). Der Bereich der individuell-orga­nisa­tionsbezogenen Kompetenzen (14 Nennungen) wird aus Studieren­den­sicht deutlich häufiger genannt als die individuell-objektbezogenen (zehn Nennungen) und die individuell-entwicklungsbezogenen Kompe­tenzen (sechs Nennungen). Es zeigt sich jedoch, dass bei der Frage nach spezifischen Einzelkompetenzen die objektbezogenen Fähigkeiten am häufigsten genannt werden:

  1. Kooperationskompetenz (21) (organisationsbezogen)
  2. Design-Thinking-Kompetenz (20) (objektbezogen)
  3. Reflexionskompetenz (19) (entwicklungsbezogen)
  4. Innovationskompetenz (18) (objektbezogen)
  5. Zukunfts- und Gestaltungskompetenz (15) (objektbezogen)
  6. Kommunikationskompetenz (15) (organisationsbezogen)



Besonders interessant sind die Erkenntnisse dazu, wie einzelne Kompe­ten­zen im Rahmen des Studiengangs erlernt werden. Neben der Mög­lichkeit, zwischen zwei Antwortoptionen zu wählen, konnten die Teilnehmenden über ein Freifeld ihre individuelle Einschätzung kommunizieren. 15 Studie­rende nannten die »Arbeit an einem konkreten Projekt« als das entschei­dende Merkmal, acht Studierende die Kombination aus Modullehre und Projekt (Freifeld) und sieben die (vorwiegend interaktive) Modullehre. Dies bestätigt die Wirksamkeit einer projektzentrierten Lehre und damit die Grundkonzeption der Studiengänge. Wir haben uns außerdem gefragt, welche verwendeten Möglichkeiten zur Feststellung des Kompetenz­zuwachses als besonders positiv wahrgenommen werden. Dazu zählen Reflexionsaufgaben, die die Selbstkenntnis und -einschätzung fördern. Auch kompetenzorientierte Open-Book-Prüf­ungen mit Transferaufgaben werden als sehr zielführend erachtet. Die angesprochene Selbstkenntnis und die erarbeiteten Kompetenzen konnten in der Praxis von den Studierenden direkt auf ihr Privat- und Berufsleben übertragen werden (28 Nennungen). Ein klarer Auftrag zur Weiterentwicklung des Studiengangs geht aus der Frage hervor, inwie­weit aktuell Kompetenzen zur Nutzung und zum verantwortungsvollen Umgang mit künstlicher Intelligenz im Lehrkonzept betrachtet werden. 25 der Befragten gaben an, dass dies aktuell nicht im ausreichenden Maße der Fall ist. Zukünftig ist eine detaillierte qualitative Erhebung vorge­sehen.

Die bereits erlangten Erkenntnisse werden konsequent in die Weiter­entwicklung der Lehrinhalte beider Studiengänge überführt und nicht nur durch Wahlfächer, sondern auch als Teil des zu Grunde liegenden Lehr­konzepts in die Praxis integriert. Die Nutzung von KI wird daher beispiels­weise nicht nur theoretisch vermittelt, sondern auch praktisch in die Pro­jektentwicklung einbezogen. Sie findet zudem Anwendung in Prüfungen, wobei sowohl die Vorteile als auch die Nachteile dieser Technologie betrachtet werden. Zudem wird ein besonderer Fokus auf die ethischen Implikationen gelegt, um sicherzustellen, dass die Studierenden die Ver­antwortung und die potenziellen Auswirkungen ihres Handelns verstehen.



4 Weiterentwicklung und zukünftige Implemen­tierung

Grundsätzlich war ZukunftsDesign als reiner Präsenzstudiengang aus­ge­legt, was insbesondere für die Arbeit in kleinen Teams und mit Projekt­partnern in der Region als großer Vorteil erachtet wurde. Nachdem während der Corona-Pandemie sowohl Lehre als auch Projektarbeit gänzlich digitalisiert wurden, startete mit deren Ende ein Entwicklungs­prozess für eine optimale Kombinationslösung aus beiden Welten (Online- und Präsenzinhalte). Es zeigte sich deutlich, dass insbesondere hybride Formate, in denen während einer Präsenzphase weitere Teilnehmende online hinzugeschaltet werden, wenig vielversprechend sind und eine effiziente Zusammenarbeit erschweren. Die Onlineteilnehmenden wer­den oft vergessen und der Medienbruch erschwert die effiziente Arbeit. Aus diesem Grund erfolgt aktuell unter Anbetracht der sich seit Corona veränderten Gegebenheiten eine Restrukturierung, welche reine Prä­senz­phasen mit reinen Onlinephasen verknüpft. Der Lucas-Cranach-Campus Kronach dient auch als Experimentierumfeld für Lehrinnova­tionen. Zahlreiche Erfolgsbeispiele zeigen schon jetzt auf, wie die Moti­vation der Studierenden damit auf eine neue Ebene gehoben werden kann. So wurden einzelne Veranstaltungen beispielsweise durch rein digitale Elemente angereichert, Podcasts eingeführt und der Zugang zu den digitalen Inhalten über eine eigens konzipierte Webseite erleichtert. Das Feedback der Studierenden ist durchweg positiv, da auch aufgrund des berufsbegleitenden Formats durch digitale Anteile die Studierbarkeit verbessert werden kann.

Ziel ist es, während der jeweils dreitägigen Präsenzphasen ausschließlich Aktivitäten durchzuführen, die online nicht realisierbar sind. Damit wer­den diese zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis, bei dem Lernprozesse gefördert werden, die ein reales Umfeld erfordern. Es geht dabei neben einem realen Kennenlernen der Projektteams auch um die Arbeit am kon­kreten Projekt. Außerdem sollen verschiedene Exkursionen und Selbst­erfahrungsworkshops stattfinden, welche in Präsenz eine deutlich grö­ßere Wirkung entfalten. Die soziale Komponente, auch außerhalb des Studierens, spielt eine nicht unerhebliche Rolle.

Darüber hinaus sollen im Curriculum des Bachelor-Studiengangs flexi­blere Lernpfade eingeführt werden, um besser auf die individuellen Bedürfnisse der Studierenden eingehen zu können. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine personalisierte und bedarfsorientierte Ausbildung zu ermöglichen. Durch die Erweiterung eines vertiefenden Wahlpflicht­bereiches wird den Studierenden ermöglicht, eigene Schwerpunkte zu setzen und ihr Profil fachspezifisch, zum Beispiel zu unternehmerischem Denken, im Bereich der künstlichen Intelligenz oder zu Innovations­themen weiter zu schärfen.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass interdisziplinäre Projekte und Teams besonders wertvoll sind. Eine noch stärkere Förderung von Pro­jekten, die Studierende verschiedener Fachrichtungen zusammenbringen, könnte die Innovationskraft und die Problemlösungsfähigkeiten weiter stärken. Studiengangsübergreifende Wahlpflichtmodule mit unter­schied­lichem Prüfungsniveau sind hier eine Möglichkeit, um eine interdiszipli­näre Erweiterung zwischen Bachelor- und Masterstudierenden herzu­stellen. Im Studiengang Applied Digital Transformation wird diese Dimension auch im schulischen Bildungsbereich erweitert. Ein Modul sieht vor, dass Studierende eine Schulklasse im Rahmen eines Wahl­pflichtfachs aktiv coachen, wobei der Schwerpunkt auf Content- und Medienproduktion liegt.

Das beschriebene Lehrkonzept bestimmt mittlerweile den gesamten Lucas-Cranach-Campus Kronach, soll nun aber auch auf den Rest der Hoch­schule ausstrahlen. Im Rahmen des Studium generale haben Stu­dierende die Möglichkeit, mittels Wahlpflichtfächern über den Teller­rand der fachlichen Perspektiven ihres eigenen Studiengangs hinauszu­blicken. Es bietet Querschnittsthemen an, die in interdisziplinären Lern­gruppen bearbeitet werden können. Um das Studium generale zukunfts­fähig zu machen, orientiert sich dessen Neuausrichtung an verschiedenen Future-Skills- und Kompetenzmodellen (unter anderem Ehlers, 2020; Kirchherr et. al., 2018; EU Key Competences for Lifelong Learning, 2019; EU DigComp 2.2, 2022; World Economic Forum, 2021). Vor dem Hinter­grund der eigenen Hochschulbesonderheiten wird in der Folge ein auf die Hochschule Coburg angepasstes Konzept entwickelt. Daraufhin werden besonders relevante Kompetenzen definiert. Diese können ent­weder studiengangsübergreifend an Bedeutung gewinnen oder studien­gangspezifisch von besonderer Wichtigkeit sein. Im Vordergrund steht außerdem die projekt- und kompetenzorientierte Lehre, welche sich im Kern am Konzept der oben genannten Studiengänge orientiert.

Darüber hinaus ist als neues Konzept im Jahr 2022 IMPACT entstanden. Dabei handelt es sich um ein hochschulweites Innovations- und Lern­festival, bei dem Studierende aller Fachbereiche zusammenkommen und in Projektgruppen reale Herausforderungen bearbeiten. Die Projekte können auf der hochschulöffentlichen Webseite über einen begrenzten Zeitraum eingereicht werden. Damit steht es auch hochschulexternen Akteuren frei, Ideen einzubringen und bearbeiten zu lassen. Die Studie­renden wählen in einem weiteren Schritt ihre bevorzugten Projekte. Im Vordergrund des Lernfestivals steht explizit nicht die Fachlichkeit, son­dern das Erlernen von Kompetenzen wie Kooperationsfähigkeit, respekt­volle Kommunikation, persönliche Reflexion, Problemlösung oder Kon­flikt­management, also Fähigkeiten, die auch als Future Skills bezeichnet werden. Die Studierenden werden von einem oder zwei Projekt-Coaches in ihrer Arbeit begleitet, arbeiten aber weitestgehend eigenständig.

Die Herausforderung, sowohl bei der Umgestaltung des Studium generale als auch bei der Umsetzung eines fächerübergreifenden Lernfestivals, ist stets die Akzeptanz und Förderung solcher Ansätze in den unterschied­lichen Fakultäten. Eng getaktete Stundenpläne und eine bisweilen höhere Bedeutungsbeimessung der Fachlehre erschweren eine hochschulweite Implementierung solch interdisziplinärer Ideen. Folglich stellt sich die Frage, ob fächerübergreifende Kompetenzen in den unterschiedlichen Fachdisziplinen selbst besser integriert sind als in Konstrukten, die in einer gewissen Konkurrenz und Abhängigkeit zu den Fakultäten stehen. In Gesprächen mit den Dekanen und anderen Fakultätsmitgliedern wurde deutlich, dass die jeweils benötigten Kompetenzen teils stark studien­gang­abhängig sind. Während zum Beispiel die Informatikerinnen und Informatiker bisweilen meinen, keine zusätzlichen digitalen Skills zu benö­tigen, konnte festgestellt werden, dass »Gesundheitskompetenzen« wie Resilienz und Gelassenheit in Studium und Alltag hier von besonderer Bedeutung sind. Diese Fähigkeiten benötigen die Studierenden der Sozia­len Arbeit weniger als zusätzliches Angebot, da sie sich damit bereits im Fachstudium auseinandersetzen. Das Angebot, sich digitale Skills aneig­nen zu können, ist bei dieser Zielgruppe wiederum sinnvoll. Es ist also notwendig, ein bedarfsorientiertes Angebot zu erstellen, in Absprache mit den Fakultäten. Nur so kann es gelingen, fachübergreifende Module zu etablieren.



5 Zusammenfassung

Der Artikel erörtert die Entwicklung und Umsetzung von zwei innovativen Studiengängen an der Hochschule Coburg – dem Bachelor-Studiengang Applied Digital Transformation und dem Master-Studiengang Zukunfts­Design. Diese Programme zeichnen sich durch ein zukunftsorientiertes Lehrkonzept aus, das auf der Vermittlung von Future Skills basiert.

Im Mittelpunkt der Studiengänge steht die praxis- und projektzentrierte Lehre, die durch die Arbeit in Kleingruppen und die Entwicklung von Kom­petenzen und Persönlichkeitsmerkmalen ergänzt wird. Die Dozieren­den fungieren als Mentoren und Coaches, wodurch ein individuelleres Lernerlebnis ermöglicht wird. Die Kombination aus Online- und Präsenz­phasen sowie der Einsatz digitaler Tools sind wesentliche Bestandteile des Konzepts.

Der Studiengang ZukunftsDesign, M.A. verbindet Innovation, Unter­nehmer­tum und Gestaltung in einem inter- und transdisziplinären Ansatz. Die Studierenden arbeiten an realen Projekten, wodurch sie ein tiefgreif­endes Verständnis für interdisziplinäre Zusammenhänge entwickeln und gleichzeitig soziales und ökologisches Verantwortungsbewusstsein stärken.

Der Bachelorstudiengang Applied Digital Transformation, B.Sc. legt den Fokus hingegen auf Data Science, Mensch-Maschine-Interaktion, künst­liche Intelligenz und Innovationsmethoden. Durch den sequenziellen Ablauf und die Konzentration auf ein Modul innerhalb von drei Wochen können Studierende sich vollständig auf das Thema einlassen und neben­bei essenzielle Kompetenzen wie Teamfähigkeit und kritisches Denken entwickeln. Durch den gut planbaren Zeithorizont wird die Zusammen­arbeit mit Praxispartnern deutlich erleichtert.

Eine Umfrage unter den Studierenden der beiden Studiengänge bestä­tigte die Wirksamkeit des projektzentrierten Lehransatzes und hob die Bedeutung von Kompetenzen wie Kooperations- und Reflexions­kompe­tenz hervor. Es zeigt sich auch, dass die Fertigkeiten direkt im Berufs- und Privatleben zum Einsatz kommen und dort weiter ausgebaut werden. Ein Verbesserungsbedarf wurde in Bezug auf die Integration von KI-Kompe­tenzen identifiziert. Die Programme werden kontinuierlich weiter­ent­wick­elt, um eine optimale Kombination aus Online- und Präsenzlehre zu finden und interdisziplinäre Projekte stärker zu fördern. Zukunfts­orien­tierte Lehrformate und die Einbindung von Future Skills in das Studium generale sind Teil der strategischen Ausrichtung der Hochschule Coburg.

Wir können feststellen, dass solche innovativen Studiengänge nicht nur die Persönlichkeitsentwicklung fördern, sondern auch auf die Heraus­forderungen der digitalen Transformation vorbereiten.



DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

Sarah Haase ist Referentin für interdisziplinären Dialog am Wissenschafts- und Kulturzentrum der Hochschule Coburg. Dabei arbeitet sie an der Gestal­tung von interdisziplinären Lehrformaten und der Neuausrichtung des Studium generale. Sie beschäftigt sich außerdem intensiv mit unterschied­lichen Future-Skills-Konzepten und deren Implementierung in die Hochschullehre. 



Christian Zagel ist Professor für Entrepreneurship, Innovation und digitale Zukunftstechnologien und leitet den berufsbegleitend studierbaren Master ZukunftsDesign. Er zeichnet verantwortlich für den Auf- und Ausbau des Lucas-Cranach-Campus in Kronach. Für seine Innovations- und Lehrprojekte wurde er mehrfach ausgezeichnet.



Johannes Stübinger beschäftigt sich als Professor mit der Transformation von Daten in Wissen und den daraus folgenden Implikationen. Hierbei spielt die Anwendung von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning eine zen­trale Rolle. Entwickelte Lösungen stellen die Bedürfnisse und das Wohl des Menschen in den Mittelpunkt. Darüber hinaus ist er aktiv in der Ent­wicklung von datengetriebenen Geschäftsmodellen, um innovative und nachhaltige Lösungen zu schaffen.



Christian Grosch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschafts- und Kulturzentrum der Hochschule Coburg. Als Studiengangskoordinator für den Studiengang Applied Digital Transformation, B.Sc. zeichnet er unter anderem für seine Organisation und dessen Weiterentwicklung verant­wortlich. Im Rahmen seiner Tätigkeit beschäftigt er sich zudem mit dem regionalen Impact der Coburger Studiengänge am Lucas-Cranach-Campus in Kronach.





LITERATURVERZEICHNIS

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FOKUS: INTERDISZIPLINÄRE LEHR- UND LERNFORMATE

06 · PROJEKTBASIERTES LERNEN MITTELS METAVERSE-TECHNOLOGIEN AM BEISPIEL WISSENSCHAFTLICHEN ARBEITENS ⸺

INIGA ANTONIA BAUM · CHRISTIAN STARY · ALEXANDRA CULENOVA Johannes Kepler Universität Linz

In welcher Form kann projektbasiertes Lernen unter Einsatz innovativer Technologien unterstützen, Future Skills in die Hochschullehre zu inte­grieren? Wir beschreiben in diesem Beitrag eine Learning Journey zu wissenschaftlichem Arbeiten, die durch eine Metaverse-Technologie unterstützt wird, und stellen damit Wissensmanagement als digitale Schlüsselkompetenz zur nachhaltigen Veränderung der Lehre zur Dis­kussion. Der Ansatz greift den aktuellen Übergang von herkömm­lichen Web-Anwendungen in die Richtung dreidimensionaler Web-Interaktion auf. Die vorgeschlagene didaktische Gestaltung orientiert sich an einem Raumkonzept, das die Bearbeitung einer wissenschaft­lichen Aufgaben­stellung in projektbasierten Lernschritten strukturiert. Die in jedem Raum verfügbare Kommunikations- und Informations­infrastruktur erlaubt neben dessen individueller Anpassung zugleich kollaboratives Arbeiten mit anderen (potenziellen) Nutzerinnen und Nutzern. Über das dargestellte Konzept hinaus enthält der Beitrag qualitative Evaluations­ergebnisse zu dem entwickelten Prototyp.



1 Einleitung

Projektbasiertes Lernen (PjBL) weist in seiner langjährigen Tradition als (sozialkonstruktivistisch motivierte) didaktische Lehr- und Lernmethode eine starke Lernendenzentriertheit bei der Planung und Umsetzung in der realen Welt verankerter sowie individuell bedeutsamer Projekte auf (vgl. Kokotsaki et al., 2016). Selbstgesteuertes Arbeiten und Kooperation unter den Lernenden führen zu hoher Wirksamkeit von Lernprozessen, da hierdurch wesentliche didaktische Prinzipien wie herausfordernde Ziele, Problembezug und aufeinander bezogenes Lernen (vgl. Hattie, 2008) angesprochen werden. Im Bereich der Zukunftsgestaltung erlangt PjBL vor allem durch dessen Potenzial zur Entwicklung disziplinenübergreif­ender Kompetenzen vermehrt an Bedeutung (vgl. Brassler & Dettmer, 2017).

In diese Beziehung sind auch das Modul und die entsprechende Methodik des Wissenschaftlichen Arbeitens zu stellen, weil sie zum einen dazu dienen, originäre Beiträge in jedem erdenklichen Fachgebiet zu liefern, und zum anderen, zu einer bestimmten, individuell hergeleiteten Fragestellung ein passendes Untersuchungsdesign sowie die systematische Analyse besteh­ender Ansätze und Lösungen zur Beantwortung bereitzustellen (Karmasin & Ribing, 2017).

Somit kann wissenschaftliches Arbeiten als Transversalkompetenz be­trachtet werden. Es stellt eine erlern- und nachweisbare Fähigkeit dar, die wertvoll für effektives Handeln anhand eines problembasierten und potenzialorientierten Vorgehens auch in der Erwerbsarbeit, für das Ler­nen oder für die allgemeines Lebensgestaltung ist (Whittemore, 2018), insbesondere wenn dieses mit PjBL verknüpft wird (Mesquita et al., 2009). Wissenschaftliches Arbeiten wird entsprechend diesen Eigen­schaften der Teilkompetenz der Urteilskraft als einer der Future Skills betrachtet (Süßenbach, 2023, https://future-skills.net/). Die Vermittlung dieser Kompetenz wurde auch bereits mittels projektbasierter Ansätze erfolgreich unterstützt (Can et al., 2017; Winarni & Purwandari, 2020).

Mit der zunehmenden Digitalisierung der Lehre und Lernunterstützung rücken aktuelle Technologieentwicklungen wie Metaverse-Technologien, und damit die Immersion, das heißt die dreidimensionale Einbindung von Nutzerinnen und Nutzern, in den Mittelpunkt. Eine umfassende Analyse aktueller Erkenntnisse im Kontext der Bildung (Hussain et al., 2024) zeigt Potenzial zur PjBL-spezifischen Gestaltung von Metaverse-Anwendungen.

Unter Metaverse oder Metaversum wird eine virtuelle Realität verstan­den, welche als 3D-Umgebung ihren Nutzerinnen und Nutzern interaktiv zugänglich ist und mit anderen geteilt wird (Hussain et al., 2024). Dabei werden Aspekte der realen Welt in virtuellen Räumen abgebildet, um sowohl herkömmliche als auch neuartige Formen der Interaktion zu unterstützen beziehungsweise zu ermöglichen. Sie realisieren die Vision des sogenannten Web3 als dezentrales, durch die Nutzerinnen und Nutzer gestaltetes Online-Ökosystem (Guan et al., 2023).

Metaverse-Anwendungen (Mystakidis, 2022) zeichnen sich somit durch die neuartige Möglichkeit cyber-physischer Parallelwelten aus und stellen dementsprechend eine Erweiterung bisheriger Handlungsräume dar. Die internetbasierte Integration von VR(Virtual Reality)- und AR(Augmented Reality)-Technologien bietet Räume, Avatare, soziale Medien sowie zwei- und dreidimensionale Objekte und die Navigation zu multi-medialen Inhalten. Die Nutzerinnen und Nutzer nehmen dadurch eine immersive Verschmelzung physisch und digital erfahrbarer Anwendungen wahr.

Abbildung 1 Metaverse-Technologie als Unterstützungsplattform für projektbasiertes wissenschaft­liches Arbeiten

[Quelle: eigene Darstellung]



In der Folge gehen wir auf die Gestaltung individualisierter Learning Journeys in metaversebasierten Lernumgebungen für projektbasiertes wissenschaftliches Arbeiten ein. Wir sprechen damit wesentliche trans­formative Kompetenzen digital begründeter Veränderungsprozesse im Bildungsbereich an. Für die didaktisch geleitete Adaption sind aufgrund der neuartigen technischen Möglichkeiten folgende Sachverhalte relevant:

  • Mehrstellige Repräsentanz von Nutzerinnen und Nutzern: Diese sind neben ihrer körperlichen Präsenz in einer Vielzahl von Rollen (Infor­ma­tionssuchende, Mentorinnen und Mentoren, Expertinnen und Experten etc.) als Avatare im virtuellen Raum zu berücksichtigen und können somit interaktiv teilhaben.
  • Bislang zweidimensionale Angebote sind in dreidimensionale navi­gier­bare Welten zu integrieren – dies inkludiert auch soziale Medien­kontakte.

In der Folge stellen wir die didaktische Gestaltung, seine prototypische Realisierung und eine erste Evaluierung vor, ehe wir den Ansatz in be­stehende Rahmenwerke zu Future Skills einordnen. Das vorgestellte Vorgehen lässt sich sowohl fachspezifisch als auch fächerübergreifend einsetzen, da es projektbezogen zur Bearbeitung von Wissenszusammenhängen anleitet.



2 Wissenschaftliches Arbeiten gestalten und erlernen im Metaverse

Im Rahmen einer Lehrveranstaltung zu wissenschaftlichem Arbeiten an der Johannes Kepler Universität wurde ein Gestaltungsansatz entwickelt, welcher zur Entwicklung immersiver Umgebungen für didaktisch ange­reicher­te Lernanwendungen mittels Metaverse-Technologien führen soll. Dieser beinhaltet die grundlegenden Phasen und Inhalte einer entsprech­enden »Learning Journey« (Birdman et al., 2022) und erlaubt Lernbeglei­terinnen und -begleiter beziehungsweise Kursverantwortlichen auf Basis einfacher Prozess- und Strukturelemente Gestaltungsentscheidungen für ihren Kurs zu treffen. Im Folgenden skizzieren wir den Gestaltungsprozess anhand der zu vermittelnden Inhalte und berichten über die Evaluierung der so entwickelten Metaverse-Anwendung.



2.1 Gestaltung und Vorgehensunterstützung

In diesem Abschnitt gehen wir zunächst auf die wesentlichen Schritte des projektbasierten wissenschaftlichen Arbeitens aus inhaltlicher Sicht ein, bevor wir die Gestaltungsprinzipien und deren Umsetzung in einer Meta–verse-Anwendung einführen und den Mehrwert durch die drei­dimen­sio­nale Darstellung und Strukturierung demonstrieren.

Abbildung 2 Wesentliche Phasen im projektbasierten wissenschaftlichen Arbeiten

[Quelle: eigene Darstellung]

Wissenschaftliches Arbeiten wird anhand von mehreren Arbeitsschritten strukturiert und im Rahmen des Kurses erprobt. Die Lernphasen der Learn­ing Journey sind entsprechend dem Schema in Abbildung 2 konzi­piert. Sie beginnen mit der Motivation und Ableitung einer wissenschaft­lichen Fragestellung. Diese wird gefolgt von einer Suche nach wissen­schaftlichen Quellen und der Auswahl gemäß der Fragestellung. Auf Basis der ausgewählten Literatur können die Fragen beantwortet und die Erstellung der wissenschaftlichen Arbeit abgeschlossen werden.

Jeder Arbeitsschritt in diesen Phasen wird mittels eines eigenen Raum­konzepts im Metaverse realisiert. Grundsätzlich kann jede Phase mehr­fach durchlaufen werden, um den Lernprozess zu vertiefen, das heißt, seitens der Nutzerinnen und Nutzer kann flexibel zwischen den Räumen hin- und hergewechselt werden. Im gegenständlichen Fall wurden fol­gende Räume mittels der Plattform spatial.io realisiert:

  • Einstiegsraum, der die Lehrveranstaltung erklärt und die anderen Räume aufzeigt. Dabei werden auch inhaltlich relevante Lernpfade, zum Beispiel die Notwendigkeit der Literaturrecherche vor der Auswahl und Auswertung erklärt.
  • Raum zur eigenständigen Herleitung einer wissenschaftlichen Fragestellung
  • Raum zur Herleitung von Suchbegriffen für die Recherche wissen­schaftlicher Literatur
  • Raum zur Auswahl relevanter Literatur zur Beantwortung einer wissen­schaftlichen Fragestellung auf Basis der gefundenen Literatur
  • Raum zur Strukturierung und Erstellung der wissenschaftlichen Arbeit (Seminar-, Bachelor- oder Masterarbeit) auf Basis der gefundenen und ausgewerteten Literatur
  • Raum für Reviews, Feedback und die Bewertung durch die Lehrenden, die »peers« und die Expertinnen und Experten



In jedem dieser Räume wurde ein Bereich in Form einer Galerie oder eines Auditoriums zur Präsentation von Inhalten eingerichtet, welcher um Chat- und Notizfunktionen sowie Videokonferenzen erweitert wurde. Im Rahmen der sozialen Interaktion können auch Inhalte an alle dargestellt werden, etwa zur Einführung in Zitierweisen. In Abbildung 3 ersichtlich sind die wesentlichen Gestaltungselemente eines Raumes, welcher jeweils einem Arbeitsschritt beziehungsweise einer Entwicklungsphase einer fachlichen Teilkompetenz wissenschaftlichen Arbeitens entspricht.

Abbildung 3 Schematische Darstellung der Strukturelemente zur Gestaltung von Lernräumen

[Quelle: eigene Darstellung]



Die Erstellung der Metaverse-Anwendung dauerte unter Nutzung der spatial.io-Entwicklungsumgebung wenige Stunden, sodass der Aufwand für den Einsatz einer virtuellen Umgebung selbst für unerfahrene Meta­verse-Gestalterinnen und -Gestalter den vorgesehenen institutionellen Rahmen, wie er etwa für Moodle basierte Kurse (Lackner, 2012) erfor­derlich ist, nicht sprengt. Im gegenständlichen Fall arbeitete sich die redaktionelle Mitarbeiterin des Instituts eigenständig in die Plattform ein und erstellte nach didaktischer Vorgabe mit den vorbereiteten Inhalten die Anwendung.

Abbildung 4 Einstieg in die Metaverse-Anwendung

[Quelle: eigener Screenshot]



Abbildung 4 zeigt den Einstiegsraum in die Metaverse-Anwendung, in welchem zur Orientierung im Selbststudium eine Übersicht zum Vor­gehen sowie ein Inhaltsdokument zum wissenschaftlichen Arbeiten »hängen«. Ferner finden sich dort (lern-)organisatorische Aspekte und Notizen, wie beispielsweise »Wer ist zuständig?« auf dem gelben Post-it in dem Raum. Organisatorische Hinweise betreffen sowohl die Möglichkeit, den Kurs im Fächerkanon des entsprechenden Studienplans zu finden, das betreuende Institut zu besuchen, sowie Online-Kommunikationszugänge für Ad-hoc-Interaktion mit Peers oder Lernbegleiterinnen bzw. -begleiter wahrzunehmen. Diese Möglichkeiten stehen in den gezeigten Ovalen im Raum zur Verfügung. Die Lernenden selbst werden durch Avatare ange­zeigt, welche sich im Raum bewegen können. Die gezeigte Anwendung wurde für den Einsatz mit herkömmlichen Bildschirmen konzipiert, um auch ohne Virtuelle-Welt-Infrastruktur in umfassender Verfügbarkeit betrieben werden zu können.

Abbildung 5 Arbeitsschritte im Raum zur Ableitung einer Fragestellung

[Quelle: eigener Screenshot]

Sobald sich die Lernenden im Einstiegsraum orientiert haben, können sie mit der Bearbeitung ihres Anliegens beginnen. Dazu müssen sie sich zu­nächst zu dem Oval mit der Bezeichnung der ersten Aufgabe »Schritt 1: Fragestellung« hinbewegen. Abbildung 5 zeigt den Raum, welchen die Benutzerinnen und Benutzer anschließend betreten, sowie, welche An­leitung sie zur Ableitung einer Fragestellung dort vorfinden. Da bei dieser Bearbeitungsaufgabe besonders oft Unsicherheit bei den Lernenden auftritt, besteht die Möglichkeit der direkten Interaktion mit anderen Studierenden und Lernbegleiterinnen und -begleitern durch die Ein­bettung gängiger sozialer Medien, wie der Chatverlauf in der Abbildung auf der rechten Seite zeigt.

Abbildung 6 Arbeitsschritt ›Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit‹

[Quelle: eigener Screenshot]



Grundsätzlich finden die Lernenden für jede Phase des projektbasierten wissenschaftlichen Arbeitens in den Räumen entsprechende Vorgeh­ens­beschreibungen, erforderliche Materialien und Werkzeuge (mittels Ver­linkungen in den Ovalen) zur praktischen Umsetzung der Arbeitsschritte sowie die Möglichkeit zur Interaktion mit anderen Personen. Die Option, Notizen zu hinterlassen, erlaubt zum einen, wiederkehrende Fragen in dem gegenständlichen Raum sichtbar zu machen, und zum anderen, Ant­worten zu diesen Fragen für andere sichtbar zu erzeugen. Dies erspart die thematische Suche in Chat-Verläufen. Zur weiteren Orientierung ist es jederzeit möglich, in den Eingangsraum zurückzukehren sowie auch Ite­ra­tionen einzelner Arbeitsschritte zu durchlaufen.



2.2 Evaluierung

Die Evaluierung des Konzepts zur Gestaltung projektbasierten wissen­schaft­lichen Arbeitens im Metaverse sowie dessen prototypische Um­set­zung in spatial.io wurde im Rahmen eines soziotechnischen »Walkthrough« (Troeger & Bock, 2022) durchgeführt, der bereits bei anderen Lernunter­stützungsplattformen eingesetzt worden ist (vgl. Hartong, 2023). Das Vorgehen ist im Anhang detailliert beschrieben. Wesentliche Erkennt­nisse des Walkthrough sind für die weitere Entwicklung:

  • Die Navigation in den angelegten virtuellen Räumen ist gewöhnungs­bedürftig, zumal die Orientierung im Raum der Erklärung bedarf. Wünschenswert wäre beispielsweise, dass die angezeigte Information im jeweiligen Raum den Zweck des Raumes erklärt, damit sich Nutzerinnen und Nutzer zurechtfinden.
  • Da jeder Raum eine bestimmte Phase des wissenschaftlichen Arbeits­prozesses betrifft, sollte in jedem Raum eine klare Aufgabenbeschrei­bung sichtbar sein. Insbesondere im ersten Schritt der Bearbeitung des Projekts sollte die persönliche Frage im Mittelpunkt stehen: »Welches Thema möchtest du bearbeiten?«
  • Fließtext sollte im Raum nicht angezeigt werden, Folien eignen sich aufgrund der Textgröße besser.
  • Spielerische Elemente in den Räumen fehlen – sie könnten der Erhöh­ung der Motivation zur Auseinandersetzung mit den Inhalten und Aufgabenstellungen beitragen.
  • Die Regeln für den Umgang mit sozialen Medien, die in den jeweiligen Räumen eingeblendet werden, sollten im Sinne einer »Netiquette« zugänglich sein.



Die Rückmeldungen verstärken überwiegend die Fokussierung auf das individuelle Erkenntnisanliegen der Studierenden und sollten mit gering­em Aufwand umsetzbar sein und damit die Qualität der Unterstützung zu Wissenschaftlichem Arbeiten erhöhen.



3 Schlussfolgerung und Einordnung

In diesem Forschungsprojekt wurde der Aufbau von transversalen Kom­pe­tenzen mittels Metaverse-Anwendungen und eines entsprechend abgestimmten didaktischen Konzeptes als »Learning Journey« untersucht. Der entwickelte Prototyp zu Wissenschaftlichem Arbeiten unterstützt durch seinen offenen Themenbezug und die Zukunftsorientierung trans­versale Kompetenzausprägungen. Dessen Expertinnen- und Experten-Evaluierung zeigt allerdings die Notwendigkeit der Entwicklung weiterer didaktisch-methodischer Elemente zur motivierenden und »lern­effek­tiven« Nutzung von Metaverse-Technologien auf. Dazu bietet sich die Erprobung des Ansatzes mit Studierenden unter Berücksichtigung ihrer bereits vorhandenen medialen Kompetenzen und Ideen für das Vorgehen innerhalb einer Metaverse-Anwendung an. Auch bezüglich des »construc­tive alignment« (Jervis & Jervis, 2005) sind noch weitere Abstimmungen unter Einbezug relevanter Stakeholder, wie Studierender und digitaler Lernplattform-Betreiberinnen und -Betreiber erforderlich.



Tabelle 01 Future Skills im Kontext der Next-Skills-Triple-Helix-Dimensionen

Future Skills Quelle: https://www.stifterverband.org/medien/future-skills-2021 Next Skills Triple Helix Quelle: https://nextskills.org/future-skills-overview/triple-helix/ Einträge: Inner Development Goals Quelle: Inner Development Goals: Background, method and the IDG framework Quelle: OECD Lernkompass 2030 OECD-Projekt Future of Education and Skills 2030 Rahmenkonzept des Lernens

[Quelle: eigene Darstellung]



Der vorgestellte Ansatz lässt sich, wie in der Tabelle dargestellt, in be­steh­ende Rahmenwerke zu Future Skills einordnen. Die Spalten und Zeilen der Tabellen sind jeweils den angegebenen Quellen am Ende der Tabelle entnommen. Die Einträge lassen den Mehrwert sowohl aus (meta-)kognitiver wie aus sozialer Sicht erkennen.



Anhang Evaluierungsprotokoll

Die Evaluierung des Konzepts zur Gestaltung projektbasierten Wissen­schaft­lichen Arbeitens im Metaverse sowie dessen prototypische Um­setzung in spatial.io wurde im Rahmen einer geleiteten Führung (Socio­technical Walkthrough) evaluiert. Eine Fachexpertin mit mehrjähriger universitärer Lehrerfahrung im wissenschaftlichen und projektbasierten Arbeiten nahm sich 1,5 Stunden Zeit. Zur Vorbereitung des Walkthrough wurden folgende Aktivitäten gesetzt:

Das fachdidaktische Konzept zum Ablauf im wissenschaftlichen Arbeiten wurde übermittelt,

  • Ausgestaltung der Räume auf der Plattform Spatial – Free Online Games – Play now!; mit Einstiegsraum: JKU:WIN-CE: Wissenschaftliches Arbeiten (spatial.io) – Einstieg mit Nutzerkennung ce.win@jku.at und Passwort: Metaverse-2023
  • Weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen in der Rolle Provider (P) sowie Studierende (S) teil.
  • Einladung an die Expertin (EE) und andere Teilnehmende inklusive Moderatorin/Moderator und Facilitatorin/Facilator (MF) zum Einstieg in die Plattform sowie zur anschließenden Evaluierung.



Der weitere Ablauf gestaltete sich wie folgt:

  • Einstieg aller in den Überblicksraum, um dann in alle weiteren Räume gelangen zu können.
  • MF bittet EE, sich in der Rolle der Lernende(n) mit der Navigation vertraut zu machen. Feedback von EE: Navigation in spatial.io-Raum ist gewöhnungsbedürftig sowie die Orientierung im Raum nicht selbsterklärend.
  • MF erklärt Inhalte für den Einstieg. Feedback von EE: Wünschenswert wäre, dass die erste Folie den Zweck des Raumes erklärt. Damit könnte die Orientierung verbessert werden.
  • Wechsel zu Schritt 1: Fragestellung Feedback von EE: Textunterlage zu wissenschaftlichem Arbeiten sei zu klein, Folien seien besser lesbar.
  • Chat Test, Kamera und Mikrofon Test: Es treten Probleme auf, die mit dem Testsetting via Zoom zusammenhängen, sodass es zunächst nicht möglich war, alle Beteiligten gleichzeitig im Metaverse-Raum zu sehen und zu hören sowie miteinander zu sprechen. Feedback von EE: Erforderliche Geräteabstimmungen und Synchronisationen sollten vorab getestet werden.
  • Wechseln zu Schritt 2: Literatursuche Verlinkung erprobt zu Suchmaschinen Feedback von EE: Folien seien gut strukturiert, Raum sei optisch angenehm motivierend, um sich dort (länger) aufzuhalten.
  • Wechsel zu Schritt 3: Literaturauswertung Feedback von EE: Es würde motivieren, etwas Neues im Raum spielerisch entdecken zu können, ähnlich eines Gamification-Mechanismus (»Wo muss ich Punkte sammeln? Wo geht es weiter?«)
  • Wechsel zu Schritt 4: Arbeit verfassen Feedback von EE auch hier, etwas Neues im Raum entdecken (mittels Spiels oder Ähnlichem) zu wollen
  • Rückkehr zum Einstiegsraum Wissenschaftliches Arbeiten – Erprobung der Notizfunktion. Feedback von EE: Notiz sollte erklären, wie mit dem Chat und Notizen im Sinne einer »Netiquette« umgegangen werden soll.



Abschließend gibt EE allgemeines Feedback: In jeden Raum sollte eine klare Aufgabenbeschreibung sichtbar sein. Insbesondere im ersten Schritt der Bearbeitung des Projekts sollte die persönliche Frage im Mittelpunkt stehen: »Welches Thema möchtest du bearbeiten?« Damit wird der Fokus auf eigene Erkenntnisanliegen gerichtet und die intrinsische Motivation zur Erkenntnisgewinnung aus wissenschaftlichen Quellen gesteigert.



DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

Iniga Antonia Baum schließt zurzeit ihre Dissertation zur Lernunterstützung von Lehrenden im Kontext von projektbasiertem Lernen an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Linz ab. Sie besitzt langjährige Erfahrung in der Hochschullehre und setzt kontinuierlich Innovationen in der Wissensvermittlung und Reflexionsarbeit im Rahmen von individuellen und organisationalen Entwicklungsprozessen.

I.Antonia.Baum@gmail.com



Christian Stary ist derzeit Leiter des Instituts für Wirtschaftsinformatik – Communications Engineering sowie des Wissensmanagement-Kompetenzzentrums an der Universität Linz. Sein Forschungsinteresse gilt der modellbasierten und benutzerorientierten Gestaltung von Lern- und Systementwicklungen. Anwendungsgebiete sind individuelle und organisationale Lernunterstützung, Organisationsentwicklung, Prozessmanagement und Verteilte Systeme.

Christian.Stary@jku.at



Alexandra Culenova unterstützt die Lehrenden, Studierenden und Administration am Institut für Wirtschaftsinformatik – Communications Engineering der Universität Linz. Ihr Interesse gilt neuen Technologien und deren Anwendbarkeit in den Bereichen User Experience und Lernunterstützung.

Alexandra.Culenova@jku.at



LITERATURVERZEICHNIS

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Baum, I. A. & Stary, C. (2022). Value exchange exploration supporting project-based learning. In Proceedings of the 17th International Conference on Knowledge Management »Knowledge, Uncertainty and Risks: From individual to global scale« [Konferenzbeitrag]. https://digital.library.unt.edu/ark:/67531/metadc2047067/?q=ickm%202022%20stary. Abgerufen am 19.12.23.

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FOKUS: INTERDISZIPLINÄRE LEHR- UND LERNFORMATE

07 · ETABLIERUNG VON FACHÜBERGREIFENDEN KOMPETENZEN MIT EINEM HOCHSCHULEIGENEN KOMPETENZMODELL ⸺

YASMIN PETERS · ANDRÉ BEEM Hochschule Geisenheim

An der Hochschule Geisenheim University liegt der Fokus in der Lehre in erster Linie auf der praktischen und fachspezifischen Kompetenz­ver­mit­tlung. Zwar werden fachübergreifende Kompetenzen in der Lehr­praxis ebenfalls vermittelt, dies geschieht in der Regel aber eher intuitiv und ohne systematische Einbindung in den Semesterplan und das Curri­culum. Durch die Einführung eines hochschuleigenen Kompetenz­modells wurde den Lehrenden ein Instrument in die Hände gelegt, das sowohl fachspezifische als auch fachübergreifende Kompetenzen darstellt. Durch die aktive Auswahl, Einordnung und Gewichtung von Kom­petenzen können Lehrende ihre Lehrveranstaltung hinsichtlich der Kompetenzorientierung systematisch reflektieren und zielführende Lehr-/Lernaktivitäten planen und durchführen.



1 Einleitung

Kompetenzorientierung und deren Etablierung ist – trotz intensiver bildungspolitischer Bemühungen – weiterhin eine große Herausfor­derung. Ungeachtet eines sich zunehmend dynamisch entwickelnden gesellschaftlichen Wandels wird die Relevanz von fachübergreifenden Kompetenzen teilweise verkannt (vgl. Meyer & Meyer, 2009; Schott & Ghanbari, 2012; Wiesner et al., 2017; Frohn & Heinrich; 2018).

Auch an der Hochschule Geisenheim University (HGU) liegt der inhalt­liche Schwerpunkt in der Lehre vornehmlich auf der fachspezifischen Kompetenzvermittlung. Das Studiengangs-Portfolio der HGU ist in den Sonderkulturen und deren Produktion und Verarbeitung entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie der Entwicklung von Kultur­landschaft und städtischen Freiräumen der Landschaftsarchitektur verankert. Das Lehrprofil zeichnet sich durch praxis- und anwendungs­orientierte, berufsqualifizierende Bachelor- und Masterstudiengänge aus.

Gründe für den teilweise sehr fachbezogenen Fokus an der HGU sind neben fehlenden zeitlichen Ressourcen und Unterstützungsstrukturen auch ein fehlendes Bewusstsein der Lehrenden für die Bedeutung von fachübergreifenden Kompetenzen. Durch die Entwicklung und Etablie­rung eines hochschuleigenen Kompetenzmodells sollen die fach­über­greifenden Kompetenzen stärker herausgearbeitet und gleichzeitig für Lehrende und Studierende transparenter gemacht werden. Gleichzeitig soll das Bewusstsein für Kompetenzorientierung allgemein geschärft werden.

Ein ganzheitlicher Kompetenzrahmen beeinflusst nicht nur die Studien­gang­konzeption, die Lehrgestaltung sowie die Entwicklung passender Prüfungsformate, sondern wirkt sich zum Beispiel auch auf Studien­bera­tung, Qualitätsmanagement, Personal­entwicklungs­maßnahmen sowie auf die transparente Information von Studien­interessierten, Studierenden und Lehrenden aus. Ein wichtiger Schritt zur Umsetzung von kompetenz­orientierter Lehre ist daher ein einheitlicher, für Lehrende und Studie­rende transparenter Kompetenzrahmen (Cendon et al., 2017, S.9).

Der vorliegende Praxisbericht über das Pilotprojekt zur Einführung eines Kompetenzmodells an der HGU soll folgende Fragestellungen behandeln:

Kann das Kompetenzmodell der HGU …

  • … zur Sensibilisierung der Lehrenden für das Thema Kompetenz­orientierung beitragen?
  • … zu einem einheitlichen Verständnis von Kompetenzbegriffen und zu einer darauf aufbauenden hochschulweiten Kompetenzidentität führen?
  • … zur Sichtbarmachung von fachübergreifenden Kompetenzen wie beispielsweise Future Skills beitragen?
  • … eine Entlastung der Lehrenden in Bezug auf Lehrveranstaltungs­planung und Prüfungsvorbereitung darstellen?



2 Beschreibung des Kompetenzmodells

Ausgehend von im hochschuldidaktischen Kontext etablierten Kompe­tenz­modellen und -ansätzen wie zum Beispiel DQR (vgl. Büchter et al., 2012), EQR (vgl. EU, 2006; EU, 2017), OECD (vgl. OECD, 2005), Future Skills nach Stifterverband (vgl. Stifterverband, 2021) und Ehlers (vgl. Ehlers, 2020), Bildung für nachhaltige Entwicklung (vgl. Haan, 2008), DigiComp 2.0 (vgl. EU, 2023) wurde ein für die Lehrenden und Stu­dierenden der HGU anwendbares Modell (siehe Abbildung 1) entwickelt.

Abbildung 1 Das Kompetenzmodell der Hochschule Geisenheim University

[Quelle: Hochschule Geisenheim/Beem & Peters. Mehr Informationen hier.]

Allgemein lassen sich die an der HGU vermittelten Kompetenzen in zwei Domänen unterteilen: die fachspezifischen und die fachübergreifenden Kompetenzen.

Innerhalb dieser beiden Kompetenzdomänen gibt es Kompetenzen, die im Rahmen der Qualifizierung für den Arbeitsmarkt ebenso wie im Sinne des lebenslangen Lernens von besonderer Bedeutung sind. Diese werden als Schlüsselkompetenzen (petrol) bezeichnet. Eine Besonderheit des Kom­petenzmodells besteht darin, dass Lehrende die Schlüsselkompeten­zen im Rahmen einer didaktischen Modulberatung selbst festlegen und es keine Vorgaben der Hochschule hinsichtlich der Schlüsselkompetenzen gibt. Die Einordnung von Kompetenzen als Schlüsselkompetenzen wird durch ihre Positionierung innerhalb des Modells sichtbar. Je weiter diese mittig einsortiert werden, desto relevanter sind die Kompetenzen in dem jeweils zu betrachtenden Kontext (also zum Beispiel Lehrveranstaltung, Modul, Studiengang etc.).

Die fachspezifischen Kompetenzen (grau) werden im Kontext des jeweil­igen Moduls beziehungsweise Studiengangs definiert und sind individuell von den entsprechenden Modul- beziehungsweise Studiengangs­verant­wortlichen festzulegen.

Die fachübergreifenden Kompetenzen (grün) sind in drei Cluster unter­teilt: Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen. Auf Basis aktueller wissenschaftlicher Veröffentlichungen (zum Beispiel Digitale Kompetenz nach DigiComp2.0, Future Skills nach Ehlers/Stifterverband, BNE nach de Haan) wurde eine Liste fachübergreifender Kompetenzen erarbeitet, die den drei Clustern zugeordnet werden können. Die Liste fachübergreifen­der Kompetenzen wird stetig aktualisiert sowie ergänzt und dient zur Orientierung und Etablierung eines einheitlichen Verständ­nisses der jeweiligen Kompetenzen. Hierbei wurde bewusst keine Differenzierung von »digitalen und analogen« Kompetenzen vorgenom­men. Vielmehr ist es in den Augen der Autoren zukunftsfähiger, beide Formen bei den Kompetenzen mitzudenken: zum Beispiel Beispiel bei der Kommunika­tions­kompetenz. Auch wenn im digitalen Raum teilweise andere Kommunikationsaspekte eine Rolle spielen, sollte eine ganzheitliche Vermittlung von Kommunikationskompetenzen sowohl für den digitalen als auch den analogen Raum im Fokus stehen.

Die jeweilige Positionierung einer Kompetenz in der Domäne der fach­übergreifenden Kompetenzen spiegelt die Zuordnung zu den Clustern wider. Kann eine Kompetenz nicht eindeutig einem der drei Cluster zugeordnet werden, kann das durch eine flexible Einordnung im Modell zum Beispiel an den Übergängen zwischen den einzelnen Clustern dargestellt werden.



3 Pilotierung des Kompetenzmodells

Im Wintersemester 2023/24 wurde das entwickelte Kompetenzmodell in einer Pilotphase in ausgewählten Lehrveranstaltungen angewendet. Ziel dieser Pilotphase war die Prüfung des Modells auf Anwendbarkeit und die schrittweise transparente Integration und Sichtbarmachung von fach­über­greifenden Kompetenzen in den Lehralltag der HGU. Herausforde­rungen bestanden hierbei in der Verknüpfung und Herausarbeitung von fachspezifischen und übergreifenden Kompetenzen, ohne dabei den Workload für die Studierenden zu erhöhen, sowie in der Etablierung von entsprechenden didaktischen Maßnahmen im Sinne des Constructive Alignments. Gleichzeitig sollten in dieser Phase auch Unterstützungs­strukturen und -materialien für die Integration des Kompetenzmodells in der eigenen Lehre geprüft und weiterentwickelt werden.



3.1 Projektphasen

Die Pilotierung wurde in folgende Projektphasen gegliedert:

1) Kick-off: Das Team der Hochschuldidaktik stellte das Kompetenz­modell vor und definierte gemeinsam mit den teilnehmenden Lehrenden die Zieldefinition des Pilotprojekts

2) Anwendung des Modells: Die Lehrenden setzten sich eigenständig mit dem Kompetenzmodell auseinander. Dabei wählten sie die fachüber­greifenden Kompetenzen aus, die sie ihrer Lehrveranstaltung ver­mitteln möchten und ordneten diese in die entsprechenden Cluster des Modells (Methoden-, Sozial-, Selbst-Kompetenzen) ein. Besonders relevante Kompetenzen wurden dabei näher am Zentrum in dem Bereich der Schlüsselkompetenzen angeordnet.

Hinweis: Im Anschluss an diese Phase wurden auf Grundlage des Feedbacks der Lehrenden kleinere Anpassungen vor allem hinsichtlich einzelner Kompetenz-Beschreibungen vorgenommen.

3) Feedback und Modulberatung: Auf Grundlage der ausgewählten fach­übergreifenden Kompetenzen erarbeiteten das Team der Hoch­schul­didaktik und die beteiligten Lehrenden gemeinsam einen Semester­plan. Dabei wurden den intendierten fachübergreifenden Kompetenzen konkrete didaktische Maßnahmen zur Vermittlung zugeordnet und diese im Semesterplan verankert.

4) Qualitätssicherung/Leitfaden-Interviews: Die beteiligten Lehrenden wurden in leitfadengestützten Interviews zur Anwendung des Kompetenz­modells befragt. Diese Maßnahme diente zur Qualitätssicherung und gab Aufschluss über Verbesserungspotenziale.

5) Überarbeitung des Kompetenzmodells: Auf Grundlage der Leitfaden-Interviews wurde das Kompetenzmodell überarbeitet und optimiert.

Abbildung 2 Phasen der Pilotierung

[Quelle: Hochschule Geisenheim/Beem & Peters]

Parallel zum Pilot-Prozess wurden Unterstützungsangebote und -mate­rialien auf den Erfahrungen der Modulberatungen aufbauend weiter­entwickelt. Dazu zählen:

  • Übertrag der Kompetenzen in das ILIAS-Kompetenzmanagement Die an der HGU verwendete Lernplattform ILIAS bietet mit dem Kompetenzmanagement ein ideales Instrument, um die Kompetenzen direkt in der Lehrveranstaltung abzubilden und anzuwenden. Alle fach­übergreifenden Kompetenzen wurden in ILIAS mit einer drei­stufigen Ausprägungsskala übertragen und können sowohl ganzen Lehr­veran­staltungen (Kursen) als auch einzelnen Fragen in Tests und Quizzes zugeordnet werden. Zudem haben Studierende die Möglichkeit, eine Selbsteinschätzung der fachübergreifenden Kompetenzen vorzu­nehmen.
  • ConceptBoard-Template Zur praktischen Anwendung des Kompetenzmodells und zur Ein­ord­nung der fachübergreifenden Kompetenzen wurde mit dem kolla­bora­tiven Online-Tool ConceptBoard eine Vorlage erstellt, die es den Lehr­enden ermöglicht, die intendierten fachübergreifenden Kompetenzen auszuwählen und präzise im Modell zu platzieren. Auf diese Weise ent­steht jeweils ein individuelles Kompetenzprofil für die Lehr­veran­stal­tung, das Modul oder den Studiengang. Ziel ist es, auf allen Ebenen, also von Lehrveranstaltungsebene bis hin zur Studiengangsebene, Kompetenzprofile zu erstellen.
  • Vorlage zur Planung konkreter didaktischer Maßnahmen Um die intendierten fachübergreifenden Kompetenzen auch ziel­gerich­tet vermitteln zu können, wurde eine Vorlage für die Veranstal­tungsplanung erarbeitet, in der die Lehrenden den Kompetenzen konkrete didaktische Maßnahmen zuordnen und den geplanten Zeitpunkt im Veranstaltungsablauf definieren.
  • Individuelle Modulberatung Auf Wunsch können die Lehrenden im Zuge der Anwendung des Kompetenzmodells auch auf das individuelle Beratungsangebot der Abteilung Hochschuldidaktik und eLearning zugreifen, um das Modul hinsichtlich der Kompetenzvermittlung zu optimieren.



3.2 Die Pilotmodule

In der Pilotphase wurden die folgenden Module genauer hinsichtlich ihrer Kompetenzausprägungen betrachtet:

  • Fachfremdsprache Englisch
  • Gebäudebegrünung
  • Introduction to Sustainability
  • Wissenschaftliches Arbeiten

Die jeweiligen Übersichtsgrafiken (Abbildungen 3 bis 6) geben zunächst einen Überblick über die von den Lehrenden ausgewählten Kompetenzen und die Eckdaten der Lehrveranstaltungen. Die ausgewählten Pilotveran­staltungen sind hinsichtlich der Lehrinhalte und der curricularen Einbin­dung sehr heterogen und stellen somit einen Querschnitt durch die Studieninhalte der HGU dar. Dabei handelt es sich sowohl um Lehrveran­staltungen mit klassisch fachlicher Ausrichtung (Gebäudebegrünung) als auch um Module mit übergreifenden Inhalten (Fachfremdsprache Englisch, Wissenschaftliches Arbeiten). Darüber hinaus sind sowohl Master- als auch Bachelormodule, verschiedene Fachsemester sowie Sprachen einbezogen.

Abbildung 3 Kompetenzprofil des Moduls »Fachfremdsprache Englisch«

In Petrolgrün: fachübergreifende Kompetenzen, die von den Lehrenden in dem Modul als Schlüsselkompetenzen herausgestellt wurden.

[Quelle: Hochschule Geisenheim/Beem & Peters. Mehr Information hier.]

Abbildung 4 Kompetenzprofil des Moduls »Gebäudebegrünung«

In Dunkelgrün: fachübergreifende Kompetenzen, die von den Lehrenden in dem Modul als Schlüsselkompetenzen herausgestellt wurden.

[Quelle: Hochschule Geisenheim/Beem & Peters. Mehr Informationen hier.]

Abbildung 5 Kompetenzprofil des Moduls »Introduction to Sustainabilty«

In Dunkelgrün: fachüber­greifende Kompetenzen, die von den Lehrenden in dem Modul als Schlüssel­kompetenzen herausgestellt wurden.

[Quelle: Hochschule Geisenheim/Beem & Peters. Mehr Informationen hier.]

Abbildung 6 Kompetenzprofil des Moduls »Wissenschaftliches Arbeiten«

In Dunkelgrün: fachüber­greifende Kompetenzen, die von den Lehrenden in dem Modul als Schlüsselkompetenzen herausgestellt wurden.

[Quelle: Hochschule Geisenheim/Beem & Peters. Mehr Informationen hier.]

Die folgenden Abbildungen zeigen, welche fachübergreifenden Kompe­tenzen in den vier Pilotmodulen ausgewählt wurden (Abbildung 7) und welchem Cluster diese zugeordnet wurden (Abbildung 8).

Abbildung 7 Auswahl der in den Pilotmodulen gewählten fachübergreifenden Kompetenzen.

Die Lehrenden konnten, auf Grundlage einer Auswahlliste mit Definition, entscheiden, welche fachübergreifenden Kompetenzen in ihren Modulen vorhanden sind, und diese dann im Kompetenzmodell einordnen.

[Quelle: Hochschule Geisenheim/Beem & Peters]

Bei der Betrachtung von Abbildung 7 ist generell hervorzuheben, dass die am Pilotprojekt beteiligten Lehrenden eine Vielzahl von fachübergreifen­den Kompetenzen in ihren Lehrveranstaltungen benannt haben. Die Tatsache, dass von den insgesamt 42 auswählbaren Kompetenzen rund drei Viertel (33) in die Lehr-/Lernaktivitäten innerhalb der Pilotmodule integriert wurden, zeigt die Relevanz der fachübergreifenden Kompe­tenzen in der Lehre.

Besonders hervorzuheben sind dabei Kommunikations- sowie Transfer- und Reflexions-Kompetenz, welche in drei der vier Pilotmodule als fach­über­greifende Schlüsselkompetenz herausgearbeitet wurden. Auch Analy­tische Fähigkeiten, Kreativität, Interdisziplinarität sowie Koopera­tions­kompetenz und Urteilsfähigkeit wurden von der Hälfte der beteilig­ten Lehrenden als intendierte Schlüsselkompetenz ihrer eigenen Lehr­veran­staltung bezeichnet.

Die Abbildung zeigt aber auch, dass einige fachübergreifende Kompe­ten­zen gar nicht ausgewählt wurden. Hierzu zählen:

  • Agiles Arbeiten
  • Design Thinking / Nutzerorientiertes Design
  • (Digitale) Kollaboration
  • Data Analysis
  • Softwareentwicklung
  • Hardware-/Robotikentwicklung
  • Quantencomputing
  • Resilienz
  • Soziale Intelligenz



Die Gründe hierfür liegen möglicherweise in einem zu hohen Spezialisie­rungsgrad einzelner Kompetenzen (zum Beispiel Softwareentwicklung, Hardware-/Robotikentwicklung und Quantencomputing), die kaum beziehungsweise keinerlei Berührungspunkte mit den Lehr-/Lerninhalten der Pilotmodule aufwiesen. Weitere Gründe können in den nicht aus­reichend trennscharfen Kompetenzbeschreibungen (zum Beispiel Agiles Arbeiten, Resilienz) oder in der Unsicherheit der Lehrenden bezüglich der anzuwenden Lehr-/Lernmethoden liegen (zum Beispiel im Fall von Resilienz und Soziale Intelligenz).

Die Lehrenden konnten die fachübergreifenden Kompetenzen flexibel den drei Clustern Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Selbst­kompetenz zuordnen (siehe Abbildung 8).

Abbildung 8 Zuordnung der ausgewählten fachübergreifenden Kompetenzen zu den Clustern Methodenkompetenz, Sozialkompetenz, Selbstkompetenz

[Quelle: Hochschule Geisenheim/Beem & Peters]

Insgesamt ergab sich bei der Einordung der Kompetenzen eine hohe Deckung zwischen den einzelnen Pilotmodulen. Teilweise wurden die Kompetenzen aber unterschiedlichen Clustern zugeordnet, was unter anderem mit dem von den Lehrenden gesetzten Schwerpunkt zu be­gründen ist. So kann am Beispiel des Kritischen Denkens der Schwerpunkt einerseits auf das methodische Vorgehen (Methodenkompetenz) und andererseits auf die Diskussion innerhalb einer (Peer-)Gruppe (Sozial­kompetenz) gelegt werden.



3.3 Stärken und Potenziale des Kompetenzmodells

Zur Qualitätssicherung der Pilotphase wurden qualitative Leitfaden-Interviews mit den Verantwortlichen der vier zugrunde liegenden Lehrveranstaltungen durchgeführt. Insgesamt zeigte sich, dass die Anwen­dung des Kompetenzmodells weitestgehend selbsterklärend gewesen ist und die Lehrenden mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Informationen und Materialen (Kompetenzmodell und Kompetenzliste) eigenständig eine Auswahl und Zuordnung der Kompetenzen zu ihren (Teil-)Modulen vornehmen konnten. Auch die flexible Einordnung der fachüber­greifenden Kompetenzen in die drei Cluster Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenzen sowie die Gewichtung einzelner Kompetenzen als Schlüsselkompetenzen wurde von allen beteiligten Lehrenden als schlüssig empfunden.

Darüber hinaus konnten folgende Effekte des Kompetenzmodells auf das Lehr- und Lernverhalten der Lehrenden und Studierenden ermittelt werden:



a) (Selbst-)Reflexion der eigenen Lehre Durch die flexible Anordnung der ausgewählten Kompetenzen entstand bei allen beteiligten Lehrenden ein individuelles Kompetenzprofil ihrer eigenen Lehrveranstaltung. Die Visualisierung und Gewichtung der Kom­petenzen sowie die Zuordnung zu konkreten Lernaktivitäten führte bei den Lehrenden zu einer Reflexion der eigenen Lehrtätigkeit und erleich­terte gezielte Anpassungen hinsichtlich der Auswahl von Lehraktivitäten. Kompetenzen, die bisher teilweise »mitgelehrt« wurden, wie zum Beispiel Kommunikationskompetenz, konnten mit Hilfe des Modells gezielter adressiert und in die Lehrveranstaltung integriert werden. Durch die teilweise im Rahmen der Lehrveranstaltung durchgeführte Selbstein­schätzung der Studierenden hinsichtlich ihrer persönlichen Ausprägung einzelner Kompetenzen und die gemeinsame Diskussion konnte auch die Wahrnehmung der Kompetenzen bei den Studierenden geschärft werden.



Zitat aus Leitfadeninterviews:

[Der Einsatz des Kompetenzmodells hatte] großen Einfluss, da ich die fachlichen Inhalte gemeinsam mit den fachübergreifenden Inhalten konzipiert habe. Das heißt, ich habe überlegt, welchen fachlichen Inhalt kann ich mit welcher fach­übergreifenden Kompetenz gut zusammenbringen und wie kann das praktisch umgesetzt werden. Damit war die Lernform abhängig von den fachübergreifenden Kompetenzen.

The model offers a holistic point of view for all teaching activities

b) Strukturierung und Planung der Lehrveranstaltung Insbesondere bei der Planung und Vorbereitung der gesamten Lehrver­anstaltung, aber auch einzelner Sitzungen erwies sich die Anwendung des Modells laut den beteiligten Lehrenden als hilfreich. In einigen Fällen passten die Lehrenden Inhalte und Lehraktivitäten auf Grundlage des gemeinsam mit den Studierenden erarbeiteten Kompetenzverständnisses im Verlauf der Lehrveranstaltung an. Alle Lehrenden nutzten das Kompe­tenzmodell als Planungswerkzeug, um fachübergreifende Kompetenzen der Lehrveranstaltung als Ganzer, aber auch gezielt einzelnen Sitzungen und/ oder Lehr-/Lernaktivitäten zuzuordnen. Die dynamische Platzierung der Kompetenzen im Modell erleichterte zudem die Fokussierung auf einzelne Kompetenzen. Demnach wurden Kompetenzen, die im Zentrum des Modells (als Schlüsselkompetenz) platziert wurden, auch bewusst öfter in den einzelnen Sitzungen beziehungsweise den Lehr-/Lernkompe­tenzen adressiert. Dies geschah auch, weil diese Kompetenzen bei den Lehrenden durch die Reflexion noch einmal für sich selbst als zentraler Aspekt herausgestellt und so mehr ins Bewusstsein gerückt wurden. Gleichzeitig wurden Lehr-/Lernaktivitäten und Inhalte hierdurch diverser.



Zitat aus Leitfadeninterviews:

[The model is] useful for semester planning and helps us diversify our class activities to be more engaging and less repetitive.

c) Transparenz und Akzeptanz von Lernzielen In drei der vier zugrunde liegenden Lehrveranstaltungen haben Lehrende und Studierende zu Beginn des Semesters gemeinsam den Einsatz des Kompetenzmodells besprochen. Der Einsatz des Kompetenzmodells und die Kommunikation mit den Studierenden über konkrete Lernziele und Kompetenzen sowie die damit verknüpften Lehr-/Lernaktivitäten führte bei allen Beteiligten zu einer Sensibilisierung und erhöhte die Transparenz. Es zeigte sich außerdem, dass je intensiver die Studierenden für die Kom­pe­tenzen und Lernziele sensibilisiert wurden, desto höher die Akzeptanz der damit verbundenen Lehr-/Lernaktivitäten war. Blieb allerdings eine argumentative Begleitung der Lehr-/Lernaktivitäten aus, verringerte sich auch die Akzeptanz der durchgeführten Maßnahmen. Eine Lehrende berichtet zudem von einem »Aha-Erlebnis« bei den Studierenden, die durch die Sensibilisierung für Kompetenzen den Mehrwert für ihr spä­teres Berufsleben erkannt hätten. Die konsequente Verwendung der vorgegebenen Kompetenzbegriffe und -beschreibungen half Lehrenden und Studierenden gleichermaßen, ein gemeinsames Verständnis für Kompetenzbegrifflichkeiten zu erlangen und Irritationen im Diskurs von Lernzielen zu vermeiden.



Zitat aus Leitfadeninterviews:

Die [Kompetenz-]Liste ist sehr gut, weil man immer mit den gleichen Definitionen arbeitet. Den Studierenden gegenüber kann ich das Kompetenzmodell nutzen, um ihnen klarzumachen, was ihnen wissenschaftliches Arbeiten nach dem Studium im Beruf bringt.

Alle beteiligten Lehrenden planen, das Kompetenzmodell auch künftig einzusetzen, um ihre Lehrveranstaltung kompetenzorientierter auszu­richten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Bereitschaft der beteiligten Lehrenden, fachübergreifenden Kompetenzen noch mehr (zeitlichen) Raum im Rahmen den einzelnen Lehrveranstaltungen einzu­räumen. Zudem erwarten sie, dass vor dem Hintergrund des vermehrten Einsatzes von KI-Werkzeugen in Studium und Lehre einzelne Kompe­tenzen wie zum Beispiel Kritisches Denken und Data Literacy, aber auch Ethische Kompetenz verstärkt in den Mittelpunkt rücken. Da die ent­sprechenden Kompetenzen bereits im Kompetenzmodell beziehungs­weise in der erarbeiteten Liste der Kompetenzen integriert sind, erweist sich das Modell auch in dieser Hinsicht als zukunftsfähig.

Weiterentwicklungspotenzial wurde in erster Linie bei den Kompetenz­beschreibungen erkannt. Durch das Zusammenführen mehrerer Kompe­tenz­beschreibungen aus unterschiedlichsten Quellen wurden die Be­schreibungen teilweise zu komplex. Diese waren durch Vokabular und Formulierung nicht verständlich genug. Nach Einschätzung der Lehren­den hatten die Studierenden insbesondere bei der zu Beginn der Lehrver­anstaltung durchgeführten Selbsteinschätzung Schwierig­keiten, zwischen den einzelnen Kompetenzen zu differenzieren. Zudem hätten sich die beteiligten Lehrenden weiteres Unterstützungs­material hinsichtlich Lehraktivitäten gewünscht. Die zentrale Frage dabei lautete: »Wie kann ich Kompetenz X gezielt vermitteln?«

Um das Kompetenzmodell zu verschlanken, werden künftig einige Kom­petenzen gestrichen, die wenig oder gar nicht in den Studien­angeboten der HGU zu finden sind und nach Einschätzung der Autorin und des Autors sowie der beteiligten Lehrenden eher als fachspezifische Kompe­tenzen entsprechender Studiengänge einzuordnen sind. Hierzu zählen:

  • Softwareentwicklung
  • Hardware-/Robotikentwicklung
  • Quantencomputing



Außerdem werden weitere Materialien erarbeitet, die den Link zwischen den jeweiligen Kompetenzen und den Lehr-/Lernaktivitäten noch einmal zentraler herausarbeiten. Die Lehrenden werden hierbei durch einen mit Kompetenzen verknüpften Methodenkoffer sowie Best-Practice-Beispiele unterstützt, um folgende zentrale Fragen zu klären: Welche Kompetenzen möchte ich vermitteln/vermittele ich bereits? Wie kann ich diese Kompetenzen durch gezielte Lehr-/Lernaktivitäten stärken?



4 Fazit und Ausblick

Der Einsatz des Kompetenzmodells hatte positive Effekte auf die Strukturierung der einzelnen Lehrveranstaltungen sowie auf die (Selbst-)Reflexion der Lehrenden und die Transparenz und Akzeptanz von Lernzielen. Demnach lässt sich auf Grundlage der Ergebnisse der qualitativen Leitfrageninterviews mit den am Pilotprojekt beteiligten Lehrenden festhalten, dass durch den Einsatz des Kompetenzmodells …

  • … eine Sensibilisierung für das Thema Kompetenzorientierung stattgefunden hat.
  • … ein einheitliches Verständnis von Kompetenzbegriffen stattgefunden hat und darauf aufbauend eine hochschulweite Kompetenzidentität geschaffen werden kann.
  • … fachübergreifende Kompetenzen wie beispielsweise Future Skills sichtbar gemacht wurden.
  • … Lehrende in Bezug auf Lehrveranstaltungsplanung und Prüfungs­vorbereitung entlastet wurden.



Ein großes Potential besteht auch in der hochschulweiten Transparent­machung von Kompetenzen. So könnte mit Hilfe von Kompetenzprofilen zum Beispiel in den Modulhandbüchern sowohl auf Studiengangsebene als auch auf Lehrveranstaltungsebene transparent herausgearbeitet werden, welche fachlichen und fachübergreifenden Kompetenzen vermittelt werden. Hierbei könnte auch das Übereinanderlegen der Kompetenz­profile aller Studiengänge hilfreiche Informationen über Schlüssel­kompetenzen des Studiengangs generieren. Diese Informationen können beispielsweise bei der Wahl eines Studiengangs als auch bei der Studien­gangsentwicklung von großer Hilfe sein.

Das Kompetenzmodell zeichnet sich durch eine hohe Dynamik aus und kann bei Bedarf um weitere Kompetenzen erweitert werden. Analog dazu können Kompetenzen, die in den Lehrveranstaltungen keine signifikante Rolle spielen, entfernt werden, um eine unnötige Komplexität zu vermei­den. Dies macht eine stetige Überarbeitung der einzelnen Kompetenzen analog zu aktuellen bildungsrelevanten Faktoren notwendig, ermöglichst aber auch größtmögliche Flexibilität. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf die weiter fortschreitende Digitalisierung und speziell auf den Um­gang mit KI-Anwendungen und den in diesen Kontexten relevanten Kompetenzen zu richten.

Des Weiteren sind für eine zielgerichtete Vermittlung der im Modell ent­haltenden Kompetenzen weitere unterstützende didaktische Maßnahmen notwendig. Neben dem Angebot der individuellen Modulberatung ist hier vorrangig eine Verknüpfung von Kompetenzen und Lehrmethoden zu nennen. Angestrebt wird in diesem Zusammenhang eine Übersicht in Form eines Methodenkoffers, der für jede Kompetenz entsprechende didaktische Maßnahmen für einen erfolgreichen Kompetenzzugewinn aufzeigt. Dabei sollen auch weitere Faktoren wie Gruppengröße, Vor­kenntnisse der Studierenden, zeitliche und personelle Ressourcen etc. miteinbezogen werden.

In den Folgesemestern soll die schrittweise Etablierung des Modells in weitere Lehrveranstaltungen und Module fortgeführt werden. Außerdem soll ein speziell auf Studierende zugeschnittenes asynchrones Lern­angebot erstellt werden, um die heterogene Wahrnehmung von Kompe­tenzen im Hochschulkontext abzumildern. Dieses Lernangebot kann mittelfristig auch curricular eingebunden werden.

Zudem ist die Entwicklung eines interaktiven Tools zur Einordnung der Kompetenzen im Modell geplant. Das bisher verwendete ConceptBoard-Template soll durch ein Tool ersetzt werden, das Lehrende selbstständig zur Planung ihrer Lehrveranstaltung nutzen können und das gleichzeitig eine anonymisierte Auswertung der Daten ermöglicht, um die Verteilung der Kompetenzen in verschiedenen Bezugsrahmen (zum Beispiel hochschulweit, studiengangsbezogen, Veranstaltungstyp) zu erfassen.

Basierend auf dem Kompetenzmodell sollen Prüfungsszenarien ent­wickelt/­beschrieben werden, die fachspezifische und fachübergreifende Kompetenzen adäquat prüfbar machen. Hierzu wird analog zur Entwick­lung des Kompetenzmodells eine hochschulinterne Arbeitsgruppe gebildet werden, die ausgehend vom Constructive Alignment Prüfungs­szenarien erarbeitet und erprobt. Auch hier soll die Anwendbarkeit im Fokus stehen und verschiedene Unterstützungsmaterialen für Lehrende wie beispielsweise eine Gegenüberstellung von Kompetenzen und entsprechenden Prüfungsmethoden erstellt werden.



DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

  • Bild: Hochschule Geisenheim/Winfried Schönbach

Yasmin Peters (M. Sc.) und André Beem (M. A.) arbeiten gemeinsam in der Abteilung Hochschuldidaktik & eLearning der Hochschule Geisenheim University.

Dem übergeordneten bildungspolitischen Ziel, den Fokus der Hochschulen im Bereich Lehre auf den Kompetenzerwerb der Studierenden zu richten, wird an der Hochschule Geisenheim University auf Grund der sehr praxisnahen Studiengänge eine besondere Bedeutung beigemessen.

Neben fachspezifischen Kompetenzen liegt der Fokus verstärkt auch auf fächerübergreifenden Schlüsselkompetenzen wie beispielsweise Analysefähigkeit, Selbstorganisation und Medienkompetenz. Dabei sollen diese Kompetenzen nicht nur »mitgelehrt«, sondern gezielt gefördert werden.

Bei der Umsetzung der Kompetenzorientierung setzt das Team Hochschuldidaktik & eLearning auf drei Säulen: Constructive Alignment, Feedback und Formative Prüfungen. Zudem wird durch individuelle Beratungs- und Unterstützungsangebote auch das jeweilige Lehr-Lernsetting berücksichtigt.

Hier klicken für weiterführende Informationen.



LITERATURVERZEICHNIS

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FOKUS: INTERDISZIPLINÄRE LEHR- UND LERNFORMATE

08 · HOCHSCHULBILDUNG IN PRÄSENZ: SELBSTGESTEUERTES LERNEN IM DIGITALEN KLASSENZIMMER ⸺

SARAH BISCHOF · LAURA GREULICH · GREGOR RITSCHEL Universität Leipzig, Zentrum für Lehrer:innenbildung und Schulforschung



Der Praxisbericht gibt einen Einblick, inwiefern bestimmte didaktische Rahmenbedingungen geeignet sind, um digitale Kompetenzen als Teil von Future Skills angehender Lehrkräfte im Blockseminar Classroom goes future zu fördern. Dabei werden die Erfahrungen der Studierenden im Seminar einbezogen, die sie durch handlungsorientiertes und selbst­gesteuertes Lernen gesammelt haben. Die Evaluation des Seminars zeigt eine hohe Zufriedenheit mit der persönlichen Interaktion unter den Studierenden wie auch der Dozierenden im physischen Lernumfeld. Das Seminar findet im Digitalen Klassenzimmer am Zentrum für Lehrer:innen­bildung und Schulforschung statt, welches angehende Lehrkräfte auf die durch Digitalisierung bestehenden und aufkommenden Herausforde­rungen vorbereitet.

1 Einleitung

Um angehende Lehrkräfte während der fortschreitenden Digitalisierung auf die Aufgaben vorzubereiten, die sie zukünftig in den Schulen erwar­ten, existiert seit Beginn des Jahres 2023 das Digitale Klassenzimmer als physischer Lernort am Zentrum für Lehrer:innenbildung und Schul­for­schung (ZLS) der Universität Leipzig.¹

Das Digitale Klassenzimmer am Zentrum für Lehrer:innenbildung und Schul­for­schung bietet (angehenden) Lehr­kräften und Schülerinnen und Schülern sowie Dozierenden einen Erprobungs­raum, um digitale, didaktische und pädagogische Kompetenzen zu stärken. Dazu werden vielfältige Angebote entwickelt, die sowohl vor Ort wie auch extern und online stattfinden.

Der Lernort Digitales Klassenzimmer bietet Studierenden und Dozierenden der Lehramtsausbildung sowie allen Interessierten offene Angebote, wie zum Beispiel Führungen oder Workshops. Die Nutzung des Raumes ist zudem in die Seminare des Moduls Medienbildung und politische Bildung der Ergänzungsstudien im Lehramt integriert, die es seit dem Sommer­semester 2023 ermöglichen, die zukunftsweisende Technik im Digitalen Klassenzimmer auszuprobieren. In diesem Kontext können digital gestütz­te Lehr-Lern-Konzepte sowie eigene Medienprodukte für den Schul­kon­text entwickelt, erprobt und reflektiert werden. Dabei werden Grund­lagen und erweiterte Kenntnisse der Medienbildung und Medien­didaktik vermittelt. Die bildungspolitischen Leitlinien hierfür bieten etwa der Kompetenzrahmen DigCompEDU (Punie & Redecker, 2017) oder der im Projekt PraxisdigitaliS entwickelte Kompetenzkatalog der Lehrkräfte­ausbildung DiKoLiS (Ganguin et al., 2023).

Im eigens für diesen Lernort konzipierten Blockseminar Classroom goes future – Das Digitale Klassenzimmer am ZLS nutzen (im weiteren Verlauf: Classroom goes future) wird dies ebenso umgesetzt und die Entwicklung geeigneter Lehr-Lern-Möglichkeiten mit digitalen Medien aus dem Digitalen Klassenzimmer initiiert. Das Seminar setzt auf ein Lernsetting in Präsenz, um Future Skills zu vermitteln, da dieses Format Bildungs­mög­lichkeiten eröffnet, welche für die Ziele des Seminars am geeignetsten erscheinen. Dazu gehört, dass die Studierenden gemeinsam in einem geteilten Raum die Technik erproben und sich bedürfnisorientiert in verschiedenen Sozialformen zusammenfinden können. Hierfür ist es not­wendig, dass alle Studierenden mit den gleichen Modellen von Geräten arbeiten, was durch die Ausstattung des Digitalen Klassen­zimmers ermög­licht wird. So können digitale Medien, welche die Studierenden zuhause nicht zur Verfügung haben, ausprobiert werden. Die Simulation eines frontalen Lehrendenvortrags in Präsenz mithilfe einer Präsentation wird im Seminar ebenso erprobt wie auch die handlungsorientierte Methode Lernen durch Lehren. Dies wird durch die Peer-Beratung in der selbst­gesteuerten Anwendungsphase, in der die anderen Studierenden durch die präsentierende Person bei der Entwicklung von Lehr-Lern-Konzepten, aber auch in der Problemlösung begleitet werden (siehe Abbildung 2), umgesetzt. Außerdem profitieren diskursive Dynamiken, wie sie im Seminar durch die Dozentin in Form von moderierten Diskussionen initiiert werden, durch den unvermittelten Austausch vom Präsenzformat (vgl. Kunert, 2022). Das Seminar Classroom goes future fördert Future Skills, besonders digitalisierungsbezogene Schlüssel­kom­petenzen (Ehlers, 2020; Ganguin et al., 2023; Stifterverband & McKinsey, 2021; Punie & Redecker, 2017), Entscheidungskompetenz (Ehlers, 2020; Ganguin et al., 2023, Stifterverband & McKinsey, 2021), Kommunikation und Kollabo­ration (Ehlers, 2020; Ganguin et al., 2023; Punie & Redecker, 2017), Kreativität (Ehlers, 2020; Ganguin et al., 2023; Stifterverband & McKinsey, 2021; Punie & Redecker, 2017), Problemlösekompetenz (Ehlers, 2020; Ganguin et al., 2023; Stifterverband & McKinsey, 2021; Punie & Redecker, 2017) und Reflexionskompetenz (Ehlers, 2020; Ganguin et al., 2023; Stifterverband & McKinsey, 2021; Punie & Redecker, 2017).²

Auf Basis der Seminarevaluation und der Reflexionen der Studierenden, die sie im Rahmen ihrer Prüfungsleistungen verfasst haben, wird im Bei­trag ein Praxisbericht zum Seminarangebot Classroom goes future ver­fasst. Dieser zielt darauf ab, exemplarisch darzustellen, wie die Ver­mitt­lung von Future Skills in der Lehrkräfteausbildung gelingen kann³. Dazu wird ein Einblick in die Konzeption des Lernangebots und die Metho­den­wahl (Punkt 2) wie auch ein Bericht aus der Lehrpraxis über die Erfah­rungen der Studierenden bezüglich deren Zufriedenheit und der daraus resultierenden Kompetenzförderung (Punkt 3) herangezogen. Der Artikel versteht sich als ein Plädoyer dafür, dass auch das Lernen in einer digi­talen Gesellschaft mit Fokus auf handlungsorientiertem und selbst­gesteuertem Lernen von persönlicher Interaktion unter den Studierenden sowie Dozierenden in einem physischen Raum nach­haltig profitiert.

2 Das Blockseminar Classroom goes future

Das Seminar verfolgt kompetenzorientierte Ziele der Förderung der Future Skills angehender Lehrkräfte. Im Bereich digitali­sierungs­be­zo­ge­ner Schlüsselkompetenzen gehören dazu Medienkritik, Medienkunde und Mediennutzung (Baacke, 1996) sowie Wissen und Reflexion (Schorb, 2017b) als Dimensionen von Medienkompetenz. In Ergänzung dazu führen Blömeke (2005), Punie & Redecker (2017) und Ganguin et al. (2023) mediendidaktische, medienerzieherische, sozialisationsbezogene Kom­petenzen sowie Schulentwicklungskompetenz im Zusammenhang mit Medien als bedeutende Bestandteile digitaler Kompetenzen von Lehrkräften an. Das Seminar zielt speziell auf die mediendidaktische Kompetenz, also die reflektierte Verwendung von Medien und Infor­mations­technologien in geeigneten Lehr- und Lernformen und deren Weiterentwicklung ab (vgl. Blömeke, 2005; vgl. Ganguin et al., 2023).

Die übergeordneten Ziele, die einen Orientierungsrahmen bilden und an vier Blockseminartagen verfolgt werden, lauten:

  1. Die Studierenden gewinnen Einblick in die Grundlagen von Medien­bildung und politischer Bildung sowie in allgemeindidaktische Grund­lagen zur Planung und Durchführung von innovativem Fachunterricht.
  2. Die Studierenden kennen digitale Medien zum Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren von Daten; zum Kommunizieren und Kooperieren; zum Produzieren und Präsentieren; zum Problemlösen und Handeln.
  3. Die Studierenden deuten die Möglichkeiten der Integration digitaler Medien in den eigenen Fachunterricht unter Berücksichtigung zentra–ler Prinzipien von Medienbildung und politischer Bildung, ordnen diese ein und verdeutlichen die Möglichkeiten durch zusätzliche Informatio­nen und Beispiele.
  4. Die Studierenden diskutieren und beurteilen Chancen und Herausfor­derungen der Einbindung von digitalen Medien.
  5. Die Studierenden diskutieren und beurteilen die integrative Umsetzung von Medienbildung und politischer Bildung mithilfe digitaler Medien im eigenen Fachunterricht.



Um diese rahmengebenden Ziele zu erreichen und die im anschließenden Abschnitt beschriebenen Inhalte umzusetzen, bedient sich das Seminar Methoden der handlungsorientierten Medienpädagogik (Schorb, 2017a) wie auch des selbstgesteuerten Lernens (Schmohl et al., 2019). Der Ansatz der handlungsorientierten Medienpädagogik strebt die reflexiv-praktische Medienaneignung an. Ausgegangen wird dabei von dem Grundsatz, dass die Lernenden im Mittelpunkt der Bildungsarbeit stehen, die »als Souveräne Medien in Dienst nehmen« (Schorb, 2017a, S. 135). Dieser Ansatz sieht weiterhin vor, dass der Aneignungsprozess »angeleitet sein soll von der Reflexion auf Ziele und die Schritte zu deren Realisie­rung« (ebd., S. 138). Da das Projekt Digitales Klassenzimmer mit seinen Angeboten als Erprobungsraum wirkt und mit minimaler Anleitung genutzt wird, basiert das Seminar weiterhin auf der Umsetzung von selbstgesteuertem Lernen. Berücksichtigt wird dabei, dass Ansätze, die traditionelle und konstruktivistische Methoden kombinieren, oft zu besseren Lernergebnissen führen (Newman & DeCaro, 2019) als jene, die auf einen solchen kombinierten Ansatz verzichten. Laut Waever et al. (2018) profitieren die Studierenden während der Erprobung nur dann von Unterstützung durch Lernbegleitung, wenn sie darum bitten. Dieses Konzept ist für das Seminar vielversprechend, da es die kognitive Belas­tung reduziert und den Lernenden dabei hilft, die tiefere Struktur des Problems zu erkennen, was ihr Verständnis des Konzepts fördert (Newman & DeCaro, 2019). Falls erforderlich, werden die Lernenden von der Dozierenden einfühlsam, geduldig und hilfsbereit unterstützt (Helmke & Schrader, 2009). Weiterhin können die Lernenden während der Erkundung bei Bedarf auch von der direkten Unterstützung durch ihre Mitstudierenden profitieren. Dies kann aufgrund der Präsentationen realisiert werden, da durch die Vorstellung alle Lernenden als Expertinnen und Experten über unterschiedliche Fach­kenntnisse verfügen. Grundsätzlich besteht eine Offenheit gegenüber den individuellen Lernergebnissen der Studierenden und es geht demnach primär um den Lernprozess, der sich innerhalb des Seminars mit den Mitstudierenden ergibt.

Die Inhalte des Seminars resultieren aus der Verankerung im bereits erwähnten Modul Medienbildung und politische Bildung sowie den zuvor beschriebenen Zielen. Das Seminar ist in einen theoretischen und einen praktischen Teil gegliedert. Die Zusammensetzung der Seminargruppe zeigt sich heterogen in Bezug auf Lehramtsstudiengang, Fächer und Semester, sodass der theoretische Teil darauf abzielt, die Studierenden auf den gleichen Stand der notwendigen didaktischen und pädagogischen Kenntnisse für kompetenzorientiertes Unterrichten zu bringen. Dies schließt die Formulierung von Lehr-Lern-Zielen, die Phasierung von Unterricht, die detaillierte Planung und die Merkmale von gutem Unter­richt ein. Der theoretische Teil der Lehrveranstaltung beinhaltet weiter­hin Inhalte zur politischen Bildung und Medienbildung, die auf den in der Vorlesung des Moduls vermittelten Informationen und Ansätzen aufbauen.

Im praktischen Teil des Seminars untersuchen die Studierenden digitale Medien und Methoden auf deren Eignung für die Integration im Fach­unterricht. Da die Ausstattung des Digitalen Klassenzimmers (siehe Infokasten und siehe Abbildung 1) zu vielfältig ist, um sie an vier Block­seminartagen in Gänze zu behandeln, wählen die Studierenden mithilfe einer Online-Umfrage vor der ersten Sitzung fünf Technik-Setups aus, mit denen sie sich im Laufe des Seminars auseinandersetzen möchten.

Im Digitalen Klassenzimmer wird mit unterschiedlichen mobilen Endgeräten, AR- und VR-Technik, Hardware und Software für Audio- und Videoproduktion sowie Visualisierungs- und Präsentationshardware gearbeitet, um digitalisierungsbezogene Kompetenzen in verschiedenen Bereichen zu stärken (Abbildung 1). Einen Blick in das Digitale Klassen­zimmer erhalten Sie hier.

Abbildung 1 Technik nach Kompetenzbereichen

[Quelle: eigene Darstellung]

Zu den allgemeindidaktischen Themen und den ausgewählten digitalen Medien halten die Studierenden Präsentationen, durch welche die anderen Seminarteilnehmenden einen Einblick in das jeweilige Technik-Setup gewinnen und die Präsentierenden als Expertinnen und Experten auf dem Gebiet auftreten. An jede Präsentation schließt sich eine freie Phase der Erprobung an. Mit der auf Handlungsorientierung fokussierten zweischrittigen Anweisung durch die Dozentin bearbeiten die Studierenden eine weite Aufgabenstellung.

Erkunden Sie die Technik-Setups (Samsung Flip, Promethean Board) mit all den Funktionen (z.B. Promethean Board – Arbeit mit Software Active Inspire). Wenn Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich an die beiden Expert:innen oder an die Dozierende. Entwickeln Sie konkrete Szenarien zur Einbindung in Ihren zukünftigen Fachunterricht.

Im Sinne des selbstgesteuerten Lernens bestimmen die Studierenden, inwieweit sie die Aufgabe in Einzel-, Paar- oder Gruppenarbeit bewerk­stelligen. Sie entscheiden auch, wie viel und welche Art der Unterstützung sie in dieser Phase erhalten. Der Grad der Lernbegleitung kann in dieser Phase auf Nachfrage der Studierenden verstärkt werden, wenn sie konkrete Unterstützung bei der Erprobung der Technik oder der Ent­wicklung von Lehr-Lern-Konzepten mit dem jeweiligen Technik-Setup benö­tigen. Die Studierenden können eine fachliche Beratung einfordern, indem sie konkrete Fragen stellen und diese von den Technikexpertinnen und -experten oder der Dozierenden beantwortet werden. So können Ver­ständnis- und Verarbeitungsprobleme direkt identifiziert und behoben werden. Die Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Technik-Setup wird damit zum Abschluss gebracht, dass die Studierenden ihre Einbindungs­möglichkeiten in einem Think-Pair-Share präsentieren und diskutieren, wobei die Share-Phase im Plenum von der Dozierenden moderiert wird. In dieser Auswertungsphase, die zuvörderst der Reflexion dient, erfolgt ein reger Austausch über die Ideen von Lehr-Lern-Konzepten sowie die Chancen und Herausforderungen der Technik-Setups.

Dieses Vorgehen wird für alle der fünf von den Studierenden gewählten digitalen Medien wiederholt (siehe Abbildung 2). Durch diese wieder­kehrende Struktur wird den Studierenden Orientierung innerhalb der Seminartage gegeben. Insgesamt zeichnet sich das Blockseminar durch die Interessenorientierung, Handlungsorientierung und individuelle Möglichkeiten zur Lernbegleitung durch Mitstudierende sowie Dozierende aus.

Abbildung 2 Verlauf des Seminars in Phasen

[Quelle: eigene Darstellung]

Die beschriebenen Ansätze und deren Umsetzung können durch die Bearbeitung anwendungsorientierter Aufgabenstellungen, die den Einsatz digitaler Medien und Methoden der demokratischen Zusammenarbeit umfassen, im Präsenzformat adäquat realisiert werden. Resultierend daraus können die Studierenden den eigenen Fachunterricht planen, der wichtige Merkmale der politischen Bildung und Medienbildung erfüllt.

Die beschriebenen Ansätze und deren Umsetzung können durch die Bearbeitung anwendungsorientierter Aufgabenstellungen, die den Einsatz digitaler Medien und Methoden der demokratischen Zusammenarbeit umfassen, im Präsenzformat adäquat realisiert werden. Resultierend daraus können die Studierenden den eigenen Fachunterricht planen, der wichtige Merkmale der politischen Bildung und Medienbildung erfüllt.



3 Erste Erfahrungen: Chancen und Herausfor­derungen der Förderung von Future Skills im Digitalen Klassenzimmer

Um die Eignung des im Punkt 2 beschriebenen Seminarkonzeptes zur Vermittlung von Future Skills zu prüfen, werden exemplarisch die Ergeb­nisse der Evaluation des Seminars wie auch der e-Portfolios herangezo­gen. Generell lässt sich feststellen, dass die Ergebnisse der Evaluation des ersten und zweiten Durchgangs, die durch die Stabsstelle Qualitäts­entwicklung in Lehre und Studium der Universität Leipzig durchgeführt wird, zeigen, dass das Seminar von den Studierenden sehr gut angenommen wird. Die Studierenden bewerten die Veranstaltung im Wintersemester 2023/2024 mit sehr zufrieden (zehn von zwölf) und zufrieden (zwei von zwölf). Im Sommersemester sind sechs von acht Studierenden sehr zufrieden mit dem Seminar, zwei Studierende zeigen sich zufrieden. Die positive Bewertung setzt sich bei der Einschätzung der Lehrperson fort: Alle zwölf an der Evaluation teilnehmenden Studierenden sind mit der Dozierenden im Wintersemester 2023/2024 sehr zufrieden, im Sommer­semester sind sieben von acht Studierenden sehr zufrieden, eine stu­dierende Person zufrieden. Die offenen Fragen der Evaluation im Wintersemester 2023/2024 zeigen, dass vor allem das eigenständige Erproben der Technik und die damit einhergehende Aktivierung, die Praxisorientierung durch den Transfer auf die eigene Schulform und Fächerkombination und die lockere Atmosphäre positiv hervorgehoben werden. Aus den Aussagen über die Zufriedenheit der Studierenden mit dem Lernangebot können keine direkten Rückschlüsse auf die Kompe­tenz­entwicklung der Studierenden gezogen werden, weshalb im Folgen­den auch die Reflexionen der Studierenden, die im Rahmen der Anfer­tigung der Prüfungsleistung in Form eines e-Portfolios entstanden sind, betrachtet werden.

Mithilfe der e-Portfolios, welche laut der kriteriengeleiteten Beurteilung der Dozierenden eine gute bis sehr gute Qualität aufweisen, können die Studierenden die im Seminar geförderten Future Skills noch einmal reflek­tieren und vertiefen (siehe Punkt 1). Auszüge aus den e-Portfolios bestätigen, dass das Konzept des Seminars die Studierenden bei der Stärkung von Medienkompetenz sowie mediendidaktischen und medien­pädagogischen Kompetenzen unterstützt. Die Kreativität im Einsatz digitaler Medien im Unterricht wird dabei im Seminarkontext gefördert. Wie eine studierende Person betont, bringt das Seminar »[...] viele wert­volle Ideen, wie verschiedene digitale Medien den Unterricht [...] an­schau­licher, motivierender und spannender machen können«. Darüber hinaus wird innerhalb des Angebots die Problemlösefähigkeit gestärkt, indem durch das selbstgesteuerte Lernsetting Ängste im Umgang mit der Technik ab- und Selbstwirksamkeit aufgebaut werden. Studierende zeigen »sehr viel weniger Scheu«, den Einsatz von digitalen Medien im Unterricht mitzudenken. Auch wenn sich der Ansatz des selbstgesteuerten Lernens in der Phase des Einstiegs in die Technik wie auch des Transfers in die eigene Fachdidaktik aufgrund der hohen Selbstständigkeit für die Stu­dierenden zunächst ungewohnt anfühlt, führt »[d]as Ausprobieren [...] an dieser Stelle wieder zu einem enormen Kompetenzzuwachs [...] und [hat] auch einfach viel Spaß gemacht [...]«. Aufgrund dessen empfinden die teilnehmenden Studierenden diese Methode als besonders wertvoll. Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch die gegenseitige Unterstützung und ein ähnlicher Wissensstand unter den Studierenden im Seminar: »Da die anderen Teilnehmer genauso unerfahren waren und wir uns am Ende zusammen ausprobiert und geholfen haben, hatte ich viel Spaß und konnte reichlich Erfahrungen sammeln.«

Während durch die gemeinsame Annäherung einerseits der Abbau der Vorbehalte und Ängste geschildert wird, wird an anderer Stelle betont, dass sich der Freiraum und die Vielfalt der Sozialformen des Seminars dazu eignen, die eigenen Bedürfnisse und (fachbezogenen) Präferenzen spielerisch zu entdecken:

Hierdurch wurde mein Lernerfolg merklich befördert, denn im Seminar wechselten sich konzentrierte Diskussionen bzw. Inputs im Plenum, Einzelarbeit und kooperatives, sowie eigenverantwortliches Ausprobieren der digitalen Medien zielführend ab.

Aussage einer studierenden Person im Sommersemester 2023

Die Studierenden des Seminars heben weiterhin den Austausch mit den Mitstudierenden positiv hervor, der ergänzend auf ihre bisherigen Erkenntnisse wirkt wie auch neue Impulse vor allem für den Transfer in den jeweiligen Fachunterricht liefert.

Im Kontext des Seminars ergeben sich für die Studierenden Herausforde­rungen, die sie innerhalb der Evaluation und der e-Portfolios zurück­mel­den. Dies betrifft vor allem das selbstständige Einfinden in die Technik: »Anfangs fand ich es sehr schwer, mich in die neuen digitalen Medien einzufinden und alles alleine, ohne Hilfestellungen auszupro­bieren.« In den Reflexionen der e-Portfolios werden weiterhin kritische Stimmen zur nachhaltigen Wirkung des Gelernten geäußert. Je nachdem, in welchem Semester die Studierenden das Seminar belegen, zeigen sie Unsicher­heiten, ob sie das erlangte Wissen und die gestärkten Fähigkei­ten in den nächsten Jahren anwenden können. Weiterhin formulieren die Studieren­den konstruktive Hinweise im Hinblick auf die Rahmenbeding­ungen des Seminars wie beispielsweise den Ablauf der Sitzungen oder die termin­liche Verteilung. Bezüglich der Verteilung der Sitzungen gibt es unter­schiedliche Aussagen in den Seminarevaluationen, die aufgrund ihrer Diskrepanz nicht zwingend in einer Änderung des Seminarkonzepts münden können.

Alle Aufgaben und Anwendungen wurden sehr gut erklärt und durch die Hilfe der Kommiliton:innen und Dozentin war alles machbar, aber dennoch herausfordernd.

Aussage einer studierenden Person im Wintersemester 2023/2024

4 Zusammenfassung und Ausblick

Aufgrund der positiven Rückmeldungen wird das Seminar als konstantes Angebot in den folgenden Semestern im Rahmen der Ergänzungsstudien im Lehramt etabliert werden. Elemente des Seminars, die für die Kompetenzförderung chancenreich wirken, werden beibehalten, die konstruktiven Verbesserungsvorschläge werden reflektiert und im Rah­men der strukturellen Möglichkeiten eingebunden. Beispielsweise ist zu überlegen, inwiefern man Angebote der Binnendifferenzierung schaffen und eine gemeinsame Einweisung in jedes Technik-Setup ermöglichen kann. Alternativ ist es möglich, diese Herangehensweise als Moment der Irritation für die Studierenden beizubehalten, um Problemlösekompetenz sowie Kompetenz zu Kommunikation und Kollaboration zu stärken. Diese Selbstwirksamkeitserfahrung kann den Lernprozess, wie zuvor geschil­dert, positiv unterstützen.

Der Praxisbericht zeigt, dass im Seminar insbesondere Vorbehalte und Unsicherheiten durch das selbstgesteuerte Lernen leichter überwunden werden. Das Gemeinschaftsgefühl beim Lernen in einer Gruppe in einem physischen Raum bietet auch im digitalen Zeitalter eine besonders nachhaltige Lernqualität. Weiterhin trägt eine Vertrauen schaffende Ansprechperson vor Ort, die bei Bedarf unterstützt und Zugänge ermöglicht, auf Fragen eingeht und direktes Feedback gibt, in diesem Lernsetting zur Förderung von Future Skills bei. Insbesondere die teilnehmenden Studierenden sind sich des Mehrwerts der direkten Kommunikation mit der Dozierenden sowie Kommilitoninnen und Kommilitonen begleitend zur Nutzung digitaler Plattformen und Geräte bewusst. Durch die Erfahrung, welche die Studierenden mit der Methode des selbstgesteuerten Lernens und der sich daraus ergebenden Stärkung gewisser Kompetenzen machen, wirken die Lehramtsstudierenden als Multiplikatorinnen sowie Multiplikatoren und die Methode findet einen Weg in ihr methodisches Repertoire. Dies kann dazu führen, dass sie diese auch im Schulkontext einsetzen, um die Kompetenzen und Future Skills ihrer Schülerinnen und Schüler zu fördern.

Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse ist es, unter Berücksichti­gung allgemein notwendiger struktureller Modernisierungen der Uni­versität Leipzig, wünschenswert, eine größere Anzahl an Studierenden im Rahmen des Pflichtmoduls für Lehramtsstudierende zu erreichen. Dabei ist zu beachten, dass die Anzahl der Studierenden in jedem Seminar aufgrund der handlungsorientierten und selbstgesteuerten Methodik auf 15 Personen begrenzt ist. Die personellen Ressourcen so zu verteilen, dass dieses chancenreiche Seminar innerhalb eines Semesters mehrfach angeboten werden kann, ist ein überlegenswerter Ansatz. Außerdem gilt es, das Konzept in Bezug auf Interdisziplinarität zu öffnen und somit auch für Studierende außerhalb der Lehramtsstudiengänge zu adaptieren. So kann untersucht werden, inwiefern das Seminar von anderen Zielgruppen als gewinnbringend empfunden wird. Deutlich wird, dass sich zur Förde­rung von Future Skills auch das System der Universität ändern muss. Ein Vorbild könnte die multi-institutionelle Netzwerk-Universität, die Ehlers (2022) in der Kurzfassung seiner Next-Skills-Studie beschreibt, sein. Diese steht für eine interdisziplinäre Arbeit, die durch eine patchwork­artige Organisation des Studiums die Grenzen einer Wissenschaftsdiszi­plin oder gar einer Universität überschreitet.

Insbesondere im Hinblick auf die empirisch-basierte Kompetenzentwick­lung von Lehramtsstudierenden mit Fokus auf deren Professionalisierung als angehende Lehrkräfte sind empirische Untersuchungen erforderlich, die über die bloße Evaluation hinausgehen. Diese können beispielsweise abbilden, welche konkreten Future Skills in den Angeboten des Digitalen Klassenzimmers wie dem Seminar Classroom goes future gestärkt werden.

Das hier beschriebene Konzept versteht sich als Ergänzung zu rein digi­talen oder hybriden Angeboten, die ihrerseits viele Vorteile, sei es durch Vielfalt, permanente Abrufbarkeit oder automatisierte Lernfeedbacks, bieten. Gleichzeitig zeigt der Beitrag, dass die Vermittlung von Future Skills in Präsenz für die am Seminar teilnehmenden Studierenden geeig­net ist. Über die qualitativen Fortschritte der Online-/Hybrid-Formate sollte der Wert von Face-Face-Begegnungen daher nicht ins Vergessen geraten.



¹ Das Digitale Klassenzimmer am Zentrum für Lehrer:innenbildung und Schul­for­schung bietet (angehenden) Lehr­kräften und Schülerinnen und Schülern sowie Dozierenden einen Erprobungs­raum, um digitale, didaktische und pädagogische Kompetenzen zu stärken. Dazu werden vielfältige Angebote entwickelt, die sowohl vor Ort wie auch extern und online stattfinden.

² Die Autorinnen und Autoren beziehen verschiedene Future-Skills-Frameworks in ihre Auseinandersetzungen mit ein. Daher wird an dieser Stelle auf eine konkrete Definition von Future Skills verzichtet.

³ Der Artikel betrachtet die Eignung des Seminarkonzeptes, erhebt allerdings keinen empirischen Anspruch.

Mit jeweils acht beziehungsweise zwölf an der Evaluation teilnehmenden Personen erheben die Ergebnisse keinen Anspruch auf Repräsentativität. Zitate der offenen Fragen wie auch der e-Portfolios werden anekdotisch hinzugezogen.

Die Evaluation erfolgt durch eine standardisierte Online-Befragung aller im Seminar eingeschriebenen Studierenden. Die Antwortoptionen werden durch eine (fünfstufige) Lickert-Skala abgebildet.

Die Fragebögen der Evaluation im Sommersemester 2023 und Wintersemester 2023/2024 unterscheiden sich. Die offene Fragekategorie wird lediglich im Winter­semester 2023/2024 erhoben.

Die folgenden Zitate stammen aus den e-Portfolios von verschiedenen Studierenden aus dem Sommersemester 2023 wie auch Wintersemester 2023/2024. Folgende Zitate werden anekdotisch hinzugezogen.

Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, welche Veränderungen es an Hochschulen zukünftig braucht, damit Future Skills adäquat gefördert werden können. Aus seiner Next-Skills-Studie hervorgehend werden vier Szenarien für die Hochschule der Zukunft präsentiert.



DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

  • Bild: Universität Leipzig/Christian Hüller

Sarah Bischof ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Projektkoordination am Zentrum für Lehrer:innenbildung und Schulforschung (ZLS) der Universität Leipzig tätig. In ihrer Funktion koordiniert sie unterschiedliche Projekte mit dem Schwerpunkt Digitalisierung in verschiedenen Phasen der Lehramtsausbildung wie das Projekt Digitales Klassenzimmer. Weiterhin bringt sie ihre Expertise in Mediendidaktik und Medienpädagogik sowie Digital Change Management in die Projekte ein.

sarah.bischof@uni-leipzig.de



Laura Greulich ist seit August 2022 als Lehrkraft im Hochschuldienst am Zentrum für Lehrer:innenbildung und Schulforschung (ZLS) der Universität Leipzig tätig. In ihrer Funktion führt sie Lehrveranstaltungen im Modul Medienbildung und politische Bildung in den Ergänzungsstudien der Lehramtsstudiengänge durch und ist für die Koordination des Digitalen Klassenzimmers mitverantwortlich. Darüber hinaus beschäftigt sie sich in ihrer Promotion mit der Eignung der Integration von Social-Media-Beiträgen im Fachunterricht der politischen Bildung.

laura.greulich@uni-leipzig.de



  • Bild: Universität Leipzig/Christian Hüller

Dr. Gregor Ritschel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Lehrer:innenbildung und Schulforschung (ZLS) der Universität Leipzig mit dem Schwerpunkt politische Bildung und Medienbildung. Hier widmet er sich unter anderem den Themen Desinformation, Alternative Fakten, Fake News und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Als Redakteur der Zeitschrift Berliner Debatte Initial hat er mehrere Hefte zum Thema Gesellschaft und Digitalisierung herausgegeben.

gregor.ritschel@uni-leipzig.de



LITERATURVERZEICHNIS

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Ganguin, S., Nickel, J., Baberowski, D., Berger, I., Bergner, N., Funke, M., Glück, C. W., Gottlebe, K., Haubold, R., Kehm, S., Latzko, B., Seever, F., Stiehler, C., Tiemann, H., Wirths, H., Wollmann, K. & Zabel, J. (Hrsg.) (2023). DiKoLiS: Digitalisierungsbezo­gene Kompetenzen für die Lehrer:innenbildung in Sachsen – Ein Kompetenzkatalog. URN: urn:nbn:de:bsz:15-qucosa 2-868586.

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FOKUS: INTERDISZIPLINÄRE LEHR- UND LERNFORMATE

09 · EDUCATION INNOVATION LAB – LERNREISEN IN DIE ZUKUNFT GESTALTEN ⸺

MANUELA MOHR · SUSANNE STÖVHASE · JORINA SENDEL Education Innovation LAB

Das Education Innovation Lab ist ein gemeinnütziges Unternehmen, das innovative Bildungsmaterialien und -umwelten entwickelt. Diese sind so konzipiert, dass sie Future Skills von Schülerinnen und Schülern fördern. In diesem Artikel werden zwei Projekte des Education Innovation Lab näher vorgestellt: die Digital Sparks – eine digitale Lernplattform zu sozio-politischen Themen – und das Future Voices Lab – ein Projekt des Labs, das Future Design im Kontext des Bildungsdiskurses erprobt.

Abbildung 1 Illustration zum Education Innovation LAB

[Quelle: Illustration von José Rojas]

Die Menschheit steht vor nie zuvor dagewesenen Revolutionen, all unsere Erzählungen fallen in sich zusammen, und bislang ist noch keine neue entstanden, die sie ersetzen könnte. Wie können wir uns selbst und unsere Kinder auf eine Welt solch beispielloser Veränderungen und radikaler Ungewissheiten vor­bereiten? Ein Kind, das heute zur Welt kommt, wird 2050 knapp über 30 Jahre alt sein. Wenn alles gut geht, wird das Kind im Jahr 2100 noch immer leben und könnte sogar ein aktiver Bürger des 22. Jahr­hunderts sein. Was sollten wir diesem Kind beibringen, das ihm dabei hilft, in der Welt des Jahres 2050 oder des 22. Jhd. zu überleben und zu gedeihen? Was für Fertigkeiten wird er oder sie brauchen, um einen Job zu finden, um zu verstehen, was ringsum geschieht, und um sich im Labyrinth des Lebens zurechtzufinden?

Harari, 2018

1 Ein Blick in die Praxis

Mittwochvormittag 9:00. Schülerinnen und Schüler einer Sekundarschule aus Hamburg loggen sich auf der Digital Sparks-Plattform in ihren Teamcall ein. Bereits die letzten beiden Tage haben sie am Digital Spark Make it circular gearbeitet. Hierbei haben sie entdeckt, dass es verschiedene Formen der Wiederverwertung von Ressourcen gibt und was diese mit natürlichen oder technologischen Kreisläufen zu tun haben.

Nun sollen sie sich überlegen, welches Thema der Kreislaufwirtschaft sie weiter vertiefen wollen. Damit alle Interessen der Gruppe gehört werden, führen sie zunächst eine Diskussion und einigen sich dann auf das Thema biologische Verpackungsmaterialien. Auf einem interaktiven Whiteboard finden sie Hilfestellungen, um ihre Recherche durchzuführen und die Ergebnisse sinnvoll zu dokumentieren. Später am Tag werden sie das, was sie herausgefunden haben, selbständig in ein Lernprodukt ihrer Wahl überführen.

Am Freitag ist es dann endlich so weit: Die Lernprodukte aller Teams sind im digitalen Showroom (siehe Abbildung 2) der Digital Sparks hochgeladen. Die Produkte sind so verschieden wie die Themen und Gruppen, die an ihnen gearbeitet haben. Es gibt zum Beispiel Videos, Podcasts, Comics und eine Sonderausgabe der Schülerzeitung. Durch den Digital Showroom können alle Schülerinnen und Schüler erkunden, an welchen Themen die anderen Gruppen gearbeitet haben. Sie können Beiträge liken und kommentieren und in der Videokonferenz bleibt genügend Zeit, die Lernprodukte, aber auch den Prozess dahin, gemeinsam zu reflektieren.

Abbildung 2 Digital Sparks Showroom aus dem Spark »Make it Circular«

[Quelle: eigener Screenshot]

Zitate

Ich fand es so interessant zu erfahren, wie viele Materialien es schon gibt, die in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können. Wir haben eine Verpackung aus Pilzmyzel gefunden, die sich komplett wieder abbaut, und Papier, das aus Gras gewonnen wird. Das spart Wasser und verbraucht weniger CO2 als bei der Herstellung aus Holz.

Schüler*in 10. Klasse

Mir hat es besonders gefallen, zu erfahren, dass es schon so spannende Dinge gibt, die nicht umwelt­schädlich sind. Das macht so viel Hoffnung, dass wir Lösungen für die Probleme unserer Welt finden können.

Schüler*in 10. Klasse

2 Lernumgebungen für Future Skills

Das Education Innovation Lab ist ein gemeinnütziges Unternehmen. Wir arbeiten deutschlandweit als außerschulischer Partner, um Lern­materia­lien und -umgebungen zu entwickeln und umzusetzen. Hierbei steht im Fokus, jungen Menschen eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Herausforderungen unserer Zeit zu ermöglichen. Uns beschäftigt, was Lernende benötigen, um sich in einer global vernetzten Welt zurecht­zufinden. Das Konzept der Future Skills dient uns als Rahmen für die Kompetenzen, die wir fördern wollen. Dabei orientieren wir uns vor allen Dingen am Future Skills Framework 2021 (Hieronimus et al., 2022) und den Inner Development Goals (Ankrah et al., 2023). Methodisch arbeiten wir nach dem Ansatz des Design Thinkings (nutzerzentriertes Design) und nutzen verschiedene Ansätze aus der Zukunftsforschung.

Uns ist wichtig, dass junge Menschen unterschiedliche Perspektiven einnehmen können, diese verstehen, respektvoll mit anderen interagieren und Verantwortung für ein nachhaltiges Leben übernehmen. Wir bieten ihnen Methodensets, um sich mit alternativen Zukünften auseinander­zu­setzen und diese zu imaginieren. In unseren Lernumgebungen geht es darum, zu lernen, in Teams zu arbeiten, neue Perspektiven kennen­zu­lern­en, kritisch zu hinterfragen, Probleme zu lösen, Empathie zu zeigen und zielführend miteinander zu kommunizieren.

Das bedeutet, dass wir uns darauf konzentrieren, menschliche Qualitäten zu erkennen und zu verbessern, um den technologischen Fortschritt zu nutzen. Statt mit Technologien zu konkurrieren, sollten wir Fähigkeiten entwickeln, die sich mit ihren Stärken ergänzen. Dazu gehören Kompe­tenzen, die Lernende benötigen, um aktive Bürgerinnen und Bürger zu werden und nachhaltige und gerechte Zukünfte gestalten zu können. Denn heute wird das Morgen gestaltet und sie sind ein aktiver Teil davon. Dabei gehen wir davon aus, dass je stärker sich die Zukunft von der heuti­gen Welt unterscheiden wird, desto weniger dienen heutige Erfahrungen als Orientierungshilfe. Umso mehr sind zukünftige Generationen auf sich selbst angewiesen. Kompetenzen wie Selbstbestimmung, Selbstwirksam­keit, Gestaltungskompetenz und Kollaboration sind daher für uns von entscheidender Bedeutung.

Abbildung 3 Überblick über verschiedene Digital Sparks-Angebote auf der Digital Sparks-Website

[Quelle: eigener Screenshot]



2.1 Digital Sparks – Lernen, was wirklich zählt

Mit den Digital Sparks bieten wir eine Lernumgebung, in der wir genau das tun: jungen Menschen ab der 9. Klasse Möglichkeiten bieten, ihre Future Skills zu entfalten. Seit 2021 haben 9.499 Schülerinnen und Schüler von 166 Schulen auf der DSGVO-konformen Digital Sparks-Plattform gearbeitet, gelernt und innoviert. Die Teilnahme an den Digital Sparks ist für Schulen kostenlos und wird durch Stiftungsgelder finanziert.

Die Digital Sparks-Lernplattform ist eine digitale Lernplattform mit gesellschaftsrelevanten Themen am Puls der Zeit. Diese sind vielfältig, überfachlich und reichen von solchen Themen wie mentaler Gesundheit über Zukunftsforschung bis hin zu künstlicher Intelligenz und Diskrimi­nierung. Sie fördert Future Skills, digitales Gestalten, projektbasiertes Lernen und gibt Freiraum für kreative Projekte. Die Sparks bieten Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten, sich intensiv und fächer­übergreifend mit Themen auseinanderzusetzen. Sie sind darauf ausgelegt, in den regulären Unterricht integriert oder als Projektwoche durch­geführt zu werden. Das didaktische Framework bezieht sich hierbei auf Project Based Learning (PBL) – eine Lehr- und Lernmethode, die darauf abzielt, Lernenden durch die Arbeit an realen Projekten Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln, was wiederum den Lernprozess authentisch und relevant macht. Es fördert selbstgesteuertes Lernen und regt dazu an, Probleme zu identifizieren, kritisch zu denken, Lösungen zu entwickeln und diese zu präsentieren (Kokotsaki et al., 2016).

Abbildung 4 Zeitplan des Digital Sparks: Make it Circular

[Quelle: eigener Screenshot]



Alle Sparks sind in einem Dreischritt aufgebaut, Schülerinnen und Schüler durchlaufen selbstbestimmt die Phasen: Discover, Create und Share (siehe Abbildung 4). Die Phasen sind nicht nur eine sinnvolle Gliederungs­hilfe, sondern bilden auf einer Metaebene einen Prozess ab, den die Schülerinnen und Schüler in ihrem Leben beim Erschließen eigener rele­vanter Themen oft absolvieren werden. In der Discover-Phase geht es darum, sich einen Themenbereich zu erschließen und sich intensiv mit diesem auseinanderzusetzen. Dabei werden Schülerinnen und Schüler häufig dazu aufgefordert, eigene Annahmen kritisch zu hinterfragen und kreativ neu erlerntes Wissen in interaktiven Aufgaben auf einem digitalen Whiteboard anzuwenden. Während die Gestaltungsaufgaben in der Discover-Phase noch angeleitet werden, geht es in der Create Phase dann darum, zu selbstständigen Gestaltenden zu werden und ein eigenes Lernprodukt zu entwickeln. Die Schülerinnen und Schüler entscheiden sich für ein Thema, das sie interessiert, und erarbeiten ein eigenes Lern­produkt. Die Plattform bietet ihnen Anregungen, aber keine Ein­schränk­ungen, wenn es um Themenfindung und Ausgestaltung ihres Lern­produk­tes geht. In der Share-Phase geht es nicht nur darum, die Produkte der anderen Schülerinnen und Schüler kennenzulernen, sondern auch durch Reflexion der eigenen Arbeit einen Abschluss für die Lernreise zu finden. Während der ganzen Digital Sparks-Reise arbeiten sie in Gruppen, denn es ist uns wichtig, ihre Teamfähigkeit zu schärfen. Die Digital Sparks sind bewusst so gestaltet, dass sie Schülerinnen und Schüler herausfordern, selbständig und aktiv zu werden. Die Lernreisen funktio­nieren, weil Lernende sich darauf einlassen, ihre Future Skills anzuwenden und zu schleifen. Die klare Struktur hinter den Sparks ist dabei eine Hilfe. Sie zeigen, dass es Schülerinnen und Schülern möglich ist, sich für inten­sives Lernen zu begeistern, wenn Themen einen Lebensweltbezug haben, und herausarbeiten, inwiefern sie selbst als Akteurinnen und Akteure für das Thema relevant sind. Natürlich stellt die Plattform Schule und Lern­ende auch vor Herausforderungen, immer noch nicht alle Klassenzimmer sind auf digitales Lernen ausgelegt – es gibt Probleme mit W-LAN in Schulen, mangelndes Verständnis für Technik oder nicht ausreichend Endgeräte mit Kopfhörern. Nicht für alle Schülerinnen und Schüler ist es leicht, sich auf eine andersartige Weise des Lernens einzulassen, die Digital Sparks fordern sie dazu heraus, andere Fähigkeiten zu verwenden und selb­ständi­ger zu handeln. Um diesen Herausforderungen zu begeg­nen, wird die Digital Sparks-Lernplattform konstant mit dem Feedback der Schüler­innen und Schüler sowie Lehrpersonen weiterentwickelt, welches nach jeder Durchführung mittels einer digitalen, selbst entwick­elten Umfrage eingeholt wird.

Abbildung 5 Projekt Illustration Future Voices

[Quelle: Illustration von José Rojas]

2.2 Future Voices – Zukunftsstimmen für eine nachhaltige Welt!

Future Skills sind aus der heutigen Perspektive auf die Zukunft gerichtet. Es kann spannend sein, die Perspektive umzukehren und zu überlegen, was zukünftige Generationen benötigen, um in einer lebenswerten Zukunft existieren zu können. Aus dieser Perspektive lassen sich eventuell andere Bedarfe ableiten als aus den Vorstellungen unserer Gesellschaft heute. Die Skala der ungeborenen Generationen nach Nigel Hawtin und Roman Krznaric (siehe Abbildung 6) veranschaulicht auf eindrückliche Weise das Verhältnis der Menschen, die in den letzten 50.000 Jahren auf der Erde gelebt haben, zu denen, die gegenwärtig leben, und denen, die voraussichtlich in den nächsten 50.000 Jahren leben werden.

Unsere Handlungen und Entscheidungen heute werden das Leben dieser ungeborenen Generationen entscheidend beeinflussen. Future Skills sollten sich daher auch darauf beziehen, das Wohlergehen der ungebor­enen Generationen schon heute in Handlungs- und Entscheidungs­prozesse einbeziehen zu können.

Abbildung 6 Die Skale der ungeborenen Generationen

[Anmerkung: Diese Illustration stammt vom Education Innovation LAB und ist adaptiert aus The Good Ancestor: A Radical Prescription for Long-Term Thinking, von R. Krznaric (2020, S. 83).]



Unser Projekt Future Voice nutzte Methoden aus der Zukunftsforschung (Groß & Mandir, 2022) und dem spekulativen Design (Candy & Watson, 2015), um in die Lebenswelten möglicher Zukünfte einzutauchen und dort Erkenntnisse zu gewinnen, die uns heute dabei helfen können, Herausfor­derungen in der Gegenwart besser zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu definieren, die die Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft befördern. Das Projekt lief von Mai 2023 bis März 2024 und hatte drei aufeinander aufbauende Phasen. In der ersten Phase haben wir im Rahmen des PxP Festival 2023: Schule feiert Zukunft! das Future Voices Lab installiert und interessierten Schulen deutschlandweit digital einen Spark zum Thema Future Voices zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe einer Methode aus dem spekulativen Design (Candy & Watson, 2015) konnten dadurch circa 350 Schülerinnen und Schüler Artefakte aus der Zukunft generieren. Diese dienten dazu, etwas über das Leben in der Zukunft zu erfahren und gleichzeitig zu überlegen, welche Kritik an der Gegenwart sich in diesen zeigt. Die Ergebnisse reichten von einem Gesetzbuch für die Rechte der Meere über grüne Baumhäuser, die das Klima in der Stadt positiv beeinflussen und über solarbetriebene Aufzüge verfügen, bis hin zum Entwurf von Unterwasserstädten in einer Zukunft, in der das Leben auf der Erde nicht mehr möglich ist. Aber es gab auch Artefakte, die sich als Kritik an der Schule von heute lesen lassen. Eine Gruppe erarbeitete die Idee einer Weekly Dose of Inspiration. Diese ermöglicht Schülerinnen und Schülern an einem Tag in der Woche an einem Thema, das sie besonders interessant finden, zu arbeiten und die Ergebnisse mit den anderen zu teilen, so dass sich alle gegenseitig inspirieren können.

In der Auswertung der Ergebnisse wurde deutlich, dass junge Menschen in Sorge um die Überlebensfähigkeit des Planeten und ihre persönliche Zukunft sind und dass sie gleichzeitig in der Lage sind, kreativ mit Zukunfts­fragen umzugehen und spannende Ideen zu entwickeln. In der zweiten Phase des Projektes haben wir gemeinsam mit circa 20 Schüler­innen und Schülern Zukunftsszenarien in verschiedenen Workshops erarbeitet. Diese dienten uns als Ausgangspunkte, um zu identifizieren, welche Entwicklungen in der Gegenwart zu möglichen Szenarios in der Zukunft geführt haben.



3 Beispiel eines Szenarios aus dem Jahr 2055

Das Lernen der Menschen wird durch eine bewusstseinserweiternde Pflanze angereichert. Diese Pflanzen sind überall: in der Stadt, den Parks, der Schule, den Büros. Sie geben eine Substanz ab, die die Menschen zu mehr Leistung und Kreativität befähigt. Diese können mit Hilfe der Pflanze Dinge besser verstehen, einordnen und Probleme lösen. Das Lernen fällt den Menschen leicht, die Aufnahme ist nicht gesund­heits­schädlich, aber sie macht Menschen süchtig. Die Wirtschaft profitiert davon, dass alle produktiver und aufnahmefähiger sind.

Abbildung 7 Zukunftsbild einer möglichen Schule von morgen

[Anmerkung: Dieses Bild wurde mit DALL-E generiert, als Prompt dienten Ideen zu Zukunfts-Artefakten von jugendlichen Teilnehmenden unserer Workshops.]

In der dritten Phase des Future-Voices-Projektes wurden die Artefakte aus Phase 1 und die entwickelten Szenarien aus Phase 2 genutzt, um mit dem Ansatz Imaginary Future Generations (Groß & Mandir, 2022) aus dem Future Design einen Dialog zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Generationen zu initiieren. Die 25 Teilnehmenden des Dialogs, Akteur­innen und Akteure aus Bildungsinnovation, Politik und Verwaltung sowie Schülerinnen und Schüler, begegneten sich dazu in einem Rollenspiel­format mit frei wählbaren Rollen. Die Akteurinnen und Akteure der zukünftigen Generation analysierten die Szenarios und identifizierten Entwicklungen in der Gegenwart, die zu diesen geführt hatten. Im nächsten Schritt leiteten sie Maßnahmen für die Gegenwart ab, um die Szenarien zu verhindern oder möglich zu machen, je nachdem, ob es sich um positive oder negative Szenarien handelte. Die gegen­wärtige Gene­ration definierte die aus ihrer Perspektive wichtigsten Maßnahmen für eine zukunftsfähige Bildung.

Wir konnten beobachten, dass es für die jungen Menschen sehr einfach war, sich in die jeweiligen Zukunftsszenarien zu versetzen und aus diesen heraus zu argumentieren. Sie waren zudem in der Lage, sehr klar zu for­mulieren, wo die blinden Flecken des Bildungssystems liegen. Die Er­wachsenen haben zurückgemeldet, dass dieses Format ihnen Einblicke in die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler ermöglicht hat, die für sie sehr wertvoll und produktiv waren. Für uns hat sich hierbei bestätigt, dass es wichtig ist, Formate zu initiieren, in denen die Sicht von jungen Men­schen in die Gestaltung transformativer Lernumgebungen einbezogen werden. Die Fähigkeiten junger Menschen, ihre intuitive Verbindung zu Fragen unserer Gegenwart und ihr Ideenreichtum sind Ressourcen, die unseren Erfahrungen nach im aktuellen Bildungssystem zu wenig zum Tragen kommen.

Future Voices

Abbildung 8 Illustration zum Thema transformative Zukünfte

[Quelle: Illustration von José Rojas]



4 Zukunftsfähige Curricula – Schule von heute für morgen

Schülerinnen und Schüler teilen uns in unseren co-kreativen Workshops zu Themen der Schule der Zukunft immer wieder in verschiedensten Formen mit, dass sie das Gefühl haben, in der Schule nicht das lernen zu können, was sie interessiert und was sie benötigen, um handlungsfähig zu sein. Wagen wir also ein Gedankenexperiment: Was würde geschehen, wenn wir unsere Curricula an Future Skills und damit verbundenen The­men ausrichteten? Unsere praktischen Erfahrungen liefern hier diskus­sions­würdige Hypothesen: Wir steigern die Relevanz für die Zukunft, indem wir Lehrpläne auf Future Skills wie Digitalität, Innovations­kompe­tenz, Kreativität und Zusammenarbeit ausrichten. Auf diese Weise sind Schülerinnen und Schüler besser auf die Anforderungen einer sich wan­deln­den Gesellschaft und Arbeitswelt vorbereitet (Hieronimus et al., 2022). Und wir schaffen Raum für die Fragen, die junge Menschen heute umtreiben. Durch die Förderung interdisziplinärer Ansätze und die Inte­gration verschiedener Fächer und Themen können wir ein ganz­heit­liches Verständnis entwickeln und einen effektiven Transfer von Fähig­keiten und Wissen ermöglichen (OECD, 2020). Wir schlagen also vor, Lehrpläne flexibler zu gestalten und sie an neue Entwicklungen anzu­pas­sen, um Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, sich kontinuierlich weiter­zuentwickeln und eigene Interessen zu vertiefen. Außerdem gehen wir davon aus, dass eine verstärkte Ausrichtung auf praxisorientiertes Lernen in den Lehrplänen die Anwendung von Wissen in realen Situa­tio­nen fördern und das Leben außerhalb der Schule stärker in den Fokus rücken würde. Wir würden die Weiterentwicklung und das Lernen als Mensch ins Zentrum stellen und somit Schülerinnen und Schülern ermög­lichen, ihre Ideen in die Gestaltung einer nachhaltigen und gerechten Gesell­schaft einzubringen. Die jungen Menschen, die heute in den Klassen­zimmern sitzen, werden den Problemen der Zukunft begegnen. Wir haben die Verantwortung, sie dabei bestmöglich zu unterstützen.



DIE AUTORINNEN

Manuela Mohr ist Mitgründerin und Co-Geschäftsführerin des Education Innovation Lab in Berlin. Sie hat neben ihrem medienwissenschaftlichen Studium einen Master in Arts and Media Administration abgeschlossen und in den letzten Jahren ihre Expertise in den Aufbau von neuen Bildungs­initiativen eingebracht. Sie ist mit Leidenschaft Sozialunternehmerin und insbesondere mit der Konzeption und Einführung von neuen Produkten für soziale Bildungsinnovation vertraut. Neben ihrer Arbeit berät sie junge Unternehmerinnen und Unternehmer, ist im Beirat von #wirfürschule, Co-Creatorin von Future Skills und engagiert sich für bildungspolitische Netzwerke.



Susanne Stövhase ist Mitgründerin und Co-Geschäftsführerin des Education Innovation Lab in Berlin. Sie verbindet Expertise aus bildender Kunst, Public Entrepreneurship und 21st Century Learning. Ihr Schwerpunkt im Education Innovation Lab liegt in der Konzeption und Umsetzung innovativer Lern­for­mate und inspirierender Lernmaterialien. Ihre Leidenschaft ist es, Bilder für gesellschaftliche Veränderungen zu schaffen und diese anfassbar zu machen.



Jorina Sendel studierte im Bachelor Psychologie in Kiel und widmete sich dann vollumfänglich dem Thema der Bildungstransformationen, in dem sie ihren Master in Changing Education an der University of Helsinki (Finnland) abschloss. Sie setzt sich sowohl im nationalen als auch internationalen Kontext für gerechte und zukunftsfähige Bildung ein, die ihrer Meinung nach nur durch Zusammenarbeit aller Generationen erreicht werden kann. Sie unterstützt das Education Innovation Lab mit ihrer vielseitigen Expertise aus Wissenschaft und Praxis.



LINKS



LITERATURVERZEICHNIS

Ankrah, D., Bristow, J., Hires, D. & Artem Henriksson, J. (2023). Inner Development Goals: from inner growth to outer change. Field Actions Science Reports. The journal of field actions, (Special Issue 25), 82–87.

Candy, S. & Watson, J. (2015). The thing from the future. The APF methods anthology. Association of Professional Futurists.

Groß, B. & Mandir, E. (2022). Zukünfte gestalten: Spekulation. Kritik. Innovation. Mit »Design Futuring« Zukunftsszenarien strategisch erkunden, entwerfen und verhandeln. Verlag Hermann Schmidt.

Harari, Y. N. (2018). 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert. Beck. https://doi.org/10.17104/9783406727795. Abgerufen am 10.05.24.

Hieronimus, S., Klier, J., Kirchherr, J., Meyer-Guckel, V. & Winde, M. (2022). 21 Kom­petenzen für eine Welt im Wandel (S. 75–83). Schäffer-Poeschel eBooks. https://doi.org/10.57088/978-3-7910-5675-3_4. Abgerufen am 10.05.24.

Kokotsaki, D., Menzies, V. & Wiggins, A. (2016). Project-based learning: A review of the literature. Improving schools, 19(3), 267–277.

OECD (Organization for Economic Cooperation and Development) (2020). OECD Lernkompass 2030. OECD-Projekt Future of Education and Skills 2030. Rahmenkonzept des Lernens. https://www.joeran.de/wp-content/dox/sites/10/OECD-Lernkompass-2030-Web.pdf. Abgerufen am 10.05.24.



FOKUS: KI ALS INHALT UND METHODE DES DIGITALEN LERNENS

01 · KI-CAMPUS: KOSTENLOSE UND OFFEN LIZENZIERTE LERNANGEBOTE IN DIE HOCHSCHULE INTEGRIEREN ⸺

FLORIAN RAMPELT · RAFFAEL RUPPERT · ELIZAVETA CHAIKEVITCH · MIKE BERND Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e. V.

Der KI-Campus, eine kostenfreie digitale Lernplattform für Künstliche Intelligenz (KI), hat seit seiner Einführung eine bemerkenswerte Reso­nanz auf seine Angebote wie Kurse, Videos und Podcast in Deutsch und Englisch erfahren. Dieser Beitrag untersucht seinen Werdegang von einem Forschungsprojekt zu einem etablierten Bildungsangebot und beleuchtet seine Rolle bei der Förderung von Future Skills in der Hoch­schulbildung. Basierend auf Nutzungsdaten und demografischen Infor­mationen zeigt sich eine breite Akzeptanz und vielfältige Nutzung des KI-Campus in der Hochschullandschaft. Drei Szenarien illustrieren die effektive Integration des KI-Campus in Lehr- und Lernprozesse an Hochschulen. Abschließend werden mögliche Implikationen für die zukünftige Entwicklung und Verbreitung digitaler Lernplattformen in der Hochschulbildung diskutiert.



1 KI-Campus: KI-Kompetenzen durch kosten­lose digitale Lernangebote für alle stärken



1.1 Kostenlose digitale Lernangebote auf dem KI-Campus

Der KI-Campus ist eine deutsch- und englischsprachige Lernplattform für Künstliche Intelligenz mit kostenlosen Online-Kursen, Videos und Pod­casts zur Stärkung von KI- und Datenkompetenzen. Als Forschungs- und Entwicklungsprojekt (F&E-Projekt) wird der KI-Campus seit 2019 unter anderem als Teil der KI-Strategie (Die Bundesregierung 2028) und der Digital-Strategie der Bundesregierung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Der Stifterverband entwickelt das Projekt gemeinsam mit Partnern wie der Charité, dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), der Dualen Hoch­schule Baden-Württemberg (DHBW), der FernUniversität in Hagen oder der Humboldt-Universität zu Berlin und hat ab 2020 mit diesen und vielen weiteren Partnern über 70 digitale Lernangebote im breiten Themenfeld der KI entwickelt. (Der Einführungskurs KI für alle der HHU Düsseldorf wird im nachfolgenden Beitrag noch ausführlicher durch die Lern­angebots­erstellenden selbst vorgestellt.)

Die Mission des KI-Campus besteht darin, KI-Kompetenzen durch kosten­lose digitale Lernangebote für alle zu stärken (Rampelt et al., 2023). Die Lernplattform beinhaltet eine Vielzahl von Online-Kursen und digitalen Lernangeboten in vielfältigen Formaten, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. Der Fokus des KI-Campus liegt dabei auf der Stär­kung von KI-Kompetenzen in Hochschulen. Weitere übergreifende The­men­bereiche sind KI in der Schule, in der Medizin und in Unternehmen.

Mit dem Ziel der regionalen Verankerung und Wirksamkeit wird der KI-Campus seit 2022 durch ein Partnerprojekt in Baden-Württemberg (KI-Campus-Hub BaWü) mit Förderung durch die Dieter Schwarz Stiftung ergänzt, das Teil des dortigen Innovation Park Artificial Intelligence (IPAI) ist. Beteiligt sind als Partner des Stifterverbandes unter anderem die TU München, die DHBW, die Hochschule Heilbronn, Fraunhofer IAO und appliedAI (KI-Campus | Stifterverband, 24.11.2022).

Im Rahmen des KI-Campus wurden für die unterschiedlichen Themen­felder, besonders aber aufgrund des hochschulischen Fokus, zunächst Online-Kurse als Schwerpunkt gesetzt, gleichzeitig auch frühzeitig weitere digitale Formate wie Videos, Podcasts, Simulationen und Pro­grammierumgebungen als Lernangebote für unterschiedliche Wissens- und Kompetenzbedarfe zur Verfügung gestellt.

Alle Lernangebote sind dabei kostenlos und unterliegen einer offenen Lizenz (im Regelfall CC BY-SA 4.0). Offene Bildungsressourcen (OER) sind zentraler Bestandteil des KI-Campus: Alle Materialien, Inhalte und Formate können nicht nur kostenlos genutzt, sondern auch weiter­verbrei­tet, adaptiert und neu zusammengestellt werden. Einzige Bedingung ist die Beibehaltung der Lizenz und eine Nennung des ursprünglichen Urhebers der Lernangebote. Dies bedeutet, dass Lehrende und Lernende den KI-Campus und seine Inhalte jederzeit nutzen, kopieren und auch adaptieren können, ohne dafür um Erlaubnis zu bitten. Das Leitprinzip, KI-Kompetenzen mit kostenlosen, offenen und kooperativen Ansätzen zu stärken, ist hier besonders ausgeprägt.

In diesem Beitrag soll dargestellt werden, wie sich der KI-Campus von einem F&E-Projekt zu einer in der Bildungspraxis in unterschiedlichen Bildungsbereichen genutzten Lernplattform entwickelt hat, welche Nutzungsmöglichkeiten durch Lehrende es gibt und welche Beispiele für eine Integration in die Hochschulbildung als gute Praxis für das Thema Future Skills an Hochschulen allgemein aufgegriffen werden können.



1.2 Entwicklung der Nutzungszahlen 2020–2024

Der KI-Campus wurde im Juli 2020 in einer ersten Beta-Version ver­öffentlicht. Seit Anfang September 2020 (erster Messzeitpunkt) bis Ende Juni 2024 haben über 1.300.000 Personen den KI-Campus besucht. Betrachtet über den Zeitrahmen seit

Beginn konnte die Plattform ein konstantes Wachstum verbuchen, sodass inzwischen circa 70.000 Besucherinnen und Besucher pro Monat auf Inhalte des KI-Campus zugreifen. Das aktuelle Wachstum lässt sich dabei insbesondere auf die Verbreitung und Nutzung von generativen KI-&-Sprachmodellen und damit einhergehende Wissens- und Qualifizierungs­bedarfe in der Breite zurückführen, da vermehrt nach Schulungsangebo­ten gesucht wurde. Aber auch die konstante Erweiterung des Portfolios, von einführenden bis hin zu domänenspezifischen Kursen, führt immer wieder zur Ansprache neuer Zielgruppen.

Abbildung 1 Monatliche Besuche des KI-Campus

[Quelle: eigene Darstellung]

Abbildung 2 Eigene Darstellung der registrierten Profile im Portal des KI-Campus

[Quelle: eigene Darstellung]



Der KI-Campus stellt als Plattform zahlreiche Informationen und Formate kostenlos und ohne Registrierung zur Verfügung. Diese reichen von einzelnen Blogposts, Videos oder Simulationen bis hin zu umfangreichen frei verfügbaren Online-Kursen. Mehr als 60.000 Menschen haben sich für eine vertiefte und personalisierte Nutzung des KI-Campus im Portal registriert (siehe Abbildung 2) und es wurden über 85.000 Kursanmel­dungen vorgenommen und über 20.000 Zertifikate ausgestellt. Zusätzlich konnte ein ohne Registrierung direkt in die Website integrierter Online-Kurs zur Datenkompetenz in Zusammen­arbeit mit dem Deutschen Volkshochschulverband über 37.000 einzelne Nutzerinnen und Nutzer erreichen. Die KI-Campus-Podcasts verzeichnen seit ihrer Einführung über 80.000 Downloads und Streams, der YouTube-Kanal insgesamt über 2,5 Millionen Aufrufe und mehr als 30.000 Stunden Wiedergabezeit.



1.3 Nutzerinnen und Nutzer sowie Lernende auf dem KI-Campus

Der KI-Campus steht als offene Lernplattform mit deutsch- und englisch­sprachigen Lernangeboten grundsätzlich allen Personen zur Verfügung. Er fokussiert sich in seiner Bildungsarbeit aber klar auf Deutschland, Österreich und die Schweiz und im Kernangebot besonders auf die Zusammenarbeit mit und die Integration in Hochschulen. Der geogra­phische Fokus seiner Kooperationen spiegelt sich auch in den Zugriffen auf das Portal wider. Knapp über 80 Prozent der Zugriffe auf den KI-Campus erfolgen aus Deutschland, weitere 10 Prozent aus anderen europäischen Ländern.

Der KI-Campus erfasst sowohl von den Personen, die ohne Registrierung das Portal nutzen, als auch von den Personen, die sich mit einem Profil registrieren, nur möglichst wenig personenbezogene Daten (Name und E-Mail-Adresse). Lernende, die sich in einem der Kurse registrieren, erhal­ten jedoch die Möglichkeit, an Umfragen teilzunehmen. Mit deutlich über 11.000 erfassten Datensätzen (Stand: Januar 2024), gewonnen aus einer freiwilligen Umfrage vor Kursbeginn, liegt eine solide Grundlage vor, um repräsentative Erkenntnisse über KI-Campus-Lernende zu gewinnen.

So sind 55,5 Prozent der erfassten Lernenden männlich, ein Anteil von 37,3 Prozent weiblich, 0,5 Prozent divers und knapp 7 Prozent ohne Angabe. Lernende auf dem KI-Campus stammen aus allen Altersgruppen, wobei die größte Gruppe 18- bis 29-Jährige mit 36,1 Prozent ausmacht, gefolgt von 30- bis 39-Jährigen mit 24,5 Prozent. Insgesamt ist die jüngere Zielgruppe stärker vertreten, aber auch ältere Altersgruppen finden sich zu einem beträchtlichen Teil wieder (siehe hierzu Tabelle 1).

Tabelle 01 Soziodemografika der KI-Campus-Nutzerinnen und -Nutzer

Anmerkung: N = 11.938

[Quelle: eigene Darstellung]

In Bezug auf die Motivation zur Nutzung der Angebote des KI-Campus geben 85,7 Prozent an, ein inhaltliches Interesse am Thema des Kurses zu haben. Auf die Frage nach den Zielen, die sie mit dem Abschluss des Kurses erreichen möchten, antworteten 62,2 Prozent, beruflich auf dem neuesten Stand bleiben zu wollen. 50,1 Prozent geben an, bei gesell–schaftlichen Trends und Entwicklungen auf dem Laufenden bleiben zu wollen. Nur 35,5 Prozent der Befragten streben nach eigener Aussage mit der Nutzung eines KI-Campus-Kurses auch ein Zertifikat an. Eine interessante Erkenntnis der allgemeinen Kursbefragung ist, dass eine signifikante Anzahl (14,5 Prozent bis Januar 2024) der Befragten angibt, Materialien des KI-Campus auch für die eigene Lehre nutzen zu wollen. Dies ist als ein Indikator zu verstehen, dass sich einige Person auf dem KI-Campus in einer Doppelrolle befinden: Sie sind einerseits KI-Lernende, die mit dem KI-Campus ihr Wissen und ihre Kompetenzen erweitern, andererseits KI-Lehrende, zum Beispiel als Hochschuldozierende, als Weiterbildnerinnen und Weiterbildner oder als Lehrkraft in der Schule, die mit dem KI-Campus ihre Lehre inhaltlich und in Bezug auf neue oder ergänzende Formate anreichern können.



2 KI-Lehrende mit offenen Bildungsressourcen stärken: erste Umfrageergebnisse

Basierend auf den ersten Erkenntnissen aus den allgemeinen Kurs­befragungen des KI-Campus, wurden über eine gezielte Umfrage unter Nutzer­innen und Nutzern des KI-Campus KI-Lehrende gesucht und deren Nutzung und Integration von KI-Campus-Formaten abgefragt. Über eine Online-Umfrage konnten im Oktober 2023 insgesamt 260 Pädagoginnen und Pädagogen aus unterschiedlichen Bildungsbereichen identifiziert werden. Von den insgesamt 260 Personen, die auf die Umfrage ant­worteten, stammt die Mehrheit aus dem Bereich der Hochschulland­schaft (52,3 Prozent). 30,4 Prozent sind dem Bereich der Fort- und Weiterbildung zuzuordnen. 11,3 Prozent stammen aus dem schulischen Bereich. Insgesamt stellen die Lehrenden dem KI-Campus ein positives Zeugnis aus, was ihre allgemeine Zufriedenheit betrifft. Über 90 Prozent sind mit den Angeboten des KI-Campus sehr zufrieden oder eher zu­frieden. 79 Prozent der Lehrenden geben auch an, dass ihre Lernenden positiv auf die Lernangebote reagiert hätten.

Abbildung 3 Zufriedenheit mit Lernangeboten

[Quelle: eigene Darstellung]



Eine zentrale Frage für die Nutzung von digitalen Lernangeboten als offene Bildungsressourcen für die eigene Lehre und Bildungsarbeit ist, welche Formate überhaupt Mehrwert für Lehrende schaffen und passend erscheinen. So scheint es wenig überraschend, dass in Beantwortung der Frage »Welche Lernangebote beziehungsweise digitalen Formate des KI-Campus haben Sie bereits in ihre Lehre oder Bildungsarbeit integriert?« die Nutzung von einzelnen Teilen und Modulen eines Kurses (53,5 Prozent) dominiert, während nur 32,3 Prozent der befragten Lehrenden ganze Kurse für ihre eigene Bildungsarbeit verwenden können.

Dies zeigt, dass Lehrende sich Inhalte eher nach individuellen Bedarfen zusammenstellen und sich einzelne Inhalte und Formate als passgenaue Ergänzung aussuchen. Neben den Kurs-Modulen sind es vor allem noch kleinteiligere Formate (auch als Learning Nuggets oder Micro-Content bezeichnet) wie Videos (38,5 Prozent) und Übungen/Simulationen (26,5 Prozent), die genutzt werden.

Abbildung 4 Nutzung & Integration

[Quelle: eigene Darstellung]



Diese übergreifenden Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Lehrende in ganz unterschiedlichen Ausprägungen den KI-Campus nutzen. Im Folgenden werden Beispiele und Indikatoren dargestellt, wie dies insbesondere im Hochschulbereich erfolgen kann.



3 KI als Thema in Hochschulen integrieren: Indikatoren und Szenarien



3.1 Übergreifende Nutzung der Lernangebote des KI-Campus durch Hochschulangehörige

Eine zentrale Priorität des KI-Campus ist die Nutzung und Integration seiner digitalen Lernangebote beziehungsweise seiner offenen Bildungs­ressourcen in Hochschulen im DACH-Raum. Insbesondere in Bezug auf die Hochschulen, die bereits eigene Online-Kurse auf und mit dem KI-Campus entwickelt oder formale Schnittstellen und Kursadaptionen angefragt haben, liegen gute übergreifende Informationen zur Institution sowie zu Umfang und Art der Nutzung vor. Von besonderem Interesse in Bezug auf eine Breitenwirkung ist aber die Frage, an welchen Hoch­schulen und in welcher Form der KI-Campus darüber hinaus genutzt wird.

Für die registrierten Profile auf dem KI-Campus gibt es nur drei über­greifende Angaben, die für vergleichende Analysen herangezogen werden können: Vorname, Nachname und E-Mail-Adresse. Ein erster Indikator für die Nutzung des KI-Campus im hochschulischen Kontext kann auf dieser Grundlage die Registrierung mit einer eindeutig insti­tutionellen E-Mail-Adresse sein. E-Mail-Adressen können dabei nur aus den beiden Learning-Management-Systemen ausgelesen werden, die Lernenden müssen also für mindestens einen Kurs in openHPI oder Moodle eingeschrieben sein. Dies ist bei knapp 55.000 der gut über 60.000 registrierten Profile der Fall. Im März 2024 wurden daher nach Berei­nigung von Duplikaten 47.000 E-Mail-Adressen anonymisiert in Bezug auf ihre Domain-Endungen hin untersucht. Mittels eines Clustering­verfahrens konnten mehrere Kategorien herausgearbeitet werden: Kommerziell, Hochschule, Unternehmen, Schule, Sonstige.

Die Kategorie Kommerziell enthält unter anderem E-Mail-Domains wie gmail.com, hotmail.com, gmx.de oder web.de. Auf Sie entfällt mit über 25.000 erfassten Domains ein Großteil der analysierten E-Mail-Endungen. KI-Campus-Registrierungen mit einer kommerziellen beziehungsweise privaten E-Mail-Adresse können grundsätzlich auch im Rahmen einer Nutzung im Bildungs- oder Hochschulkontext erfolgt sein, es lassen sich darauf unabhängig von weitergehenden Befragungen jedoch keinerlei Rückschlüsse ziehen.

Daher erfolgte eine weitergehende Analyse der verbliebenen ca. 22.000 E-Mails nach den Kategorien Hochschule, Schule, Unternehmen und Sonstige. Die Kategorie Hochschule setzt sich unter anderem aus klaren Hoch­schul­bezeichnungen und/oder Keywords wie stud, uni oder campus zusammen und umfasst ausschließlich eindeutig hochschulischen Institutionen zuordenbare E-Mail-Domains. Teilweise wurden für dieselbe Institution auch mehrere E-Mails erfasst, zum Beispiel wenn es sowohl die Domain @hu-berlin.de als auch die Domain @stud.hu-berlin.de gibt.

Im zweiten Schritt der Analyse wurde als ein möglicher Indikator für eine zielgerichtete Nutzung (und/oder Bewerbung) des KI-Campus an einer Hochschule die Registrierung von mindestens zehn eindeutig der Hoch­schule zuordenbaren Profilen festgelegt.

Auf dieser Grundlage wurden mehr als 160 Hochschulen identifiziert, die mit mehr als zehn Registrierungen auf dem KI-Campus vertreten sind. Von über 70 Hochschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich mindestens 30 Personen mit ihrer institutionellen E-Mail-Adresse registriert, was zum Beispiel auf die Nutzung in einem Seminar hindeuten könnte. Die Top 20 der Hochschulen, die Angebote des KI-Campus nutzen (vgl. Tabelle 2), bewegen sich zwischen 105 und 929 auf dem KI-Campus registrierten Profilen.

Tabelle 02 Top 20 der Hochschulen, die Angebote des KI-Campus nutzen, geordnet nach Kurseinschreibungen mit institutionellen E-Mail-Domains (Stand: Juni 2024)

[Quelle: eigene Darstellung]

Diese Zwischenergebnisse und Indikatoren deuten auf eine bereits bestehende breite Verbreitung des KI-Campus als Informationsquelle zum Thema KI und als Ressource für unterschiedliche hochschulische Lehr-/Lernszenarien hin, die zunehmend Sichtbarkeit, Akzeptanz und Relevanz im Hochschulbereich erfährt. Im Folgenden sollen drei konkrete Beispiele für eine Integration in die Hochschullehre vorgestellt werden, die sich auch in den zuvor dargestellten Anmeldezahlen widerspiegeln.



3.2 Szenario 1: Verpflichtende Integration von KI-Campus-Lernangeboten in die Hoch­schul­lehre (HU Berlin)

Hochschule: HU Berlin Semester: WS 2023/24 Genutzte Lernangebote: • KI und Leadership • KI für alle: Einführung in die Künstliche Intelligenz • Data Literacy – Basiskurs Data Lifecycle • Von der Datenanalyse zur Datengeschichte • Was, wie, warum? Einführungskurs Kausale Inferenz

Abbildung 5 Kurs »KI und Leadership« auf der Online-Plattform des KI-Campus

[Quelle: KI-Campus]



Im Wintersemester 23/24 wurde am Career Center der Humboldt-Universität zu Berlin in drei Kursen (Modulen) des überfachlichen Wahlpflichtbereichs KI-Campus-Material eingesetzt. Die Kurse fanden im Blended-Format statt, wobei das KI-Campus-Material als verpflichtendes Selbstlernmaterial online bearbeitet und in gemeinsamen Präsenzterminen vertieft wurde (Flipped-Classroom-Ansatz). Die Vertiefung fand je nach Kurs in Form von praktischen Programmierübungen, Vorträgen oder Gruppenpräsentationen und -hausarbeiten statt.

Jedes Modul des Überfachlichen Wahlpflichtbereichs umfasst fünf Leistungspunkte und wird mit einem individuellen Leistungsnachweis mit dem Attribut »Bestanden« abgeschlossen. Die Leistungspunkte sind entsprechend den Studien- und Prüfungsordnungen in den jeweiligen Studiengängen anrechenbar. Aus den folgenden KI-Campus-Kursen wurde Material verwendet: KI und Leadership, KI für alle: Einführung in die Künstliche Intelligenz, Data Literacy – Basiskurs Data Lifecycle, Von der Datenanalyse zur Datengeschichte und Was, wie, warum? – Einführungskurs Kausale Inferenz.



3.3 Szenario 2: Anerkennung von KI-Campus-Kursen für die Hochschullehre (Universität Basel)

Hochschule: Universität Basel Modul: Digitalisierung in der Medizin Semester: WS 2023/24 Genutzte Lernangebote: Dr. med. KI – Basics Workload: 5 ECTS

Abbildung 6 Kurs »Dr. med. KI-Basics« auf der Online-Plattform des KI-Campus

[Quelle: KI-Campus]



Ein weiteres Beispiel für die Integration und Anerkennung eines voll­umfänglichen Online-Kurses im Bereich des Pflichtcurriculums bildet das Basler Modul, welches am Universitätsspital Basel im Bachelor­studien­gang angeboten wird. Der vollständig in der Moodle-Lern­umgebung des KI-Campus zu absolvierende Online-Kurs wird durch drei hybride Ver­anstaltungsformate zu Semesterbeginn, -mitte und -ende flankiert. Das weitgehend selbstgesteuerte Format ist Teil des Moduls Digitali­sierung in der Medizin, welches im ersten Semester angeboten und mit insgesamt 30 ECTS vergütet wird.

Der Online-Kurs Dr. med. KI-Basics von Charité und Stifterverband bildet hierbei die Grundlage. Mit kleineren inhaltlichen Anpassungen und Ergänzungen zu den Themen Datenschutz und Ethik wird das Lernangebot exklusiv für die Studierenden des Universitätsspitals durch den KI-Campus bereitgestellt. Der Zugang zum Kurs erfolgt über einen Link, der mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu Semesterbeginn geteilt wird. In der Folge absolvieren sie das Lernangebot im Rahmen des eigenen Zeitmanagements und schließen den Kurs erfolgreich ab, indem sie zwei summative Prüfungen (»Lernziel-Checks«) zu Kursmitte und -ende erfolgreich absolvieren. Die Lehrenden prüfen abschließend die Ergebnisse und geben diese an das zuständige Dekanat weiter, wodurch die Gutschrift der Credits erfolgen kann.



3.4 Szenario 3: Nutzung des KI-Campus für die wissenschaftliche Weiterbildung (HU Berlin)

Hochschule: HU Berlin Modul: KI-Lehrzertifikat Semester: WS 2023/24 ff. Genutzte Lernangebote: • KI für alle: Einführung in die Künstliche Intelligenz • Daten- und Algorithmenethik • AI_VET – KI im Kontext von Lehren und Lernen • Sprachassistenzen als Chance für die Hochschullehre

Abbildung 7 Kurs »KI für alle« auf der Online-Plattform des KI-Campus

[Quelle: KI-Campus]



An der Humboldt-Universität zu Berlin wird in der Stabsstelle Career Center und Wissenschaftliche Weiterbildung in Zusammenarbeit mit dem weiteren BMBF-geförderten KI-Projekt AI-Skills ein KI-Lehrzertifikat für Lehrende der HU angeboten. Den theoretischen Teil des Zertifikats bildet ein KI-Micro-Degree, das insgesamt 100 Arbeitseinheiten (= 100 Zeit­stunden) umfasst. Die Inhalte des KI-Micro-Degrees sind aus Lern­ange­boten des KI-Campus kuratiert. Es umfasst drei Micro-Credentials: KI-Grundlagen, KI-Vertiefung und Ethik sowie KI-Didaktik in der Hoch­schul­lehre. Abgeschlossen werden die Micro-Credentials jeweils mit einer schrift­lichen Reflexionsaufgabe (Assessment), die die Übertragung des Gelern­ten in den eigenen Fachbereich sicherstellt. Das Micro-Degree wird von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im individuellen Lern­tempo selbstständig bearbeitet, wobei für technische und inhaltliche Fragen eine regelmäßige offene Sprechstunde angeboten wird. Inhalte aus den folgenden KI-Campus-Kursen wurden verwendet: KI für alle: Einführung in die Künstliche Intelligenz, Daten- und Algorithmenethik, AI_VET – KI im Kontext von Lehren und Lernen und Sprachassistenzen als Chance für die Hochschullehre.



4 Future Skills in Hochschulen integrieren: KI und digitale Lernplattformen als Ermöglicher eines übergreifenden Wandels

Der Praxisbericht zum KI-Campus zeigt anhand von konkreten Beispielen und Daten seiner Plattform sowie mithilfe erster Erhebungen unter (KI-)Lehrenden und Partnerinstitutionen starke Potenziale zur Integration von KI als Inhalt in die Hochschullehre auf. Die Besonderheit ist dabei die Nutzung von offenen Bildungsressourcen (OER) und digitalen Plattformangeboten als Hebel für eine Breitenwirkung der KI-Bildung an Hochschulen im deutschsprachigen Raum. Das Ziel: Bis 2030 sollen mindestens 100 Hochschulen offene KI-Bildungsressourcen des KI-Campus nutzen.

Die Anzahl der bereits erreichten Lernenden, Lehrenden und Institutionen lässt dies nicht nur realistisch erscheinen, sondern gleichzeitig auch Rückschlüsse zu, die allgemein für Fragestellungen zur Integration von Future Skills in Hochschulen relevant sein können. Die Möglichkeiten digitaler Plattformen, verknüpft mit einem konsequenten Anspruch von Offenheit und Kooperation als Leitbild für die Hochschullandschaft, bieten großes Potenzial auch für viele weitere Themen. KI als Megatrend mit Relevanz für jede einzelne Hochschule und Bildungseinrichtung scheint dabei der geeignete Anknüpfungspunkt um notwendige Prozesse, Strukturen und Formate schneller umsetzen zu können, als dies bisher möglich war.

Ergänzt werden muss dabei der in diesem Beitrag skizzierte Aspekt der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema KI durch länderübergreifende Initiativen zur Stärkung von KI-Infrastrukturen und -Sprachmodellen für die Bildung. Zukunftsfähige KI-Bildung benötigt nicht nur gute Inhalte und Bildungsressourcen, sondern auch leistungsfähige und idealerweise offene Bildungstechnologien, die das Lehren und Lernen in allen Fachbereichen in Zukunft mehr denn je prägen und begleiten werden. Auch der KI-Campus will hier gemeinsam mit seinen Partnern einer der gemeinwohlorientiert mitgestaltenden Akteure sein.





DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

Florian Rampelt ist Programmleiter für Digitale Bildung und Geschäfts­stellen­leiter des KI-Campus beim Stifterverband in Berlin. Er hat Staats­wissen­schaften (B.A.), Lehramt an Mittelschulen (1. Staatsexamen) und Bildungs- und Erziehungswissenschaften (M.Ed.) studiert. Der Bildungs- und Erziehungswissenschaftler arbeitet an einer zukunftsfähigen Aus- und Weiter­bildung für die digitale Transformation. Seine Forschung fokussiert sich derzeit auf Wissen, Kompetenzen und Qualifikationen zu Künstlicher Intelligenz und Fragen der Anerkennung.



Raffael Ruppert betreut die Datenarbeit und Begleitforschung des KI-Campus beim Stifterverband. Er hat Politikwissenschaft an der Sciences Po in Paris und der Freien Universität in Berlin (M.A.) studiert. Sein Fokus liegt auf der Aufarbeitung von Daten für die nutzerzentrierte Weiterentwicklung des KI-Campus sowie der Untersuchung von Lernendenverhalten.



Mike Bernd koordiniert beim KI-Campus den Bereich Lernangebote und Ideenwettbewerbe. Zuvor war er als Manager für Qualitätssicherung bei Kiron Open Higher Education sowie als Instructional Designer an der HAW Hamburg tätig. Während seiner Zeit als Stellvertretender Projektleiter an der University of Shanghai for Science & Technology entwickelte er hybride Kursformate im Kontext der digitalisierten Lehre. Mike Bernd studierte unter anderem Sozial- und Kulturanthropologie an der Freien Universität Berlin und Sinologie an der Humboldt-Universität zu Berlin.



Elizaveta Chaikevitch arbeitet im Team Begleitforschung des KI-Campus beim Stifterverband. Sie studiert aktuell Psychologie mit Schwerpunkt Klinische Psychologie an der Universität Potsdam (M.Sc.). Sie interessiert sich insbesondere für die Interaktion zwischen Mensch und Technologie und ihre Implikationen in der Gesundheitsversorgung.



LITERATURVERZEICHNIS

Die Bundesregierung (2018). Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung (November) (S. 1–47). https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1550276/3f7d3c41c6e05695741273e78b8039f2/2018-11-15-ki-strategie-data.pdf. Abgerufen am 18.06.2024.

KI-Campus | Stifterverband (2022, 24. November). Stifterverband startet regionalen Hub des KI-Campus für Baden-Württemberg. https://ki-campus.org/press/hub-bw. Abgerufen am 21.03.2024.

Rampelt, F., Pinkwart, N., Schmid, U., Staubitz, T., Zimmermann, V., Bernd, M. et al. (2023). KI-CAMPUS 1.0 Abschlussbericht der Ersten Förderphase (Oktober 2019-Dezember 2022). KI-Campus. https://zenodo.org/record/7924462. Abgerufen am 18.06.2024.







FOKUS: KI ALS INHALT UND METHODE DES DIGITALEN LERNENS

02 · KI FÜR ALLE! EIN INTERDISZIPLINÄRES SELBSTLERNANGEBOT ZU KÜNSTLICHER INTELLIGENZ

KATARINA BOLAND · MARC FEGER · LUDMILA HIMMELSPACH · JACQUELINE KLUSIK-ECKERT · MARIE VON LOBENSTEIN · MAIKE MAYER · ANN-KATHRIN SELKER · KATJA THEUNE* Heine Center for Artificial Intelligence and Data Science (HeiCAD), Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

*alphabetische Reihenfolge

Künstliche Intelligenz (KI) wird zunehmend in nahezu allen akademischen und beruflichen Bereichen, aber auch im persönlichen Alltag relevant. Das Verständnis, die korrekte Anwendung und auch eine kritische Reflexion von KI-Systemen sind daher von großer Bedeutung. Hier setzt das Projekt ai4all mit den Kursen KI für Alle 1+2 mit dem Ziel an, ein interdisziplinäres und voraussetzungsfreies Online-Lernangebot zur KI-Grund- und Weiterbildung für Studierende und weitere Interessierte zu schaffen, mit besonderem Fokus auf AI Literacy. Der Kurs wird sowohl für Studierende der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als auch für weitere Zielgruppen über den KI-Campus offen und kostenlos angeboten.



1 Einleitung

Künstliche Intelligenz (KI) hat sich in den letzten Jahren zu einem viel verwendeten Schlagwort entwickelt. Viele Anwendungen werden mittler­weile als »KI« bezeichnet oder basieren angeblich darauf. Doch was wirk­lich dahintersteckt, welche Systeme tatsächlich schon in Alltag und Beruf auf KI beruhen und was diese KI-Systeme heutzutage schon können und was nicht, bleibt meistens im Dunkeln. Zudem treten neben der tech­nischen Seite wichtige Aspekte des Umgangs mit KI, wie unter anderem seine rechtlichen und ethischen Herausforderungen, häufig in den Hintergrund.

Das Projekt ai4all hat sich zum Ziel gesetzt, diese Lücken zu schließen und einen niedrigschwelligen, voraussetzungsfreien, aber umfassenden Ein­stieg in verschiedenste Bereiche zum Thema KI bereitzustellen. Der Fokus liegt hierbei auf einem interdisziplinären Blick auf Künstliche Intelligenz und ihren Einsatz.

Das Projekt umfasst bisher zwei Kurse, die wir auch als Module bezeich­nen, da sie aufeinander abgestimmt sind. Das erste Modul ist als Basis-Kurs konzipiert und vermittelt grundlegende Kenntnisse zu verschie­densten Aspekten von KI. Darauf aufbauend werden im zweiten Modul fortgeschrittenere Einblicke in die Methoden und auch in den Diskurs gegeben. Bei den Kursen handelt es sich in erster Linie um ein Online-Lehrangebot für Studierende der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU). Gleichzeitig sind sie aber offen für alle weiteren Interessierten, die über das KI-Campus-Portal kostenfrei teilnehmen können. Die Kurse sind modular aufgebaut und alle erstellten Lernmaterialien werden unter der Open-Source-Lizenz CC BY 4.0 als Open Educational Ressource ebenfalls über Twillo veröffentlicht. Alle Materialien sind sowohl als vollständiger Kurs als auch individuell zum Beispiel durch andere Hochschulen nachnutzbar (vgl. dazu auch den Beitrag zum KI-Campus).



2 Beschreibung des Konzepts

Das Projekt ai4all ist am Heine Center for Artificial Intelligence and Data Science (HeiCAD) der HHU angesiedelt. Es wird im Rahmen der Initiative KI in der Hochschulbildung durch das BMBF gefördert und auf der Lern­plattform umgesetzt. Die im Rahmen des Projekts konzipierten Kurse beziehungsweise Module sind an der HHU als zentrales Lernangebot und fakultätsübergreifend sowie voraussetzungsfrei angelegt. In einem ersten Kurs KI für alle: Einführung in die Künstliche Intelligenz werden zunächst grundlegende Kompetenzen zu verschiedenen Bereichen der Künstlichen Intelligenz vermittelt und das Thema KI aus vielfältigen Perspektiven betrachtet. Dazu gehören sowohl ein eher methodischer und anwen­dungs­bezogener als auch ein ethischer und rechtlicher Blickwinkel. Inhaltlich liegt der Fokus dabei unter anderem auf dem Erlernen wichtiger Begriffe und verschiedenster Verfahren des maschinellen Lernens und des Deep Learnings. Dadurch wird ein Verständnis dafür entwickelt, was KI eigentlich ist, was sie derzeit kann, was noch nicht und wie KI-Techno­logien sich zu oft anzutreffenden Bildern von KI zum Beispiel in den Medien verhalten. Darüber hinaus werden der Umgang mit verschiedenen Daten und Datentypen sowie nötige Schritte der Datenaufbereitung, -analyse und auch -visualisierung (Data Literacy) erlernt.

Abbildung 1 In der Fünf-Stränge-Theorie greifen Daten, Programmieren, Ethik & Recht und Anwen­dung inhaltlich ineinander, um die einzelnen Themenbereiche aus möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven erfahren zu können.

[Quelle: eigene Darstellung]



Dadurch soll der Blick dafür geschärft werden, dass KI-Systeme nur so gut sind wie die Daten, die für die Methoden verwendet werden. Außer­dem wird aufgezeigt, dass vorherrschende Wahrnehmungen und Dis­kriminierungen möglicherweise in den Daten reproduziert werden. Neben diesen eher theoretischen Aspekten wird auch ein Fokus auf die Program­mierung gelegt. Der Kurs vermittelt ein grundlegendes Verständnis von Programmierung und komplementiert die theoretischen Inhalte mit entsprechend aufbereitetem Programmcode. Die technischen Aspekte werden außerdem mit einer Reflexion über ethische und rechtliche Implikationen – vor allem im Hinblick auf gesellschaftliche Herausforde­rungen – ergänzt. Anhand von vielseitigen Anwendungsbeispielen aus dem Alltag, der Praxis und Forschung wird zusätzlich gezeigt, wie und wo die Technik momentan zum Einsatz kommt.

Abbildung 2 Ausschnitt aus dem Video »KI ist überall« aus dem Strang praktische Anwendungsbeispiele der ersten Woche.

[Quelle: eigene Darstellung]



Didaktisch steht der niederschwellige Einstieg in verschiedene Themen rund um KI im Vordergrund. Das Lernmaterial wird dabei in 14 Lerneinhei­ten unterteilt. Für die Vermittlung kommen abwechslungsreiche Lernmedien wie Videos und Texte zum Einsatz. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf kurzen Lernvideos von maximal zehn Minuten Länge, die jeweils ein Thema prägnant behandeln. Jedem Video werden konkrete Lernziele zugeordnet, so dass die Studierenden sich innerhalb des Lernmaterials passend fokussieren können. Die Videos werden neben begleitenden Texten außerdem durch Transkripte und weiterführende Materialien ergänzt. Letztere können sowohl als alternative Erklärungsquellen bei Verständnisproblemen als auch als vertiefende Lektüre für Interessierte verwendet werden. Um den Kurs-Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, ihr Wissen zu prüfen und ihren Lernfortschritt zu überwachen, kommen verschiedene Lernzielkontrollen wie Quizze und interaktive bis spielerische Elemente zum Einsatz. Um den Teilnehmenden darüber hinaus die Orientierung innerhalb des Lernmoduls zu erleichtern und den roten Faden hervorzuheben, der die Inhalte der Lernmaterialien miteinander verbindet, beginnt jede Lerneinheit mit einer kurzen Zusammenfassung der bisherigen Inhalte, die für die neue Lerneinheit wichtig sind. Dies kann beispielsweise eine kurze Wiederholung von Definitionen, Begriffen oder auch Erläuterungen von Verbindungen zwischen Inhalten umfassen.

Abbildung 3 Unterschiedliche Medien und Quizzes führen die Studierenden durch das Lernmaterial

[Quelle: eigene Darstellung]



Aufbauend auf den Inhalten des ersten Moduls wird in dem zweiten Kurs KI für alle 2: Verstehen, Bewerten, Reflektieren die Kompetenz zur Auswahl und Beurteilung von KI-Modellen für den Einsatz in unterschiedlichen Szenarien praxisnah vermittelt. Dabei steht die kritische Reflexion von Methoden und Verfahren sowie das Einnehmen von unterschiedlichen Perspektiven im Mensch-Maschine-Diskurs im Zentrum. Im Gegensatz zu Modul 1 werden die Lerninhalte in größere Themenblöcke mit eigenen Schwerpunkten unterteilt. Es werden hier weniger Themen behandelt, diese jedoch in größerem Umfang und vor allem mit dem Ziel, höhere Kompetenzstufen auf der Lernzieltaxonomie nach Bloom (Bloom et al., 1956; Anderson et al., 2001) zu erreichen. Da diese Themenblöcke inhaltlich in sich abgeschlossen sind, können die Kurs-Teilnehmenden sie in beliebiger Reihenfolge bearbeiten.

Als Hilfestellung und Orientierung wird allerdings eine Bearbeitungs­reihenfolge vorgeschlagen. Zudem werden auch Verweise zwischen den Themenblöcken und einzelnen Videos bereitgestellt, um die Zusammen­hänge zwischen den Themen herauszustellen und auf für das Verständnis wichtige Inhalte hinzuweisen.

Die Themenblöcke im Modul 2 lassen sich grob in eher methodisch- und verfahrensorientierte Themenblöcke und in Blöcke mit dem Fokus auf AI Literacy unterteilen. AI Literacy bezeichnet im Rahmen des Kurses Kom­petenzen zur kritischen Evaluation von KI sowie Kompetenzen zum effektiven Umgang und zur Nutzung von KI in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise der Arbeit (Long & Magerko, 2020). Alle Themen­blöcke sind problembasiert beziehungsweise fragestellungsbezogen aufgebaut. Zu Beginn jedes Themenblocks wird eine exemplarische Fragestellung formuliert, anhand deren das Thema erschlossen wird. Bei methodischen Themenblöcken wird dafür meistens zunächst thematisiert, wie passende Daten für die Fragestellung gesammelt werden können und worauf dabei zu achten ist. Als Nächstes folgen Aspekte der Daten­aufbereitung und der Modellauswahl und -evaluation. Darauf aufbauend werden die Ergebnisse interpretiert und das Vorgehen diskutiert. Am Ende des Themenblocks liegt der Fokus dann auf dem Transfer, bei­spielsweise mit der Frage: »Welche anderen Fragestellungen können mit den behandelten Verfahren noch bearbeitet werden?« Die Themen­blöcke, die sich mit Themen der AI Literacy beschäftigen, vermitteln zunächst wichtige Begriffe und Definitionen und beleuchten dann die Implikationen der aufgeworfenen Problematik. Auch in diesen Themen­blöcken folgt eine Evaluation und ein Transfer gegen Ende der Einheit. Modul 2 startet erstmals am 01.10.2024.

Modul 1 ist bereits in fast der Hälfte der Studiengänge aller Fakultäten der HHU curricular verankert und mit erfolgreichem Abschluss einer Klausur derzeit als Studienleistung anerkennbar. Studierende der Juris­tischen Fakultät können ebenfalls an der Klausur teilnehmen und erhalten bei Bestehen eine Teilnahmebescheinigung.

Um die für große Teilnehmendenzahlen erforderliche Skalierbarkeit sicherzustellen, werden die Kurse auf der Plattform KI-Campus imple­mentiert. Neben der thematischen Passung waren das ansprechende und leicht verständliche User Interface sowie die Zugänglichkeit über die Hochschulgrenzen hinaus ausschlaggebende Argumente für die Wahl dieses Lern-Management-Systems. Durch die asynchronen und dezen­tralen Bearbeitungsmöglichkeiten und das damit verbundene individuell wählbare Lerntempo werden sowohl Selbstmanagement als auch Eigenverantwortung der Studierenden gefördert. Zudem bieten die automatisch korrigierenden und feedbackgebenden Selbstlernassess­ments die Möglichkeit, für große Teilnehmendenzahlen eine Lern­kontrolle bereitzustellen.



3 Erfolge und Herausforderungen

Die Erstellung eines niedrigschwelligen Lernangebots für Studierende mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen und Vorwissen ist eine He­raus­forderung, die das Projektteam durch das Einbringen seiner inter­disziplinären Perspektiven zu erreichen versucht. Dafür war ein enger und kontinuierlicher Austausch mit den Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Fachrichtungen und Fakultäten unerlässlich. Neben dem Personenkreis, der das Projekt ai4all eingeworben hat, waren hieran weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und anderer Institutionen in verschiedenen Formen bei der Ausgestaltung der Module beteiligt, beispielsweise als Interviewpartnerinnen und -partner oder als Ansprechpersonen für Expertenreviews. Insgesamt wurden wichtige Inhalte und Kompetenzziele, die den Studierenden vermittelt werden sollen, gemeinschaftlich und interdisziplinär in einem iterativen Prozess erarbeitet. Dafür wurden beispielsweise verschiedene Workshops mit Expertinnen und Experten aus den Fächern von dem Projektteam organisiert sowie ein digitaler, plattformbasierter Workflow zur kooperativen Erarbeitung von Inhalten etabliert. Dieses Vorgehen bildete somit die Grundlage für die nähere inhaltliche Ausgestaltung der beiden Module.

Kurs 1 wurde im Sommersemester 2023 erstmals durchgeführt. Ein zweiter Durchlauf fand im darauffolgenden Wintersemester 2023/24 statt. Die jeweils anschließenden Evaluationen sowohl auf dem KI-Campus als auch die hochschuleigene Evaluation fielen sehr positiv aus. Die Evaluationsergebnisse aus dem KI-Campus (Stand: 06.03.2024) zeigten einen deutlichen selbsteingeschätzten Wissenszugewinn der Teilnehm­enden zu KI-bezogenen Themen.

Abbildung 4 Selbsteinschätzung zu den eigenen Kompetenzen der Teilnehmenden vor und nach dem Absolvieren des Kurses (Stand: März 2024)

In Prozent

[Quelle: eigene Darstellung]



Darüber hinaus bewerteten über 94 Prozent der Teilnehmenden der Abschlussevaluation des KI-Campus den Kurs mit »gut« oder »sehr gut«. 95 Prozent gaben an, dass sie den Kurs weiterempfehlen würden. Rückmeldungen aus beiden Evaluationen gaben außerdem einen guten Überblick darüber, was bei den Kursteilnehmenden gut aufgenommen wurde. Positiv hervorgehoben wurden sowohl Struktur und Umsetzung als auch die inhaltliche Gestaltung. Bezüglich Struktur und Umsetzung wurden insbesondere die abwechslungsreichen Lernmedien aus Videos, Texten und vielfältigen Übungen sowie die didaktische Ausgestaltung, die Modernität und die zeitliche Flexibilität des Lernangebots genannt. Inhaltlich wurden die vielfältige Auswahl von theoretischen und anwen­dungsbezogenen Inhalten, die Berücksichtigung ethischer und rechtlicher Aspekte sowie die Verwendung von disziplinübergreifenden Anwendungs­beispielen gelobt. Die Nutzungszahlen des Kurses auf KI-Campus (über 2.000 eingeschriebene Nutzerinnen und Nutzer, Stand: März 2024) sprechen darüber hinaus für ein hohes Interesse an den Lernangeboten. Aufgrund der positiven Gesamtresonanz wird der Kurs auch im kom­menden Sommersemester 2024 angeboten, sowohl an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als auch auf dem KI-Campus als offenes Angebot.

Abbildung 5 Gleichmäßig wachsende Nutzungszahlen seit Kursstart im April 2023 (Stand: Juni 2024)

In Prozent

[Quelle: eigene Darstellung]



Basierend auf den konstruktiven Rückmeldungen der Kurs-Teilnehmen­den wurden und werden kontinuierlich Überarbeitungen des Kurses und des verwendeten Materials vorgenommen. So sind nun beispielsweise Videos, die die ursprünglich angestrebte Länge von zehn Minuten deutlich überschritten haben, in mehrere kürzere Videos unterteilt. Des Weiteren wurden wichtige Abbildungen in die Transkripte der Videos übernommen und Gesamttranskripte mit allen Inhalten einer Woche beziehungsweise des gesamten Kurses erstellt. Weitere, umfangreichere Überarbeitungen wie eine Reduktion des vermittelten Stoffs und eine Überarbeitung des Programmierteils oder auch die Erarbeitung von englischsprachigem Material werden im Rahmen der Projektlaufzeit angestrebt. Außerdem wurden die Anregungen und Wünsche der Kurs-Teilnehmenden auch bei der Erarbeitung der Lehrmaterialien für Kurs 2 berücksichtigt. So wurde beispielsweise das Studio, in dem die Lehrvideos produziert werden, umfangreich mit professioneller Unterstützung überarbeitet, um die Qualität der Videos – vor allem hinsichtlich der Tongestaltung – weiter zu verbessern. Des Weiteren wird kontinuierlich daran gearbeitet, das Angebot – basierend auf den Rückmeldungen der Teilnehmenden und der Lehrenden – weiter zu überarbeiten und zu verbessern. Dies bezieht sich auch darauf, die curriculare Anbindung des Angebots stetig zu optimieren und zu erweitern. Aktuell ist der Kurs in fast der Hälfte der Studiengänge an der HHU mit Anrechnung belegbar.

Ein weiterer wichtiger Erfolg ist die Nachnutzung des Materials bezieh­ungsweise des ersten Moduls durch weitere Universitäten. So wurde Modul 1 im Wintersemester 2023/24 an der Humboldt-Universität zu Berlin im Rahmen des Projektes KI-Campus 2.0 HU Berlin im überfach­lichen Wahlpflichtbereich am Career Center angeboten. Ergänzt wurden hier die Selbstlernphasen, in denen sich die Studierenden mit den Inhalten des Kurses befassten, mit Präsenzterminen, an denen inhaltsbezogene Präsentationen gehalten und diskutiert wurden. Darüber hinaus ist dort geplant, ab März 2024 Teile des Kurses als Bestandteil eines KI-Micro-Degrees an der HU Berlin für die Weiterbildung ihrer Lehrenden zu verwenden.

Auch die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Duisburg-Essen (Campus Essen) übernimmt seit Wintersemester 2023/24 Modul 1 und bietet es im Bereich Schlüsselqualifikationen an. Zusätzlich dazu werden – aufgrund von Studierendenanfragen – ab Sommersemester 2024 begrenzte Plätze auch für andere Fakultäten im Bereich Studium liberale (überfachliches Studienangebot im Ergänzungsbereich) an­geboten. In Vorbereitung sind gerade weitere Auskopplungen an Partneruniversitäten.



4 Zusammenfassung und Ausblick

Mit dem Projekt ai4all mit den KI für alle-Kursen wurde und wird ein interdisziplinäres und voraussetzungsfreies Online-Lernangebot zur KI-Grund- und Weiterbildung geschaffen. Modul 1 bietet dabei eine grund­legende und umfassende Einführung in verschiedenste Bereiche der Künstlichen Intelligenz. Modul 2 vermittelt darauf aufbauend Kompe­tenzen zur kritischen Reflexion von KI-Systemen sowie das Einnehmen von unterschiedlichen Perspektiven im Mensch-Maschine-Diskurs.

Nachdem sich Modul 1 im Sommersemester 2024 bereits in einem dritten Durchlauf befindet, startet das zweite Modul erstmals zum Winter­semester 2024/25. Auch hier wird eine ausführliche Evaluation der Lerninhalte und der didaktischen Aufbereitung im Fokus stehen, um neben Modul 1 auch diesen Kurs stetig zu verbessern und zu aktualisieren.

Im Laufe des ersten Durchgangs von Modul 1 haben weitere Studiengänge Interesse bekundet, den Kurs in ihre Curricula einzubinden (zum Beispiel Psychologie). Die Integration in weitere Studiengänge wird weiter voran­getrieben und umgesetzt. Zudem soll auch eine langfristige Einbindung des Angebots in die Fakultätslehrpläne sichergestellt werden.

Auch die weitere Nachnutzung durch und an anderen Universitäten wird angestrebt und unterstützt. In diesem Zusammenhang wird auch die Vorbereitung einer Handreichung für Lehrende, die diesen Kurs oder einzelne Materialien in ihre Lehre integrieren wollen, diskutiert. Lang­fristig verfolgt das Projekt das Ziel, alle entwickelten Materialien als Open Educational Resources (OER) zur Verfügung zu stellen. So können diese Lernmedien zum Beispiel im Ganzen als Grundlagenkurse in verschiedene Curricula anderer Hochschulen übernommen werden oder als Bestandteil fachspezifischer Angebote dienen. Für die Lehr-Videos aus Modul 1 wurde dies schon umgesetzt. Die Materialien stehen über die Plattform Twillo für die Nachnutzung zur Verfügung.

Abbildung 6 Bereitstellung der Lernmedien als Open Educational Resources

[Quelle: eigene Darstellung]



Dieses Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.



DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

Dr. Katarina Boland ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für das HeiCAD-Projekt ai4all sowie Mitarbeiterin an den Lehrstühlen für Rechnernetze und Data & Knowledge Engineering am Institut für Informatik der HHU. Sie hat Computerlinguistik mit den Nebenfächern Psychologie und Informatik in Heidelberg studiert und nach einigen Jahren beim GESIS – Leibniz Institut für Sozialwissenschaften in Köln an der HHU in Informatik promoviert. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Natural Language Processing und der Entwicklung von KI-basierten Methoden für sozialwissenschaftliche Anwendungsfälle.



Marc Feger M.Sc. ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am HeiCAD im Rahmen des Projekts ai4all tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Argument Mining und Natural Language Processing. Seit 2021 promoviert er im Fachbereich Informatik und widmet sich insbesondere der Anwendung von Methoden des maschinellen Lernens zur Analyse und Extraktion von Argumenten aus Texten. Während seines Informatikstudiums entwickelte er unter anderem Argumentations- und Recommender-Systeme. Seine Forschung konzentriert sich auf die Anwendung von KI-Methoden zur Unterstützung von Argumentationsprozessen in verschiedenen Anwendungsbereichen von Social Media.



Dr. Ludmila Himmelspach ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für das HeiCAD-Projekt ai4all. Sie hat Computer Science an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf studiert und dort über Fuzzy-Clusteranalyse unvollständiger Daten promoviert. Neben ihrer Lehrtätigkeit arbeitete sie als Post-Doc an Forschungsprojekten in den Bereichen des Fuzzy Clustering, des Natural Language Processing und der medizinischen Bildverarbeitung.



Dr. Jacqueline Klusik-Eckert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am HeiCAD im Rahmen des Projekts ai4all. Sie hat Kunstgeschichte und Neuere deutsche Literaturwissenschaft in Erlangen und Bern studiert. Nach ihrem Magisterabschluss war sie am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und später als Koordinatorin der Digital Humanities an der FAU Erlangen-Nürnberg tätig. In ihrer Promotion erforschte sie die Kultur des Kopierens um 1600 und die Rezeption rudolfinischer Künstler. Neben ihren kulturwissenschaftlichen Forschungsfeldern interessiert sie sich für Methoden und Weiterentwicklung von Wissensvermittlung und Wissenschaftskommunikation.



Marie von Lobenstein M.A. wissenschaftliche Mitarbeiterin für das HeiCAD-Projekt ai4all. Sie hat Comparative Studies in English and American Language, Literature and Culture an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf studiert und dort ihren Master of Arts gemacht. Im Dezember 2021 hat sie ihre Promotion im Fach Anglistik und Amerikanistik begonnen und erforscht Narrative über Algorithmen und Algorithmen als Geschichtenerzähler. Zusätzlich arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Lehrstuhl der American Studies an der HHU.



Dr. Maike Mayer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für das HeiCAD-Projekt ai4all. Sie hat Psychologie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf studiert und dort über moralische Dilemmas im Kontext des autonomen Fahrens promoviert. Zudem forschte und lehrte sie zu verschiedenen Themen im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion, wie beispielsweise dem Vertrauen in automatisierte Systeme.



Dr. Ann-Kathrin Selker ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für das HeiCAD-Projekt ai4all. Sie hat an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Informatik studiert und anschließend ebenfalls an der HHU über Berechnungskomplexität in der kollektiven Entscheidungsfindung promoviert.



Dr. Katja Theune ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für das HeiCAD-Projekt ai4all. Sie hat Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen studiert und dort am Lehrstuhl für Statistik der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät promoviert. Zuletzt hat sie als Leiterin der vom BMBF geförderten Nachwuchsforschungsgruppe Determinanten und Modelle zur Prognose von Studienabbrüchen im Bereich der Anwendung von Methoden des Maschinellen Lernens für bildungswissenschaftliche Fragestellungen geforscht.



LINKS



LITERATURVERZEICHNIS

Anderson, L. W. (Hrsg.), Krathwohl, D. R. (Hrsg.), Airasian, P. W., Cruikshank, K. A., Mayer, R. E., Pintrich, P. R., Raths, J. & Wittrock, M. C. (2001). A taxonomy for learning, teaching, and assessing: A revision of Bloom’s Taxonomy of Educational Objectives. Longman.

Bloom, B. S. (Hrsg.), Engelhart, M. D., Furst, E. J., Hill, W. H. & Krathwohl, D. R. (1956). Taxonomy of educational objectives: The classification of educational goals. Handbook 1: Cognitive domain. David McKay.

Long, D. & Magerko, B. (2020). What is AI literacy? Competencies and design considerations. In Proceedings of the 2020 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (CHI 2020) [Konferenzbeitrag]. ACM. https://doi.org/10.1145/3313831.3376727. Abgerufen am 17.06.2024







FOKUS: KI ALS INHALT UND METHODE DES DIGITALEN LERNENS

03 · ERGEBNISSE DES PILOTVERSUCHS KI IM KLASSENZIMMER ⸺

LION PETTERA · MUHSIN RASTGAR · STEFAN SCHÖNWETTER Deutsche Kinder- und Jugendstiftung GmbH

Dieser Beitrag beschreibt das KI Pilotprojekt KI im Klassenzimmer. Das Projekt hat als einer der ersten Praxisversuche Deutschlands Schulen bundesweit mit KI-Ressourcen ausgestattet und den KI-Einsatz in Schule systematisch ausgewertet.



1 Einleitung

Künstliche Intelligenz (KI) war im Jahr 2023 das bildungspolitische Thema. Der Zugang zu KI-Systemen über Large-Language-Model-Anwendungen (LLM) des Anbieters OpenAI (ChatGPT) hat die Nutzung von KI-Systemen im Bildungswesen fundamental vereinfacht. Ein LLM ist eine Software, die mit Text-Daten trainiert wurde. Auf Basis von Wahrscheinlichkeiten gene­riert sie Antworten auf Befehle von Nutzenden. Diese Befehle (auch Prompts genannt) werden mithilfe eines Chat-Fensters erteilt. Gerade Letzteres stellt einen zentralen Faktor in der Einfachheit der Nutzung dar, der auch Laien Zugang zur Technologie ermöglicht. Waren Anwendungen auf Basis von Machine Learning zuvor vor allem der Industrie- und Soft­wareentwicklung vorbehalten, hat sich mit Anwendungen auf Basis von Sprachmodellen der Zugang so radikal vereinfacht, dass scheinbar alle Menschen mit einem Internetzugang von KI profitieren können (SWK, 2024). KI ist folglich Teil eines gesellschaftlichen Transformationsprozes­ses, der weit über die Fragen des Bildungssystems hinausgeht. Das deut­sche Bildungssystem, betroffen von multiplen Krisenlagen wie Fach­kräftemangel, Ressourcenmangel, Überalterung, überkomplexen Verwaltungsstrukturen und vielen anderen (Autorengruppe Bildungs­berichterstattung, 2022), steht vor immensen Herausforderungen. Kultusministerien und Verantwortliche der Bildungspolitik sehnen sich nach grundlegenden und einfachen Lösungen für diese multiplen Krisen. KI scheint zu versprechen, dass sie die Lücke zwischen der Größe der Herausforderungen und verfügbaren Ressourcen schließen kann. Zur Exploration genau dieses Spannungsfeldes hat die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) im Programm bildung.digital den Pilotversuch KI im Klassenzimmer gestartet und den KI-Einsatz in Schulen erforscht.



2 Kooperation und Aufgabenteilung im Pilotprojekt

Das Programm bildung.digital ist eine Initiative der ARAG SE und der DKJS. Es unterstützt Schulen dabei, Konzepte der digitalen Bildung zu entwickeln und zu verankern. Das Programm versteht sich dabei als Treiber für innovative Ansätze. Dafür geht es Kooperationen ein, um Schulen Impulse zu bieten, damit diese bestmöglich die transformativen Herausforderungen in einer Kultur der Digitalität gestalten können. KI im Klassenzimmer ist eine Kooperation mit der Schulverwalter UG und dem Leibniz-Institut für Bildungsmedien / Georg-Eckert-Institut. Die Akteur­innen und Akteure bringen dabei unterschiedliche Expertisen und Ressourcen ein. Mit der Plattform SchulKI bot die Schulverwalter UG die Anbindung zu ChatGPT an. Die Möglichkeit, über SchulKI ganze Klassen auf einer KI-Plattform zu managen und virtuelle Räume vorzubereiten, wurde als wertvoll eingeschätzt. Lehrkräfte können auf der Plattform Schulen und einzelne Klassen anlegen sowie Gruppen differenziert managen und den Einsatz von KI-Tools systematisch vorab planen. Das Georg-Eckert-Institut begleitet das Vorhaben wissenschaftlich, insbeso­ndere die Durchführung und Auswertung von 35 qualitativen Interviews mit teilnehmenden Lehrkräften. Die DKJS bringt die Expertise der Schulbegleitung ein und hat die erste Phase der Auswertung über­nommen. Diese Phase analysiert die von den Lehrkräften eingereichten Dokumente.



3 Wie KI (im Klassenzimmer) bei Future Skills ansetzt

Der Stifterverband hat mit dem Diskussionspapier zu Future Skills (McKinsey&Company & Stifterverband, 2018) und der Aktualisierung des Future-Skills-Framework (McKinsey&Company & Stifterverband, 2021) eine Grundlage dafür geliefert, das Potenzial von KI und deren Relevanz für Future Skills im Bildungssystem zu bearbeiten, weil das Framework aus dem Jahr 2018 den Blick auf notwendige personale Kompetenzen in fünf Jahren legt. Der Durchbruch von LLMs liegt nun genau in diesem Zeit­fenster. In der Einleitung wurde bereits umrissen, dass das deutsche Bildungssystem multiple Krisen erlebt, die sich auch auf dessen Grad der Digitalisierung beziehen. 28 Jahre nach dem Start des Programms Schu­len ans Netz und acht Jahre nach der ersten Ankündigung eines Digital­pakts Schule sind noch immer nicht alle Schulen mit zeitgemäßem Internet ausgestattet, fehlen immer noch Geräte, damit Schülerinnen und Schüler Online-Ressourcen für ihre Bildungsarbeit in der Schule nutzen können. So sind mit Angabe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vom 31.12.2023 zwar fast alle Gelder des Digitalpakts Schule verplant (BMBF, 2023), aber bei weitem noch nicht alle Gelder auch konkret verausgabt. Schulleitungen und Lehrkräfte bewegen sich tagtäglich in einem System, das von ihnen fordert, zwischen Pflicht und Kür zu entscheiden. Prozesse wie der Ganztag und die Transformation in eine Kultur der Digitalität (Stalder, 2016) hinterfragen dabei jedoch das professionelle Selbstverständnis. Hat sich mit dem Ganztagsausbau die Rolle von Lehrkräften bereits verschoben, weg von Wissensvermittelnden hin zu Lernbegleiterinnen und -begleitern, die in einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft gemeinsam mit Kind und Eltern ermöglichen, dass Schülerinnen und Schülern das beste Umfeld geboten wird sich zu bilden, stellt KI ganz grundlegende Fragen an die Rolle von Lehrkräften. Denn Anbieter von KI-Systemen versprechen:

  • das Wissen des Internets unmittelbar per Text- und/oder Sprach­eingabe verfügbar zu machen,
  • die Eingabe der Nutzenden mit dem Wissen des Internets weiterzuverarbeiten,
  • kreative Produkte in Sekunden zu erstellen,
  • fachliche Sparringspartnerinnen und -partner zu jedem Thema zu sein,
  • sofortige Einschätzungen von richtig und falsch zu liefern.



Wie viel Lehrkraft braucht es eigentlich noch, gäbe es ein System, dass Schülerinnen und Schülern KI-gestützt hilft, sich zu bilden? Dass diese Frage nicht ganz unberechtigt ist, zeigt ein Blick auf die kritische Schul-Lehrwerksforschung. Castell führte bereits in den 1980ern aus, dass die Beziehung von Lehrkraft und Lehrwerk erst Lehrkräfte mit der Autorität ausstattet, über richtig und falsch bestimmen zu können (Castell et al., 1989). Apple formulierte in den 1990ern weiter aus, dass Lehrwerke ein zen­tra­les Instrument für Lehrkräfte sind. Sie stellen die Essenz des Wis­sens­kanons dar und sind die Basis dafür, dass Lehrkräfte diesen Wissens­kanon ganz praktisch jeden Tag vorbereiten können – das Lehrwerk macht den Workload in der Schule erst handhabbar (Apple, 1992). Künstliche Intelligenz droht jedoch beide Aspekte wegzufegen. Es werden sowohl konkurrierende Wahrheiten in den Unterricht eingebracht als auch die Strukturierung des Unterrichts. Für die Suche nach einer Antwort kann das Future-Skills-Framework genutzt werden, denn es hilft Lehrkräften die aktuelle Herausforderung von KI auf das eigene Handeln herunter­zubrechen. Daher werden die vier Kompetenzbereiche des Future-Skills-Framework hier in Beziehung zur KI-Nutzung gesetzt.

Technologische Kompetenzen: Es ist nicht Aufgabe von Lehrkräften, eigene KI-Systeme zu entwickeln, dennoch muss für ihre pädagogische Disziplin der Anspruch sein, dass kommerzielle Anbieter mit der Gestal­tung von KI-Systemen den Rahmen bestimmen, unter dem ihrer Meinung nach Bildung am besten funktioniert. Lehrkräfte sollten sich aktiv in die Gestaltung von KI-Systemen einbringen, einen gemeinsamen Takt mit kommerziellen Anbietern finden, um eine zeitgemäße Didaktik zu ent­wickeln. Ziel muss es sein, dass Schülerinnen und Schüler mit so wenigen Lernbrüchen (etwa durch schlechte User Interfaces, schwieriges Klassen­management in der Gruppe oder mangelnde Verlässlichkeit der Systeme) wie möglich konfrontiert werden.

Digitale Schlüsselkompetenzen: Damit Lehrkräfte obige Rolle ausfüllen können, müssen sie auch verstehen, wie KI-Systeme funktionieren. Digital Ethics kann dabei das bestimmende Feld sein. Die Sprache zu haben, KI kritisieren zu können, weil sowohl die Art und Weise, wie KI-Systeme er­stellt werden, bekannt ist als auch das Know-how, wie KI missbräuchlich genutzt werden kann. So sind bisher beispielsweise die Fragen von Urhe­ber­recht, Datenschutz und Arbeitsschutz für Click-Worker weitgehend unbeantwortet (SWK 2024).

Transformative Kompetenzen: Als Gestaltende der digitalen Transfor­mation im Bildungssystem sind für Lehrkräfte vor allem Urteilsvermögen, Innovations- und Veränderungskompetenz zentral. Dialog- und Konflikt­fähigkeit sowohl mit Kolleginnen und Kollegen, aber auch mit Eltern sowie Schülerinnen und Schülern bilden den zentralen Baustein, um eine zeit­gemäße Bildung nicht nur als Aufgabe von Schule, sondern im Rahmen einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zu gestalten.

Klassische Kompetenzen: Die klassischen Kompetenzen im Framework des Stifterverbandes weisen für Lehrkräfte oder auch anderes pädago­gisches Personal eine Lücke auf, die für die pädagogische Praxis zentral ist. Resilienz und Interkulturelle Kommunikation werden für diese Berufs­gruppen in einer Kultur der Digitalität wichtiger. Nehmen KI oder tuto­rielle Systeme pädagogischen Fachkräften zahlreiche Aufgaben ab, bleibt für diese am Ende die Beziehungsarbeit übrig. Technische Systeme werden diese Aufgaben nicht übernehmen können. Beziehungsarbeit ist ein zentraler Faktor für Lernerfolg (Aldrup et al., 2018), aber auch für die Herausbildung bzw. Stärkung von Resilienzen. Soziale und emotionale Kompetenzen müssen sich in einer Kultur der Digitalität dahingehend weiterentwickeln, dass Beziehungsarbeit digital erfolgen und gepflegt werden kann. Zu den klassischen Medienkompetenzen (Baacke, 2001) zählt auch die Medienkritik mit ihrem steten Hinterfragen, unter welchen Umständen ein Medium einen Inhalt darstellt oder erzeugt.

Die Beschreibung macht deutlich, dass der KI-Einsatz in der Schule Future Skills nötig macht, wenn Lehrkräfte den Wandel, weg von den Zusammen­hängen, die Apple und Castell beschrieben haben, gestalten wollen. Future Skills können einerseits helfen, das eigene professionelle Selbst­bild zu aktualisieren, andererseits eigene Handlungsräume in der tech­nischen Gestaltung von digitalen Systemen zu finden. Gleichzeitig steht die Entwicklung von KI-Systemen noch immer am Anfang. Die bestehen­den Systeme sind in ihren Möglichkeiten noch nicht ausgereizt und gleichzeitig befinden sich mit Systemen wie Mistral, Claude (alternatives LLM) und Sora (Videogenerierende KI) bereits neue (Anwendungs-)­Szenarien in der Entwicklung. Der Trend geht jedoch dazu, dass Userinterfaces (Nutzeroberflächen zur Steuerung einer Software) Lehrkräften eine eigene Gestaltung von KI-Systemen schwieriger machen. Diese Userinterfaces bieten Promptvoreinstellungen und entbinden Lehrkräfte zunehmend davon, sich selbst tiefgehend mit den technischen Möglichkeiten zu befassen. Gleichzeitig sichern Vorein­stellungen via Userinterfaces eine gewisse gleichbleibende Qualität.

Die Geschwindigkeit, mit der heute KI-Systeme über Large-Language-Modelle der Gesellschaft zur Verfügung stehen und zunehmend die Arbeits- und Bildungswelt durchdringen, trifft auf ein Bildungssystem, das Zeit braucht, um Veränderungsanlässe zu verstehen und in eigene Handlungen zu übersetzen. Um dieser Herausforderung zu begegnen, wurde der Pilotversuch KI im Klassenzimmer gestartet. Die Ergebnisse des Projektes helfen zu verstehen, auf welche konkreten Veränderungen Lehrkräfte treffen und wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen.



4 Das Pilotvorhaben

Das Pilotvorhaben KI im Klassenzimmer sollte erste empirische Daten dazu liefern, wie KI im Unterricht und von Lehrkräften eingesetzt wird. Dafür hat die DKJS pro Schule 50 Millionen Tokens, eine digitale Währung, zur Verfügung gestellt, um KI-Rechenleistung bei SchulKI und damit bei diversen KI-Anbietern zu bezahlen. Diese Tokens sollten bis zum Oktober 2023 genutzt werden, um KI-Systeme im Unterricht einzu­setzen. Als Gegenleistung haben die beteiligten Lehrkräfte Dokumenta­tionen des Einsatzes angefertigt und eine Reflexion zur Nutzung erstellt. Abschlie­ßend hat eine Auswahl von 35 Lehrkräften im Dezember 2023 an teil­strukturierten Interviews teilgenommen. Darüber hinaus gab es keine weiteren Auflagen oder Teilnahmebedingungen für die Schulen. Im 2. Quartal 2023 gab es einen sehr hohen Krankenstand im Schulbetrieb, noch dazu ist das Projekt für viele Schulen am Schuljahres­ende (Mai) gestartet. Daher lag der Fokus im Design auf niedrigen Einstiegshürden. Bei Bekanntmachung im Mai waren einige wenige Schulen nur noch fünf Wochen von den Sommerferien entfernt. Die ursprüngliche Planung von 10 bis 15 Schulen wurde dabei schnell verworfen. Innerhalb kürzester Zeit haben sich etwas mehr als 100 Schulen aus dem gesamten Bundesgebiet beworben. 71 Schulen haben teilgenommen und bis Abschluss des Pro­jektes Dokumentationen und Reflexionen eingereicht. Insgesamt bestand das Teilnehmendenfeld aus der nahezu gesamten Breite des deutschen Bildungsföderalismus. Die überwiegende Mehrheit waren jedoch Gym­nasien (41 Prozent). Neben einer Grundschule und drei Berufs­bildenden Schulen haben ansonsten verschiedenste Schulen teilgenommen, die den mittleren Schulabschluss (MSA) bzw. einfachen Schulabschluss (ESA) anbieten. Es war keine Förderschule am Pilotvor­haben beteiligt. Ein Großteil der Schulen ist regional in den alten Bundesländern verortet. Trotz dezidierter Ansprache sind von den teilnehmenden Schulen nur 13 in den neuen Bundesländern ansässig. Um einen niedrigschwelligen Zugang zum Projekt zu ermöglichen, wurde auf detaillierte Vorgaben bezüglich der Ausgestaltung der Dokumentationen und Reflexionen verzichtet. Dokumentationen sollten darstellen, wie genau KI von den teilnehmenden Lehrkräften eingesetzt wurde. Im Rahmen der Reflexion sollten Lehrkräfte kritisch analysieren und bewerten, ob der Einsatz von KI zum gewünschten Ergebnis führte. In beiden Fällen (Misserfolg und Erfolg) sollte betrachtet werden, warum dies der Fall war. Neben diesen beiden Dokumententypen wurde von allen teilnehmenden Schulen verlangt, an einem 60-minütigen Abschlussinterview teilzunehmen. Diese Gespräche wurden vom Leibniz-Institut für Bildungsmedien/Georg-Eckert-Institut als teilstandardisierte Interviews durchgeführt. Die Auswertung der Interviews ist nicht Teil dieser Auswertung.



5 Ergebnisse der Dokumentenanalyse

Wegen der geringen Vorgaben zur Einreichung von Dokumenten hatten die eingereichten Dokumente sehr unterschiedliche Qualitäten. In 59 Prozent der Fälle wurde die KI-Systeme für Unterricht in den Klassen­stufen 5–10 genutzt. 19 Prozent der Anwendungen konnten den Klassen­stufen 11–13 zugeordnet werden. 21 Prozent konnten nicht zugeordnet werden. Nur 1 Prozent der Nutzungen fand dezidiert in den Klassenstufen 1–4 statt. Mit Ausnahme des Faches Sport wurde eine Fächerübergrei­fende Anwendung festgestellt: Mathematik, Informatik, Naturwissen­schaften (24 Prozent), Deutsch (21 Prozent), Gesellschaftswissenschaften (17 Prozent) und Fremdsprachen (13 Prozent). Die geringe Nutzung für musische Fächer (letzter Platz von sieben Fächergruppierungen) über­rascht, da KI-Systeme hierzu besonders viel Aufmerksamkeit erhalten haben.

Abbildung 1 Einsatz von schulKI in Fächergruppen

[Quelle: DKJS, 2024]



Letztlich ist hier aber anzunehmen, dass es einen Bias bei den teilnehm­enden Lehrkräften gibt. Diese Darstellung beschreibt den Rahmen, in dem die Auswertung erfolgt ist. Sie helfen zu verstehen, in welchen Kontexten und für welche Altersgruppen die KI-Systeme genutzt wurden.

Grundsätzlich haben alle Lehrkräfte das Pilotprojekt genutzt, um sowohl mit Hilfe von KI Unterricht vorzubereiten als auch KI mit Schülerinnen und Schülern im Unterricht zu nutzen. Es kann daher produktiv sein, diese beiden Szenarien zu betrachten.

Die Vorbereitung des Unterrichts mit Hilfe von KI kann als ein autodidak­tischer Einstieg verstanden werden. Es ist ein sicheres Umfeld, in dem Lehrkräfte sich mit den neuen Möglichkeiten vertraut machen können. Die Analyse hat gezeigt, dass die Teilnehmenden die Systeme haupt­sächlich für vier Szenarien nutzten.

  • Die Anpassung von Aufgaben für Schülerinnen und Schülern nach deren spezifischen Stärken. Ziel war es häufig, durch minimalen Zeiteinsatz der Heterogenität im Klassenraum gerecht werden zu können.
  • Darüber hinaus wurden mit den Systemen gänzlich neue Aufgaben erstellt, die entweder näher an den Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler sind oder didaktisch neue Impulse bieten.
  • Ein drittes Szenario ist die Nutzung von generativer KI als dialogischem Partner zur Planung ganzer Unterrichtseinheiten.
  • Darüber hinaus gab es auch teilweise Einsätze, um Material über den Unterricht hinaus zu erstellen. Beispielhaft soll dafür die Erstellung von Elternbriefen oder von Aushängen in der Schule stehen.



Häufig genannt wird von Lehrkräften die Schnelligkeit, mit der Aufgaben erledigt werden können.

Chat GPT erleichtert viele Aufgaben und reduziert die Arbeitszeit für zeitaufwändige Aufgaben erheblich.

Lehrkraft 1, Gymnasium

Oder auch:

Die KI konnte mir zudem hilfreiche Ideen für Unterrichts­einheiten und -stunden geben, wodurch sich meine Vorbereitungszeit für den Unterricht verkürzt hat.

Lehrkraft, Mittelschule

Dennoch gibt es auch kritische Berichte. Zwar erzeugt generative KI schnell viel Material, es sind jedoch häufig Nacharbeiten nötig. Selten ist das Material direkt für den erdachten Zweck nutzbar.

Die von der KI erstellten Materialien habe ich durchgelesen und zumeist als Grundlage verwendet, die ich noch angepasst habe.

Lehrkraft, Gesamtschule

Einige Lehrkräfte konnten den Unterrichtsvorbereitungen generell nur wenig abgewinnen:

Es erspart lediglich kurze Ansätze von Formulierungen in der Vorbereitung. Strukturelle Unterrichtsvorbereitung bleibt nach wie vor Handarbeit.

Lehrkraft 2, Gymnasium

Für den Einsatz direkt im Unterricht ergibt sich ebenso ein differenzierter Blick. Via QR-Code wurden für den I-Einsatz vorbereitete digitale Räume mit Schülerinnen und Schülern zum entsprechenden Zeitpunkt im Unter­richt geteilt. Lehrkräfte haben damit Kontrolle über das Lernen auf der Plattform. Gleichzeitig bietet die Plattform auch die Möglichkeit, ver­schie­dene Typen von Hilfsbots/Unterstützungsbots (Programme, die in bestimmten Szenarien Schülerinnen und Schülern helfen sollen) zu nutzen. Lehrkräfte sind somit nicht allein bei der Lösung von Fragen bezüglich der Nutzung der Plattform.

Die KI ermöglicht es Schülerinnen und Schülern, in ihrem eigenen Tempo, Probleme und Fragestellungen zu erarbeiten, ‚zwingt‘ sie dazu, exakte Befehle zu formulieren.

Lehrkraft 3, Gymnasium

Deutlich wird in den Dokumenten, dass Schülerinnen und Schüler durch die Nutzung von KI-Tools als motivierter von den Lehrkräften wahrge­nom­men werden.

Die Interaktion mit KI-Tools faszinierte die Schülerinnen und Schüler und brachte eine zusätzliche Motivation in den Unterricht. Die Möglichkeit, in einem sicheren Umfeld zu experimentieren und Fehler zu machen, förderte eine offene Einstellung.

Lehrkraft 3, Gesamtschule

Die Äußerungen der Lehrkräfte belegen das Potenzial der Systeme. Voraussetzung für das reibungslose Arbeiten auf der Plattform ist jedoch, dass alle Schülerinnen und Schüler ein eigenes Gerät für den Zugriff auf generative KI haben. All diese einen positiven KI-getriebenen Unterrichts­verlauf befördernden Faktoren verhindern aber nicht, dass es im Unter­richtssetting zu negativen Effekten kommen kann. Regelmäßig wird durch die Lehrkräfte dokumentiert, dass Schülerinnen und Schülern zu ausführliche Antworten gegeben werden, teils mit Informationen, die falsch oder für das Unterrichtssetting nicht relevant sind. Nicht selten wird generative KI als eine Art Suchmaschine sowohl von Lehrkräften als auch Schülerinnen und Schülern genutzt. Aussagen wie diese fallen häu­figer in den Reflexionen.

Oftmals oberflächliche Recherche und unhinterfragtes Übernehmen der Inhalte.

Lehrkraft 4, Gymnasium

Auch die Aussage:

Der Einsatz zu den oben beschriebenen Zwecken war im Unterricht wegen der hohen Fehleranfälligkeit nicht sinnvoll. Die Arbeit der KI muss im aktuellen Entwicklungsstand permanent von einer Lehrkraft begleitet werden. Das gilt insbesondere bei leistungsschwächeren Lernenden.

Lehrkraft 7, Gesamtschule

zeugt von der Enttäuschung, die Lehrkräfte erlebten, und der nötigen Mühe, die erbracht werden muss, damit gerade leistungsschwache Schülerinnen und Schüler nicht abgehängt werden.



6 Ergebnisinterpretation

Die Ergebnisse des Pilotversuches lassen erste Interpretationen zu, die in anderen Arbeiten weiterverfolgt werden sollten. So ist die Tatsache, dass Lehrkräfte KI-Systeme für eine fachliche Diskussion nutzen, dahingehend interessant, dass damit das Einzelkämpfertum (Richter & Pandt, 2016) von Lehrkräften virtuell aufgebrochen wird. Würde ein System die Dialoge speichern und zur stetigen Verfeinerung von Daten nutzen, könnte ein personalisierter Partner für Lehrkräfte entstehen, der didaktische Schwä­chen der Nutzenden bewusst bearbeiten könnte.

Für die Planung von Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte ist es ent­scheidend, ein klares Erwartungsmanagement zu betreiben und Transpa­renz über die Möglichkeiten und Grenzen der Systeme zu schaffen, etwa bei der Erstellung von Unterrichtseinheiten. KI-Systeme können nie in dem Maße passgenaue Einheiten für die Schülerinnen und Schüler konzi­pieren, wie es Lehrkräfte können. Dies liegt vor allem daran, dass die KI die besonderen Situationen und Lernstände der Schülerinnen und Schüler nicht kennt. Im Projektzeitraum wurde hauptsächlich ChatGPT 3.0 oder 3.5 genutzt. Die alten Daten dieser Systeme haben mitunter aktuellere Curricula noch nicht in dem Maße verarbeitet, wie es für das Lehren im Jahr 2023 nötig gewesen wäre. Generative KI hat jedoch die Chance, ein steter Begleiter für pädagogische Fachkräfte zu sein. Mit ChatGPT 4 und 4.5 sind Qualität und Zuverlässigkeit (Gleichbleibender Output, Richtig­keit, Zugriff auf das System und wenige Offlinezeiten) dazu noch eher gegeben. Hinzukommen die Möglichkeiten von GPTs, also kleinen selbst eingerichteten KI-Modellen im System von OpenAI, mit deren Hilfe ge­zielt Anwendungen für den schulischen Einsatz geschaffen werden kön­nen. Weiterhin versuchen kommerzielle Anbieter mit der Einrichtung von Promptgeneratoren und dem automatischen Setzen von Megaprompts Zuverlässigkeit und Qualität auf einem gleichen, möglichst hohen Niveau zu halten und Halluzinationen (also die Ausgabe fehlerhafter Inhalte durch KI) nach Agarwal et al. (2018) zu verringern. Aufgabe von Fort- und Wei­ter­bildungsanbietern ist es, Deskilling¹-Effekten, wie sie Dell’Acqua et al. (2023) beschreiben, entgegenzuwirken.

Bezüglich der Grenzen des Einsatzes zeigt sich deutlich, dass Lehrkräfte regelmäßig Unterrichtseinheiten geplant haben, in denen KI-Systeme als Suchmaschinen genutzt wurden. Diese Systeme funktionieren so nicht und können demzufolge auch nicht dazu beitragen, dass die Unterrichts­einheit ein Erfolg wird. Das Problem ist hierbei, dass die KI nicht weiß, dass sie einen falschen Output gibt. Aus Sicht der KI hat sie die wahr­scheinlich richtige Antwort erzeugt. Auch wenn sie mitunter ausgedacht und nicht faktenbasiert ist. Es braucht hier sowohl auf Seiten der Lehr­kräfte als auch der Schülerinnen und Schüler ein tiefes Verständnis von der Funktionsweise von Systemen wie ChatGPT (LLM), Claude (LLM), Llama (LLM) und anderen. Nur so können alle im Unterricht involvierten Parteien stetig prüfen, ob sie sich im Rahmen der Möglichkeiten von KI-Systemen bewegen. Die stete kritische Prüfung der KI-Outputs ist an­strengend und wird von vielen Schülerinnen und Schülern nicht geleistet. Schließlich geben generative KI-Modelle überwiegend ihre Quellen nicht an, womit ein immens hoher Falsifizierungs- oder Bestätigungsaufwand für KI-Aussagen erzeugt wird. Für Schülerinnen und Schüler erscheint wie auf magische Art und Weise Inhalt auf den Displays. Weiterhin werden die Inhalte nur wenig verinnerlicht, weil es keine bis wenig Auseinander­setzung mit diesen gab. Häufig werden auch Lösungswege durch den KI-Einsatz verschleiert. Der KI-Einsatz per se schafft kein Lernen. Lehrkräfte sollten in ihre didaktischen Überlegungen Scaffolding-Ansätze oder formative Assessments systematisch einbauen, damit Schülerinnen und Schüler durchgehend von KI profitieren.

Neben Halluzinationen sind allgemeine Fehleranfälligkeiten der KI-Systeme selbst teilweise fächerspezifisch zu begründen. So hatte ChatGPT 3.5 teilweise Probleme, chemische Formeln aufzulösen (Tassoti, 2023) oder mit technischen Zeichnungen umzugehen. Zwar haben die Versionen GPT 4 und höher damit nun weniger Probleme, Fehleranfällig­keiten bestehen aber dennoch. Lehrkräfte sollten darüber Kenntnisse erlangen, welche Domänen von welchen KI-Systemen gut beherrscht werden, und zielgerichtet unterschiedliche LLMs oder andere KI-Systeme nutzen (beispielsweise Alpha Fold für Chemie & Biologie).

Alles in allem hat der Pilotversuch den teilnehmenden Lehrkräften ermöglicht, Expertise in einem Feld aufzubauen, das sie betrifft, aber in dem es bis dato keine Infrastrukturen gab, dieses Wissen zu entwickeln.



7 Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend hat der Pilotversuch Bereiche der Lehrkräftequalifizierung, die für eine KI-Implementierung nötig sein können, deutlich gemacht:

  • die Befähigung, KI-Systeme selbst gestalten zu können (Technolo­gische Kompetenzen),
  • Datengrundlagen kennen und zielgerichtet nutzen zu können (Digitale Schlüsselkompetenzen),
  • Resilienz, interkulturelle Kommunikation und Medienkompetenzen (klassische Kompetenzen sowie Kenntnisse zu Kritik und Kommunika­tion der transformativen Prozesse, zu denen KI führt), des Weiteren
  • Veränderungskompetenz (Transformative Kompetenz) zur Gestaltung des Wandels von Unterrichts- und Schulkultur, die durch die KI-Nutzung induziert wird.



Diese vier Bereiche spiegeln sich dabei wie angezeigt auch im Future-Skills-Framework wider. Zur Stärkung dieser Kompetenzen könnte es sinnvoll sein, Lehrkräfte in professionellen Lerngemeinschaften die Systeme explorieren zu lassen, Schulteams in Netzwerken gemeinsame Projekte zu KI in der Bildung umsetzen zu lassen oder Schulen als Ganzes zu beraten, damit es KI-Richtlinien für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler gibt. Letzteres würde einen Rahmen bilden, der beschreibt, was die an der Schule verfolgte Vision ist, auf die KI-Systeme hinarbeiten, und praktische Empfehlungen geben, wie KI-Systeme einzusetzen sind. Die Grundlage muss ein technisches Verständnis von KI-Systemen sein, wel­ches es Lehrkräften ermöglicht, die Systeme zu kritisieren. Nur wenn ein System kritisierbar ist, kann es überhaupt erst Teil der pädagogischen und didaktischen Debatte werden. Zweifelsohne hat KI aber schon heute ein enormes Potential, Lehrkräfte von repetitiven Aufgaben in der Unterrichtsvorbereitung zu entlasten.



¹ Deskilling bezeichnet den Prozess, bei dem durch den Einsatz von Technologie die erforderlichen Fähigkeiten für eine Arbeit verringert werden, sodass die Arbeit weniger Fachkenntnis erfordert und routinemäßiger wird.



DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

Lion Pettera ist Kulturwissenschaftler und Projekt- und Community-Manager bei Wissenschaft im Dialog und arbeitet im Projekt Make Your School.



Muhsin Rastgar ist Programmmitarbeiter im Handlungsfeld »Zukunfts­kompetenzen« der DKJS. Er verantwortet die operative Umsetzung des Pilotprojektes KI im Klassenzimmer und die Pilotierung des Projektes zukunft.digital in Hamburg.



Stefan Schönwetter ist Praxisforscher für Soziale Arbeit und Pädagogik. In der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) verantwortet er das Thema Digitale Bildung. Darüber hinaus ist er Datenschutzbeauftragter und Host des Podcasts »Jakobi & Schönwetter reden über Bildung im Interwebs«. LinkedIn: www.linkedin.com/in/stefan-schoenwetter



LITERATURVERZEICHNIS

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Agarwal, A., Wong-Fannjiang, C., Sussillo, D., Lee, K., & Firat, O. (2018). Hallucinations in Neural Machine Translation. https://openreview.net/pdf?id=SJxTk3vB3m. Abgerufen am 17.06.2024

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Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2022). Bildung in Deutschland 2022. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal. wbv Publikation. https://www.bildungsbericht.de/de/bildungsberichte-seit-2006/bildungsbericht-2022/pdf-dateien-2022/bildungsbericht-2022.pdf. Abgerufen am 10.05.2024.

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Dell'Acqua, F. et al. (2023). Navigating the Jagged Technological Frontier: Field Experimental Evidence of the Effects of AI on Knowledge Worker Productivity and Quality. Harvard Business School Technology & Operations Mgt, Unit Working Paper No. 24-013. https://papers.ssrn.com/sol3/Delivery.cfm/SSRN:ID4584677:code698198.pdf?abstractid=4573321&mirid=1. Abgerufen am 18.03.2024.

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Richter, D., Pant, H. A., Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung & Stiftung Mercator (2016). Lehrerkooperation in Deutschland. Eine Studie zu kooperativen Arbeitsbeziehungen bei Lehrkräften der Sekundarstufe I. Bertelsmann Stiftung. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:101:1-2017082916033. Abgerufen am 18.03.2024

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Tassoti, S. (2023). Wie viel Chemie kann ChatGPT? KI zwischen Verstehen und Verstehensillusion. Konferenz: Adaptives Lernen und KI in der schulischen und beruflichen Bildung: Potenziale und Herausforderungen technologiegestützten Lehrens und Lernens. 28.11.2023. Hamburg.







FOKUS: SPEZIFISCHE FUTURE SKILLS

01 · TRANSFORMATIVE KOMPETENZEN FÜR DIE DIGITALE TRANSFORMATION IM FERNSTUDIUM VERMITTELN ⸺

CLAUDIA HESS · FLORIAN ALLWEIN IU Internationale Hochschule, Erfurt

Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie ein Modul Projekt Digitale Transformation im Fernstudium der IU Internationalen Hochschule Studierende darauf vorbereitet, Chancen und Herausforderungen von Organisationen bezüglich der digitalen Trans­formation zu erkennen und aktiv nachhaltige Lösungen zu entwick­eln. In einem praxisnahen Format entwickeln Studierende ihre transfor­ma­tiven Kompetenzen, indem sie in einer Organisation Verände­rungs­bedarfe systematisch identifizieren und ein Transformationsprojekt planen. Dabei kommen in der Praxis bewährte Methoden zum Einsatz, wie Reifegradmodelle für die digitale Transformation sowie ein so­genannter Project Canvas für die Diskussion und Kommunikation der Projektziele und des Projektumfangs.



1 Einleitung

Organisationen, Unternehmen und öffentliche Verwaltung führen aktuell Projekte durch, um die Potenziale der digitalen Transformation auszu­schöpfen und damit letztlich wettbewerbsfähig zu bleiben. Projektteams bestehend aus Digitalisierungsexpertinnen und -experten sowie Mitarbei­tenden der Fachbereiche sorgen dafür, dass Geschäftsprozesse durch­gängig digitalisiert und automatisiert werden. Ebenso ergeben sich vielfältige Möglichkeiten zur Innnovation von Geschäftsmodellen, also den Prinzipien, nach denen »eine Organisation Wert schafft, vermittelt und erfasst« (Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 18). So können etwa Ge­schäftsbeziehungen über digitale Technologien abgewickelt oder digitale Leistungen und Güter angeboten werden (vgl. Hoffmeister, 2015, S. 28). Dadurch wandelt sich unsere Lebens- und Arbeitswelt grundlegend. Im Rahmen von Transformationsprojekten werden diese Veränderungen der Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle konkretisiert und umgesetzt.

Alle an solchen Transformationsprojekten beteiligten Personen brauchen bestimmte Future Skills, um zu erfolgreichen Projektergebnissen beizu­tragen. Da diese nicht als gegeben vorausgesetzt werden können, braucht es Weiterbildungsangebote für Berufstätige, in deren Rahmen sie sich in praxisorientierter Art die notwendigen Skills aneignen, um diese schließ­lich in ihrem eigenen Organisationskontext anzuwenden. Aber wie kann dieses Wissen vermittelt werden? Dieser Beitrag zeigt, wie ein an der IU Internationale Hochschule (IU) im Fernstudium angebotenes Modul die notwendigen Skills für die Gestaltung der digitalen Transformation ver­mittelt. Studierende analysieren dabei Prozesse und IT-Lösungen in einer ihnen bekannten Organisation (in der Regel dem Unternehmen, in dem sie selbst arbeiten), so dass sie sich ihr Wissen in der Praxis erarbeiten und es anwenden, anstatt nur theoretisch zu lernen.



2 Einbettung in das Studienangebot im Kontext Digitale Transformation

Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWs) sind prädestiniert dafür, praxisnahes Wissen zu vermitteln, da die Verbindung von Theorie und Praxis in Forschung und Lehre zu ihren grundlegenden Aufgaben gehört und Lehrende über entsprechende Praxiserfahrung verfügen. Als größte Hochschule Deutschlands bietet die IU einen signifikanten Teil ihres Studienangebots im Fernstudium an. Hier erwerben Studierende das nötige theoretische Wissen unter anderem im Selbststudium sowie in verschiedenen Veranstaltungsformaten. Sie unterscheidet sich dabei insofern von staatlichen HAWs, als die Mehrheit ihrer Studierenden berufstätig ist und parallel dazu die flexiblen Angebote der IU insbeson­dere im Fernstudium nutzt, etwa, um in Teilzeit zu studieren. Studierende können unabhängig von Semesterzeiten ihr Studium jederzeit beginnen und abschließen. Lehrende unterstützen sie dabei in regelmäßigen Live-Veranstaltungen (IU Fernstudium, 2024a).

Das Projekt Digitale Transformation ist mit gewissen studienprogramm­spezifischen Anpassungen sowohl im Masterstudiengang Digitale Trans­formation (IU Fernstudium, 2024b) als auch im Up-Skilling-Programm Digital Transformation Consultant (IU Akademie, 2024) verankert. Im Master-Fernstudium Digitale Transformation lernen Studierende, agile Managementmethoden der Digitalisierung mit traditionellen Arbeits­prozessen zu verknüpfen. So werden sie auf Berufe wie Digital Consultant oder Digital Transformation Manager vorbereitet. Der Studiengang kann, je nach Berufserfahrung, als 120-ECTS-Master oder als weiter­bildender 60-ECTS-Master belegt werden (IU Fernstudium, 2024b). Die Weiterbildung Digital Transformation Consultant kann berufsbegleitend oder während der Arbeitssuche in mindestens vier Monaten absolviert werden (IU Akademie, 2024). Im Folgenden unterscheiden wir nicht zwischen den beiden programm­spezifischen Varianten, sondern sprechen pauschal vom Modul Projekt Digitale Transformation.



3 Konzeption des Moduls

Das Modul Projekt Digitale Transformation vermittelt Studierenden Fähig­keiten, die entscheidend sind, um die digitale Transformation von Orga­nisa­tionen und Unternehmen erfolgreich zu gestalten. Dabei handelt es sich um die sogenannten Future Skills. Im Fokus des Moduls stehen ge­mäß dem Future-Skills-Framework von Stifterverband und McKinsey & Company die sogenannten transformativen Kompetenzen. Gleichzeitig werden auch digitale Schlüsselkompetenzen wie Digital Literacy und agiles Arbeiten gefördert. Wie diese durch die Konzeption des Moduls gefördert werden, wird im Folgenden beschrieben.



3.1 Transformative Kompetenzen im Fokus

Das Modul legt besonderes Augenmerk darauf, dass Studierende die Chancen und Herausforderungen von Organisationen bezüglich der digi­talen Transformation erkennen und aktiv nachhaltige Lösungen suchen. Demnach liegt der Fokus nicht auf technologischen Kompeten­zen, wie der Konzeption und Entwicklung digitaler Lösungen. Stattdessen spielen, wie in Abbildung 1 dargestellt, die transformativen Kompetenzen Urteils­fähigkeit, Innovations- und Veränderungs­kompetenz, Missions­orientie­rung sowie Dialog- und Konfliktfähigkeit eine zentrale Rolle. Einzelne Aspekte der Aufgabenstellung adressieren gezielt diese Kompetenzen.

Abbildung 1 Future Skills im Fokus des Moduls Projekt Digitale Transformation

[Quelle: eigene Darstellung]

Die Prüfungsleistung des Moduls ist ein schriftlicher Projektbericht im Umfang von rund 15 Seiten. Damit Studierende in diesem Format nach­weisen können, dass sie diese transformativen Kompetenzen erworben und angewendet haben, braucht es im Rahmen der Aufgabenstellung klare Vorgaben. Diese beziehen sich in diesem Modul insbesondere auf den Einsatz bestimmter Methoden und innovativer Werkzeuge (unter anderem Reifegradmodelle zur digitalen Transformation) sowie auf die geforderte Dokumentation und den Detailgrad.



3.2 Praxisorientierung des Moduls

Bei der Vermittlung der transformativen Kompetenzen im Projekt Digi­tale Transformation erweisen sich die Besonderheiten der IU als Vorteil: Studierende sind angehalten, für ihren Projektbericht in einem prak­tischen Anwendungsfall zu forschen und damit auch reale Herausforde­rungen zu adressieren. So kann jedes Studierendenprojekt als Praxis­projekt aufgefasst werden, da es sich häufig auf die Organisation bezieht, in welcher der oder die Studierende arbeitet. Dies ist möglich, da ein großer Anteil der Masterstudierenden berufsbegleitend studiert. Alter­nativ können Studierende ihren Projektbericht auch in Kooperation mit einer Organisation bearbeiten, die sie als Externe, sozusagen in der Rolle eines Consultants, beraten. Dies kann auch ein Kleinstunternehmen sein, ein Verband oder ein (gemeinnütziger) Verein. Durch diesen Ansatz erwerben Studierende nicht nur theoretisches Wissen, sondern können das Gelernte in einem Anwendungsfall aus der Praxis anwenden. Abbildung 2 stellt diese Vorgehensweise dar.

Abbildung 2 Praxisorientierte Vorgehensweise

[Quelle: eigene Darstellung]

Studierende, die in realen Organisationen tätig sind, müssen für den ver­ant­wortungsvollen Umgang mit internen und vertraulichen Unterneh­mens­daten sensibilisiert werden. Daher werden in diesem Kontext sowohl Richtlinien als auch Beispiele für die Pseudonymisierung und Anony­mi­sie­rung bereitgestellt. Es ist von besonderer Bedeutung, dass Studierende in ihren Projektberichten das durchgeführte Projekt detailliert beschreiben, dabei jedoch darauf achten, keine vertraulichen Informationen offen­zu­legen. Zu diesem Zweck werden die betrachteten Organisationen stan­dard­mäßig anonymisiert. Beispielsweise werden auch Prozess­beschrei­bungen oder strategische Vorgaben entsprechend angepasst.

Aufgrund der Einbettung der verschiedenen Varianten des Moduls in das Studienangebot rund um die Digitale Transformation haben die Studie­renden bereits in anderen Modulen praktische Kompetenzen erworbenen, die für Digitalisierungsprojekte wichtig sind, wie beispielsweise zum agilen und hybriden Projektmanagement. Diese werden im Rahmen des Projekts Digitale Transformation weiter anhand von praxisorientierten Quellen vertieft, wie beispielsweise von van Aerssen et al. (2022), die 222 Metho­den vorstellen, die sich in realen Projekten bewährt haben. Neben agilen Methoden wie SCRUM oder Kanban gehören dazu auch Ansätze wie Rapid Prototyping, ein Verfahren zur schnellen Erstellung von funktions­fähigen Prototypen. Ziel dieser Ansätze ist es, frühzeitig verschiedene Aspekte wie zum Beispiel das Designkonzept zu testen, Feedback zu sammeln und dies in die weitere Umsetzung einfließen zu lassen.



3.3 Integration von Reflexionsphasen

Um den Aufbau der Kompetenzen zu fördern, sind in die Bearbeitung des Projekts Reflexionsphasen integriert, in denen die Studierenden ihre Fortschritte, Herausforderungen und Lernerfahrungen evaluieren. Studierende werden dazu angehalten, sowohl das eigene Vorgehen als auch die erzielten Ergebnisse zu reflektieren. Die Dokumentation dieser Reflexion ist Bestandteil des schriftlichen Projektberichts.



4 Aufbau transformativer Kompetenzen im Rahmen des Moduls

Im Lauf des praxisorientierten Moduls erstellen die Studierenden als Prüfungsleistung einen Projektbericht, in dem sie Vorschläge entwickeln, um den Reifegrad der Organisation bezüglich der digitalen Transforma­tion zu steigern. Ein Beispiel für ein Unternehmen mit einem niedrigen Reifegrad bezüglich der digitalen Transformation könnte ein traditionelles Einzelhandelsgeschäft sein, das ausschließlich Läden betreibt, keine oder nur eine sehr grundlegende Online-Präsenz besitzt, kaum digitale Zah­lungs­optionen anbietet und über keine integrierten IT-Systeme für Lagerbestand oder Kundenmanagement verfügt, wodurch es Schwierig­keiten hat, effizient auf Marktveränderungen zu reagieren oder Kunden­bedürfnisse umfassend zu erfüllen.

Im Rahmen des Moduls setzen die Studierenden Reifegradmodelle für die digitale Transformation ein. Reifegradmodelle haben ihren Ursprung in den 1970er und 1980er Jahren im Qualitätsmanagement und wurden mit dem Ziel entwickelt, dass Organisationen ihre Prozesseffizienz und -effektivität systematisch bewerten und schrittweise steigern (Appelfeller & Feldmann, 2023). Heutzutage werden solche Modelle in einer Vielzahl von Bereichen eingesetzt, darunter auch für die digitale Transformation, um den Entwicklungsstand von Prozessen, Produkten oder Organisatio­nen zu bestimmen und Optimierungspotenziale aufzuzeigen. Dabei de­finieren die Reifegradmodelle Kriterien für Reifegrade zu verschie­denen Aspekten, die dann als Grundlage für eine Diskussion des Ist- und Soll-Stands dienen können (Gabriel, 2023). So werden etwa bei Appel et al. (2022) Kriterien wie »Alle eingehenden Informationen für den Prozess sind vollständig digital« oder »Die im Prozess involvierten Mitarbeitenden besitzen die Kompetenzen, um den Prozess erfolgreich durchzuführen« auf einer Skala von 0 bis 5 bewertet. So lässt sich bestimmen, welche Schwächen eine Organisation in Bezug auf die Digitalisierung aufweist. Die Reifegradbestimmung stellt die Grundlage dar, um digitale Trans­formationsprojekte gezielt zu planen.



4.1 Die Aufgabenstellung

Zu diesem Kurs gibt es ein Set an Lehrmaterialien und virtuellen Veran­staltungen. Studierende, die mit dem Kurs starten, erhalten ein Dokument mit einer detaillierten Aufgabenstellung für ihren Projektbericht. Darin wird das Konzept der Reifegradmodelle vorgestellt. Außerdem enthält das Dokument detaillierte Angaben, was im Projektbericht zu tun ist: Studierende sollen ein Projekt zur digitalen Transformation in einem realen Anwendungsfall planen, welches das Ziel hat, den Reifegrad eines Unternehmens oder einer Organisation bezüglich der digitalen Trans­formation zu steigern. Studierende wählen dabei aus mehreren Themen­schwer­punkten wie zum Beispiel zur Prozessoptimierung und Automati­sierung, zu Industrie 4.0 oder zur Nutzung und Analyse von Daten. Die zur Wahl stehenden Themenschwerpunkte werden regelmäßig angepasst, um die aktuellen Herausforderungen der digitalen Trans­forma­tion widerzuspiegeln. Zu jedem der Themen erhalten die Studierenden spezifische Literaturempfehlungen, insbesondere auch zu Reifegrad­modellen, die die Besonderheiten der Aufgabenstellung widerspiegeln (zum Beispiel mit Bezug zur Prozessdigitalisierung), und weitere Angaben, wie der Projektbericht aufgebaut sein soll.



4.2 Erhebung des Reifegrads zur Bestimmung der Veränderungsziele

Die Aufgabenstellung führt die Studierenden schrittweise durch das Pro­jekt. Entsprechend der Logik der Reifegradmodelle der digitalen Trans­formation (zum Beispiel Appel et al., 2022) erfassen sie zunächst den Ist-Stand der Digitalisierung in einer Organisation und beschreiben dann einen angestrebten Soll-Stand. Den Studierenden wird hier ein mittel­fristiger Zeithorizont von ein bis drei Jahren empfohlen. Reifegrad­modelle zur Erhöhung der Reife der digitalen Transformation enthalten üblicherweise mehrere Perspektiven, aus denen die Bewertung erfolgt. Innerhalb dieser Perspektiven sind wiederum meist mehrere Kriterien definiert. Abbildung 3 zeigt in Anlehnung an verschiedene Reifegrad­modelle (zum Beispiel Appel et al., 2022; Appelfeller & Feldmann, 2023; Dumitrescu, Riemensperger & Schuh, 2023) vier typische Perspektiven mit exemplarischen Leitfragen zur Bewertung.

Abbildung 3 Exemplarische Abbildung der Perspektiven eines Reifegradmodells

[Quelle: eigene Darstellung]

Anhand dieser Kriterien kann der Reifegrad im Ist und Soll systematisch erhoben werden. Sowohl für den Ist- als auch den Soll-Stand sind die Studierenden angehalten, Daten in einer Organisation zu sammeln, bei­spiels­weise Interviews zu führen oder Dokumente auszuwerten. Auf diese Weise entsteht ein realistisches Bild, das den Stand in der Organisa­tion in der Regel gut abbildet. Durch die Nutzung bestehender Reifegrad­modelle werden Studierende dazu angeregt, verschiedene Perspektiven einzunehmen, auch jene, die ihnen bisher weniger vertraut sind (zum Beispiel technische versus fachliche Perspektive). Ist- und Soll-Stand dienen im Folgenden als Grundlage, um Maßnahmen abzuleiten, wie in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung 4 Ist-Soll-Abgleich

[Quelle: eigene Darstellung]

Zur Gegenüberstellung von Ist- und Soll-Stand wird häufig ein Netz­diagramm genutzt. So lässt sich priorisieren, in welchen Bereichen Ver­besserungen nötig und im gegebenen Zeitrahmen zu erreichen sind. Heraus­geber von Reifegradmodellen bieten oft ergänzend zum eigentlich Modell Templates an, die für ein konkretes Projekt ausgefüllt wer­den können. Abbildung 5 zeigt exemplarisch eine auf Basis eines solchen Templates generierte Visualisierung.



Abbildung 5 Ist-/Soll-Vergleich für ein Beispielprojekt, generiert mit der Checkliste zum Reifegradmodell Digitale Prozesse 2.0

[Quelle: Bitkom e. V., 2022]

Dieses Vorgehen fördert den Auf- und Ausbau bestimmter Future Skills, insbesondere von Innovationskompetenz, Missionsorientierung, Verände­rungs­kompetenz, Dialog- und Konfliktfähigkeit sowie Urteilsfähigkeit. Indem Studierende den Status quo systematisch hinterfragen, entwickeln sie ein ganzheitliches Verständnis dafür, vor welchen Herausforderungen die Organisation in Bezug auf die digitale Transformation steht. Dies ist ein wichtiger Baustein der Innovationskompetenz. Aufgabe der Studie­renden ist es, keine »Standardlösung« (one size fits all) zu planen, sondern zu überlegen, was für die Organisation Sinn macht und in welcher Reihen­folge. Ziel ist ein Soll-Stand, der für die Organisation erstrebenswert ist. Diese Vorgabe fördert die transformative Kompetenz der Missionsorien­tierung. Es geht darum, einen zukünftigen Stand zu skizzieren, der die in der Organisation arbeitenden Menschen inspiriert und sie davon über­zeugt, die notwendigen Transformationen zu unterstützen.



4.3 Entwicklung von Maßnahmen und Strategien für die Umsetzung der Veränderungsziele

Auf Basis der Unterschiede zwischen Ist und Soll erarbeiten die Studie­ren­den eine Liste möglicher Maßnahmen, die sie im weiteren Verlauf priorisieren und festlegen, welche als Erste angegangen werden sollten. Wichtig ist dabei, dass sie mögliche Nebeneffekte der empfohlenen Maßnahmen diskutieren und potenzielle Vorbehalte der Mitarbeitenden thematisieren. Durch dieses Vorgehen bauen Studierende schrittweise ihre Veränderungskompetenz auf. Indem die Studierenden dazu angehalten sind, zu reflektieren, was für die Organisation und ihre Mitarbeitenden erstrebenswert ist, bekommen sie ein Bewusstsein dafür, was notwendig ist, um Lösungen zu finden, die nachhaltig akzeptiert werden. Abhängig davon, wie eng die Studierenden mit der Organisation zusammenarbeiten, ist gegebenenfalls auch ihre Dialog- und Konfliktfähigkeit gefordert, nämlich genau dann, wenn sie zwischen verschiedenen Positionen und Erwartungen vermitteln müssen.

Auf dieser Grundlage planen die Studierenden das eigentliche Digitali­sierungsprojekt. Dabei müssen sie begründen, welche Maßnahme oder welches Maßnahmenbündel mit hoher Priorität in Form eines Projekts umgesetzt werden soll. Hierbei ist ihre Urteilsfähigkeit gefragt. Studie­rende müssen aus den priorisierten Maßnahmen auswählen und bewerten, welches Vorgehen für die Organisation und die von ihr zu bewältigenden Herausforderungen am besten geeignet ist. Bei der Planung des Projekts diskutieren sie unter anderem die Verwendung agiler und hybrider Metho­den. Das resultierende Projekt wird mittels einer Project Canvas (zum Beispiel nach Habermann, 2014) dargestellt und in den Grundzügen umrissen. Die Project Canvas ist eine visuelle Darstellung (Canvas = Lein­wand) der wichtigsten Aspekte eines IT-Projektes, die der Verständigung zwischen unterschiedlichen Beteiligten (zum Beispiel Management und IT) dient. Abbildung 6 zeigt eine solche Project Canvas.

Abbildung 6 Beispiel Project Canvas

[Quelle: Over the Fence | Frank Habermann & Karen Schmidt]

Da die Projekt Canvas die wichtigsten Aspekte eines Projekts in Form eines vorstrukturierten Plakats darstellt, ist sie besonders geeignet, um ein Projekt auf den Punkt zu bringen und klar und überzeugend zu kom­munizieren. Die Ausarbeitung der einzelnen Bereiche der Project Canvas fördert daher die transformative Kompetenz Missionsorientierung.

Der Kurs selbst umfasst dabei »nur« die Planung eines digitalen Transformationsprojekts. Die eigentliche Umsetzung ist nicht Teil des Moduls.



5 Lehrmaterialien und Live-Veranstaltungen zum Projekt Digitale Transformation

Projektorientiertes Lernen ist ein an der IU bewährtes Lehrkonzept für Module, in denen die Anwendung bestimmter Methoden und Fach­kennt­nisse in praxisnahen Anwendungsszenarien im Fokus steht (Hollstein et al., 2021). Die Unterstützung, die Studierende im Lauf des Projekts von den Lehrenden erhalten, entspricht den Standards im Fernstudium an der IU (IU Fernstudium, 2024c). Studierende, die sich in den Kurs ein­schreiben, erhalten Zugriff auf einleitende Videos, die von den Lehrenden erstellt wurden. Es finden regelmäßig virtuelle Live-Veranstaltungen statt, die sich an Studierende in den verschiedenen Phasen der Bear­beitung des Moduls richten. So gibt es Veranstaltungen, in welchen der Tutor oder die Tutorin unter anderem einen Impulsvortrag gibt, der Studierenden helfen soll, sich im Kurs zurechtzufinden und den Projekt­bericht erfolgreich zu erstellen. In weiteren Live-Veranstaltungen werden unterschiedliche Aspekte des Kurses vorgestellt und vertieft. Ein wich­tiges Element von Live-Veranstaltungen sind zudem Transferaufgaben, bei denen Studierende in Gruppen arbeiten und sich zu ihren Projekten und ihrem Vorgehen austauschen. Bestimmte Teile der Live-Veranstal­tungen wie zum Beispiel die Impulsvorträge der Lehrenden sind für die Studierenden im Nachgang als Videos verfügbar. Die Live-Veranstaltungen bieten den Studierenden auch die Möglichkeit, dem Tutor oder der Tutorin Fragen zu stellen. Außerdem ist der Tutor oder die Tutorin über weitere Kommunikationskanäle erreichbar, wie zum Beispiel über einen Chat, in dem sich Studierende und Lehrende zu den Inhalten des Kurses austauschen.



6 Ergebnisse und Feedback

Studierende schätzen die hohe Praxisnähe des Moduls, das damit die Ziel­setzung des Theorie-Praxis-Transfers erfüllt. Im Folgenden zeigen wir Erfahrungen aus Sicht der Lehrenden auf, die zu einer erfolgreichen Bearbeitung der Projekte führen.



6.1 Tipps und Best Practices für Studierende

In der Durchführung dieses Moduls in den vergangenen zwei Jahren ha­ben sich bestimmte Herausforderungen wiederholt gezeigt. Dazu geben wir den Studierenden konkrete Tipps an die Hand. Gelegentlich fragen Studierende, wie sie eine reale Organisation finden, in der sie das Projekt durchführen können. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sie selbst nicht parallel zum Studium arbeiten und auch nicht auf ehemalige Arbeit­geber zugehen können. Hier wird manchmal die Frage gestellt, ob mit einer fiktiven Organisation gearbeitet werden kann. Dies ist allerdings nicht erwünscht, da der konkrete Praxisbezug fehlt. Der erste Tipp ist in diesem Fall, zu überlegen, mit welcher Organisation zusammengearbeitet werden könnte, zum Beispiel mit einem Kleinstunternehmen (zum Beispiel auch ein Friseursalon, Café ...) im persönlichen Umfeld oder einem Verein. Bisher konnte hier immer ein Praxispartner gefunden werden.

Eine Herausforderung ist manchmal die Festlegung des Betrachtungs­umfangs. Dies wird häufig in den Live-Veranstaltungen und in individueller Abstimmung thematisiert. Gerade wenn Organisationen noch am Anfang der digitalen Transformation stehen, kann das Gefühl aufkommen, dass alles sofort angegangen werden muss. Die Empfehlung ist hier, sich auf einen bestimmten Bereich zu fokussieren und für diesen eine fundierte Ist- und Soll-Analyse durchzuführen und einen aussagekräftigen Maßnahmen­katalog zu erarbeiten. Wird versucht, eine Organisation vollständig zu bewerten, so kann dies dazu führen, dass die Analyse und die vorgeschla­genen Maßnahmen sehr allgemein und oberflächlich bleiben.

Ein Aspekt, der gelegentlich zu Verwirrungen führt und daher in den Lehrmaterialien und Veranstaltungen explizit thematisiert wird, ist die Reihenfolge, in der die Aufgabenstellung bearbeitet wird. Ausgangspunkt bei dieser Projektarbeit ist nämlich nicht ein konkretes Digitalisierungs­projekt, wie es manche Studierende schon im Kopf haben (oder sogar selbst darin mitarbeiten), sondern die Bestimmung des Reifegrads bezüg­lich der digitalen Transformation. Erst wird demnach der aktuelle und erwünschte Reifegrad systematisch anhand verschiedener Kriterien bestimmt. Um die identifizierten Lücken zwischen Ist und Soll-Stand zu schließen, werden konkrete Maßnahmen erarbeitet. Erst auf Basis der identifizierten Maßnahmen wird ein Digitalisierungsprojekt geplant. Dieser rote Faden muss im Projektbericht ersichtlich sein. Studierende haben hierbei häufig das Aha-Erlebnis, dass die Maßnahmen und das Projekt, das sie aufgrund des systematischen und ganzheitlichen Vor­gehens priorisieren, andere sind als ursprünglich und gegebenenfalls vorschnell gedacht.



6.2 Auswertung von Projekten

Viele Studierende engagieren sich intensiv in dem Projekt Digitale Transformation, was sich auch in den Ergebnissen zeigt. Die Projekte spiegeln die vielfältige berufliche Erfahrung der Studierenden wider. So gab es beispielsweise Projekte zur Digitalisierung der Lieferkette eines produzierenden Unternehmens, zur Verbesserung der Mitglieder­verwaltung in einem Sportverein oder zur Evaluierung von ergänzenden digitalen Angeboten für einen kleinen Gastronomiebetrieb während der Corona-Pandemie. Manche Studierende berichten auch, dass ihre Organisation von dem Vorgehen so überzeugt war, dass sie die Aufgabe bekommen haben, außerhalb des Moduls im Rahmen ihrer regulären Arbeit weitere Bereiche der Organisation nach diesem Vorgehen bei der digitalen Transformation zu begleiten. Gelegentlich ergibt sich daraus auch das Thema für die Abschlussarbeit. Zeigte die Projektarbeit bei­spielsweise eine Veränderung der Unternehmenskultur als zentrales Handlungsfeld für die Steigerung der Reife auf, so könnte eine Abschluss­arbeit die Auswirkungen der veränderten Unternehmenskultur auf die Mitarbeitendenzufriedenheit und den Unternehmenserfolg untersuchen.

Zum Schluss des Projektes werden Studierende gebeten, ihr Vorgehen kritisch zu reflektieren. Dabei gab es überwiegend positives Feedback für das hier geschilderte Vorgehen. So stellen Studierende unter anderem he­raus, dass das geforderte schrittweise Vorgehen anhand des Reifegrad­modells dabei hilft, die tatsächlich wichtigen und kritischen Stell­schrauben für die digitale Transformation zu identifizieren. Andere betonen die dadurch erzielte Transparenz, die es erlaubt, Maßnahmen gezielt zu priorisieren.

Außerdem zeigt sich, dass die Studierenden das Gelernte auch auf ihre berufliche Praxis übertragen:

Die Anwendung der für den Projektleiter neuen Methode des Reifegradmodells hat eine strukturierte Analyse des Geschäftsprozesses […] ermöglicht. Diese Analyse stellte eine gute Grundlage zur Ermittlung von Verbesserungsmöglichkeiten dar. Dem Fahrplan der Aufgabenstellung dieses Moduls folgend, konnte somit strukturiert ein künftiges digitales Veränderungsprojekt vorgeschlagen werden, welches mit Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen den Digitalisierungsgrad dieses Prozesses tatsächlich erhöht.

(aus dem Projektbericht eines Studierenden, Abdruck mit Genehmigung)



Das vorige Zitat ist kein Einzelfall. Manche Studierende berichteten Monate nach Abschluss des Moduls, dass sie jetzt in dem von ihnen vorgeschlagenen Digitalisierungsprojekt mitarbeiten oder es sogar leiten.



7 Fazit

Durch die praxisnahe Beschäftigung mit einem realen Projektumfeld werden den Studierenden im Projekt Digitale Transformation wichtige Future Skills vermittelt: Sie lernen in erster Linie transformative Kom­petenzen wie Innovations- und Veränderungskompetenz sowie Missions­orientierung, aber auch digitale Schlüsselkompetenzen wie Digital Literacy und agiles Arbeiten. Die Tatsache, dass das Projekt Digitale Transformation im Fernstudium angeboten wird, erweist sich dabei eher als Vorteil, denn dies ermöglicht die Wahl eines zur persönlichen Situation passenden Studienmodells, unter anderem ein Studium parallel zur Berufstätigkeit. Somit ist die Anwendung von theoretischem Wissen, welches im Studium erworben wird, in der Praxis wesentlich einfacher.





DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

Florian Allwein ist Professor für Digitale Transformation an der IU Internationale Hochschule GmbH. Zuvor war er beruflich bei der FAZ und bei Google tätig, hat an der London School of Economics (LSE) promoviert und das Digital Transformation Lab an der Hochschule München aufgebaut. In seiner Lehre und Forschung beschäftigt er sich mit gesellschaftlichen Herausforderungen der Digitalisierung sowie der Frage, wie erfolgreiche Digitalisierung gelingen kann. So hat er mit der Gesellschaft für Informatik Kriterien für gelungene Digitalisierung definiert und an der IU ein Diskussionspapier veröffentlicht, das eine kritische Perspektive zu ChatGPT aufzeigt. Er unterrichtet im Fernstudium und lebt in Berlin.

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/fallwein/ Profil an der IU: https://www.iu.de/hochschule/lehrende/allwein-florian/ E-Mail: florian.allwein@iu.org





  • Bild: Marek&Beier

Claudia Hess ist Professorin für Digitale Transformation an der IU Internationale Hochschule. Sie lehrt im Fernstudium zu aktuellen Themen rund um digitale Technologien und deren Einsatz in Unternehmen und Organisationen. Schwerpunkte sind Künstliche Intelligenz und Data Science. Darüber hinaus bietet sie Kurse zu agilem und hybridem Projektmanagement an. Neben Lehre und Forschung ist sie auch in der Industrie tätig und unterstützt als Beraterin und Coach Unternehmen in der digitalen Transformation. In enger Zusammenarbeit mit Fachabteilungen, IT und Digital Labs arbeitet sie an der Digitalisierung von Geschäftsprozessen und begleitet Teams bei der agilen Entwicklung neuer digitaler Produkte und Services.

Profil an der IU: https://www.iu.de/hochschule/lehrende/hess-claudia/ LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/claudia-hess/ E-Mail: claudia.hess@iu.org



LITERATURVERZEICHNIS

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FOKUS: SPEZIFISCHE FUTURE SKILLS

02 · INTERKULTURELLE KOMPETENZ UND KREATIVITÄT IM INTERNATIONALEN KONTEXT KOLLABORATIV WEITERENTWICKELN ⸺

CHRISTIAN HORN · TOBIAS SEIDL Hankuk University of Foreign Studies, Seoul Hochschule der Medien, Stuttgart

Passende Lernmöglichkeiten für Future Skills zu schaffen ist eine inter­ationale Herausforderung. Der Praxisbericht zeigt, wie die Future Skills Kreativität und interkulturelle Kompetenz im Rahmen einer internationa­len Hochschulkooperation zwischen Deutschland und Südkorea gemein­sam trainiert werden konnten. Zudem werden übertragbare Lessons Learned vorgestellt.



1 Einleitung

Die Idee der Future Skills oder 21st-Century-Skills ist ein internationales Phänomen. Seit den 1990er Jahren wurden verschiedene Modelle und Frameworks entwickelt, um diese Idee präziser zu fassen (für eine Über­sicht vgl. beispielsweise Ehlers, 2020 und Kotsiou et al., 2022). An der Entwicklung solcher Modelle waren neben einzelnen Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftlern in unterschiedlichen Ländern auch internationale Organisationen wie beispielsweise die EU oder die OECD beteiligt. Dies zeigt, dass die Thematik nicht nur für das Bildungssystem in Deutschland, sondern für Bildungseinrichtungen weltweit relevant ist. Trotz der gemeinsamen Herausforderung, die Entwicklung von Future Skills curricular einzubinden und den Lernprozess sinnvoll zu gestalten, ist die internationale Kooperation (mit deutscher Beteiligung) im Hoch­schulbereich in diesem Themenkomplex noch relativ schwach ausgeprägt, obwohl solche Kooperationen jedoch ganz besondere Potenziale für den Erwerb spezifischer Future Skills bieten können. Im Sinne eines Good-Practice-Beispiels wird in diesem Beitrag ein internationales Koopera­tions­projekt vorgestellt, anhand dessen einige dieser Potenziale sichtbar werden und das so gegebenenfalls als Inspiration für vergleichbare Vorhaben im deutschen Hochschulraum dienen kann.

Das Lehrprojekt wurde 2023 in einer Kooperation zwischen der Hoch­schule der Medien (Stuttgart) und der Hankuk University of Foreign Studies (Seoul) durchgeführt und vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Programm International Virtual Academic Collaboration (IVAC) gefördert. Im Fokus der Veranstaltung stand die Weiterentwicklung der Kompetenzen Kreativität und Innovation, Kommunikation, Zusammenarbeit und Teamarbeit sowie interkulturelle Kompetenz, die in vielen Frameworks zu Future Skills (etwa Binkley et al., 2012) als wichtige Zukunftskompe­tenzen genannt werden. Darüber hinaus diente es der koreanischen Lerngruppe auch zur Weiterentwicklung ihrer sprachlichen Kompetenzen im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Konkret wurde eine Lehrveran­staltung durchgeführt, die aus gemeinsamen Arbeitsphasen der korea­nischen und deutschen Studierenden (per Zoom und Moodle) sowie speziell auf beide Lerngruppen ausgerichteten Angeboten (in Präsenz und per Zoom) bestand. In den gemeinsamen Arbeitsphasen arbeiteten sich die Studierenden in Kleingruppen durch einen strukturierten Inno­vationsprozess. In den zielgruppenspezifischen Angeboten wurde begleitend die Sprach- sowie die interkulturelle Kompetenz explizit adressiert.

In der Verknüpfung von interkultureller Kompetenz und einer bzw. mehrerer zusätzlicher Future Skills liegt unseres Erachtens das zentrale Potenzial bei internationalen Kooperationen im Bereich Future Skills. Dies bedeutet aber auch, dass der Lernprozess in den jeweiligen Kompe­tenzbereichen professionell unterstützt und etwa durch regelmäßige Reflexion begleitet werden muss (vgl. z. B. Lange, 2009).

In Abschnitt 2 werden zunächst die Zielgruppen, die Lernziele des Lehrprojektes und das didaktische Konzept beschrieben. Abschnitt 3 erläutert dann die übertragbaren Lessons Learned und Herausforde­rungen. Der Beitrag schließt mit einem kurzen Blick auf Chancen internationaler Lehrkooperationen zur Entwicklung von Future Skills.



2 Das Lehrprojekt

2.1 Lernendengruppe(n) und curriculare Einbindung

Die deutschen Teilnehmenden des Projekts waren allesamt BA-Studieren­de der Fakultät Information und Kommunikation der Hochschule der Medien Stuttgart. Sie rekrutierten sich aus den Studiengängen Informationsdesign, Online-Medien-Management, Wirtschaftsinformatik sowie Informations­wissenschaften. Seit mehreren Jahren ist in alle BA-Studiengänge der Fakultät eine verpflichtende Schlüsselkompetenz­ausbildung im Umfang von 15 ECTS integriert (vgl. Burmester & Seidl, 2020). Das Projekt wurde als Variante einer bestehenden Wahlpflicht­veranstaltung im Umfang von zwei ECTS im Schlüsselkompetenzbereich angeboten. Um den Mehr­aufwand für die Studierenden in der inter­nationalen Variante abzubilden, wurde ihnen für die Teilnahme am Projekt zusätzlich ein unbenoteter internationaler Intensivkurs (ebenfalls im Umfang von zwei ECTS) angerechnet.

Die koreanische Lerngruppe bildeten die Studierenden des Kurses Advanced German Conversation der Abteilung für Deutschlehrer­ausbildung der Hankuk University of Foreign Studies (HUFS) in Seoul, Südkorea. Der Kurs richtet sich als Wahlpflichtkurs an Studierende im dritten bzw. vierten Studienjahr. Seit dem Jahr 2020 werden in dem Kurs regelmäßig internationale Videokonferenzen mit Deutschlernenden aus anderen Ländern zur Weiterentwicklung der interaktionalen und der interkulturellen Kompetenz (vgl. Horn, 2022; Horn & Kanematsu, 2021) durchgeführt, sodass die Lernenden zu Beginn des Kurses bereits inter­kulturelle Begegnungen mit Studierenden aus Deutschland erwarteten. Die Sprachniveaus der Studierenden reichten von B1 bis C2 nach dem Europäischen Referenzrahmen. Insgesamt konnten für das Pilotprojekt sechs koreanische und 17 deutsche Studierende gewonnen werden.



2.2 Ableitung und Operationalisierung der Lernziele

Das bereits 2012 von Binkley et al. vorgelegte Meta-Modell der 21st-Century-Skills bzw. Future Skills eignet sich gut als Orientierungspunkt für Curriculumsentwicklungsprozesse (vgl. dazu Seidl, 2017). Für das Lehrprojekt wurden, neben der Weiterentwicklung der Deutschkompe­tenzen der koreanischen Studierenden, die drei Kompetenzfelder Kreativität und Innovation, Kommunikation sowie Zusammenarbeit und Teamarbeit (Binkley et al., 2012) zusammen gedacht und in die Lernziele integriert. Das Kompetenzfeld Kreativität und Innovation wird dabei nicht primär als künstlerisch-expressive Kreativität verstanden, sondern als die Fähigkeit zur Generierung von neuartigen und nützlichen Ideen, Pro­blemlösungen oder Produkten. Damit ist diese Kompetenz für eine Vielzahl von Arbeits- und Lebensbereichen von hoher Relevanz. Diese Relevanz wird auch in aktuellen Studien zur Entwicklung des Arbeits­marktes immer wieder unterstrichen (vgl. etwa WEF, 2023). Im Hinblick auf die Bereiche Kommunikation sowie Zusammenarbeit und Teamarbeit wird im Modell besonders die Bedeutung des kompetenten Handelns in interkulturellen Gruppen hervorgehoben. Auch das Future-Skills-Modell des Stifterverbandes misst den hier beschriebenen Kompetenzbereichen eine hohe Bedeutung bei.

Die Entscheidung, die genannten Kompetenzfelder kombiniert zu adres­sieren, bot sich nicht nur im Hinblick auf die Relevanz dieser Bereiche für die Studierenden an, sondern auch im Hinblick auf die Rolle von inter­nationalen Gruppen für und in Kreativitäts- und Innovationsprozessen. Aus der Kreativitätsforschung gibt es Hinweise, dass die kulturelle Hete­ro­genität von Teams die Effektivität derselben – im Vergleich zu kulturell homogenen Teams – erhöht (Huboing et al., 2013). Die kulturelle Diver­sität kann dabei zur gegenseitigen Anregung im kreativen Prozess führen, wodurch die Kreativität der Gruppe insgesamt gestärkt wird. Gleichzeitig sind kommunikative Fähigkeiten sowie Fähigkeiten zur Zusammenarbeit im Team wichtig, um diese Heterogenität nutzbar machen zu können. Das bedeutet, Kreativität, Kommunikation, Zusam­menarbeit im Team und interkulturelle Kompetenz lassen sich als Lernfelder optimal verknüpfen. Abgeleitet aus dem KSAVE-Modell (Binkley et al., 2013) wurden für das Kompetenzfeld Kreativität und Innovation folgende Lernziele definiert:

  • Die Studierenden kennen Prozessmodelle von Innovations- und Kreativitätsprozessen.
  • Die Studierenden können verschiedene Kreativitäts- und Innovations­methoden gezielt einsetzen.
  • Die Studierenden können Kreativitäts- und Innovationsprozesse planen und umsetzen.
  • Die Studierenden sind offen für neue und wertvolle Ideen (sowohl inkrementelle als auch radikale).
  • Die Studierenden begreifen Rückschläge als Lerngelegenheiten und sind zur Überzeugung gekommen, dass Kreativität und Innovation langfristige, zyklische Prozesse sind, die durch kleine Erfolge und regelmäßige Rückschläge geprägt sind.

Im Hinblick auf die Kompetenzfelder Kommunikation, Zusammenarbeit und Teamarbeit sowie interkulturelle Kompetenz wurden folgende Lernziele aus dem KSAVE-Modell abgeleitet:

  • Die Studierenden können Arbeit im Team organisieren und Teamarbeit sowohl im Hinblick auf das inhaltliche Ziel als auch die soziale Dimen­sion erfolgreich steuern.
  • Die Studierenden können kulturelle Unterschiede nutzen, um neue Ideen zu entwickeln und sowohl die Innovation als auch die Qualität der Arbeit zu steigern.
  • Die Studierenden haben ein Bewusstsein und Sensibilität für gesellschaft­liche Konventionen und kulturelle Aspekte der Kommunikation entwickelt.
  • Die Studierenden haben Respekt vor kulturellen Unterschieden und die Bereitschaft zur effektiven Zusammenarbeit mit Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Hintergründen.

Für die koreanische Gruppe wurden vor dem Hintergrund ihrer spezi­fischen Bedarfe für die Kompetenzfelder zusätzlich folgende Lernziele festgelegt:

  • Die Studierenden haben eine positivere Haltung zur Zusammenarbeit in Teams entwickelt und Potenziale der Teamarbeit erkannt.
  • Die Studierenden haben ihre Deutschkompetenz durch den intensiven sprachlichen Austausch auf Deutsch in der Kleingruppenarbeit verbessert.



2.3 Didaktisches Konzept

Das didaktische Konzept bestand aus drei Lehrveranstaltungsteilen (A–C; vgl. Abbildung 1), die parallel über das gesamte Semester verliefen und in ihrem Zusammenspiel für die Studierenden einen kombinierten Kompe­tenz­erwerb ermöglichen sollten. Die Kompetenzbereiche wurden dabei zwischen den beiden Lehrkräften entsprechend ihrer eigenen Profile und Kompetenzbereiche aufgeteilt.

Abbildung 1 Lehrveranstaltungsteile des didaktischen Konzepts

[Quelle: eigene Darstellung]



Die sprachliche und interkulturelle Begleitung der koreanischen Stu­dierenden (Teil A) erfolgte im Rahmen der regulären Veranstaltung in Präsenz. Das fachliche Thema Kreativität und Innovation wurde dabei zunächst im Kurs eingeführt und das Konzept sowie die Moodle-Seite des Lehrprojekts vorgestellt. Daran schloss sich eine Unterrichtssequenz zu Interkulturalität an, die zum Ziel hatte, die Studierenden für den Umgang mit interkulturellen Begegnungen zu sensibilisieren und auf gegebenen­falls auftretende kulturelle Unterschiede bei der Interaktion mit den deutschen Studierenden vorzubereiten. Dazu wurden verschiedene emische und etische Ansätze, etwa Kulturdimensionen im Sinne von Hof­stede (1980), »high-context vs. low-context cultures« nach Hall (1959) und »Kulturstandards« nach Thomas (1991), kritisch diskutiert. Über den weiteren Kursverlauf wurden die jeweiligen Erfahrungen und Schwierig­keiten in den internationalen Kleingruppen auf Deutsch er­örtert, Lösungen für Herausforderungen besprochen und die Lehrvideos sprachlich vorentlastet.

In Teil B fand die Zusammenarbeit der beiden Gruppen sowie das struk­turierte Lernen im Bereich Kreativität und Innovation statt. Didaktisch war das Projekt geprägt durch ein Zusammenspiel von fachlichem Input, eigenem Ausprobieren und Reflexion über das eigene Denken, Erleben und zukünftige Handeln (vgl. dazu auch das Modell des Experimental-Learning-Cycles (Kolb, 1984)). Die Erprobung des eigenen Handelns in den Bereichen Teamarbeit und Innovation/Kreativität sowie dessen Reflexion und die Ableitung von Lessons Learned war in Teil B verortet. In Bezug auf die Sprach- und interkulturelle Kompetenz fand das Sammeln einschlägiger Erfahrungen ebenfalls in Teil B statt. Die Reflexion dieser Erfahrung und die Ableitung neuer Handlungsstrategien (sowohl indivi­duelle als auch als Gruppe) wurden strukturiert in den Teilen A und C durchgeführt. Die hierbei neu entwickelten Strategien konnten dann wieder in Teil B erprobt werden (vgl. auch Abbildung 1).

Dem didaktischen Konzept von Teil B – Gemeinsam Kreativität und Inno­vation lernen – lag ein Blended-Learning-Ansatz zugrunde, in dem geringe Präsenzzeiten im Plenum, digitaler Input, Gruppenarbeit und verschie­dene Feedbackformate kombiniert wurden. Zunächst erfolgte in der ersten Semesterwoche ein synchroner Online-Kick-off mit einer Vor­stellung des Veranstaltungskonzepts und der Klärung von organisato­rischen Rückfragen. Daran anschließend arbeiteten sich die Studie­renden, mithilfe von Lernvideos, in die theoretischen Grundlagen des Themas Kreativität und Innovation ein. Zum Abschluss des Theorieblocks bearbeiteten sie schriftlich Reflexionsfragen, die die Theorie mit ihrem eigenen Handeln und Erleben verbanden. Zu ihren Antworten bekamen die Studierenden schriftliche Rückmeldungen durch den Lehrenden. Während des Semesters durchliefen die Studierenden in gemischten Kleingruppen (fünf bis acht Studierende) einen Prozess, der strukturiert ihre Kreativitäts- und Innovationskompetenzen weiterentwickelte. Dabei nutzen sie vom Lehrenden entwickelte Arbeitsmaterialien, die unter einer cc-Lizenz als OER veröffentlicht sind (Seidl, 2019). Das hier genutzte Delight-Set gibt, in Kombination mit den Lernvideos, zum einen eine solide theoretische Einführung in das Thema Kreativität und Innovation und zum anderen praxisorientierte Handlungsanweisungen für die Gestaltung von kreativen Arbeitsprozessen in Gruppen.

Jede der Phasen im Prozess wurde nach dem gleichen Muster bearbeitet:

  • Input durch Lernvideos (bereitgestellt über das LMS Moodle) zur inhalt­lichen Einführung in die Phase und deren Ziele
  • Bearbeitung der jeweiligen Phase im Prozess in der Gruppe mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Methoden und Arbeitsmaterialien
  • Dokumentation der Arbeitsergebnisse der Gruppe inklusive Reflexion des Vorgehens in der Phase in Form einer Power-Point-Präsentation (Upload in Moodle)
  • Individuelles, asynchrones Feedback zur Dokumentation und Reflexion durch den Lehrenden in Form eines Videos für jede Gruppe (Verteilung über Moodle)

Am Ende des Gesamtprozesses erfolgte ein synchrones Auswertungs­gespräch des Lehrenden mit den einzelnen Gruppen.

Zur interkulturellen Begleitung der deutschen Studierenden (Teil C) fan­den zwei einstündige Online-Treffen der deutschen Studierenden mit der Lehrkraft des koreanischen Kurses sowie eine Abschlussbesprechung in Stuttgart statt. Die erste Veranstaltung war dabei aufgrund der knappen Zeit eher instruktiv und

  • informierte über den koreanischen Kurs (Studienfach und -jahr, Aus­lands­erfahrungen der Studierenden, Sprachkenntnisse) sowie dazu, wie das Lehrprojekt im Kurs eingeführt worden war,
  • erläuterte sprachliche, soziale und kulturelle Herausforderungen für die koreanischen Studierenden und
  • gab Tipps zur Interaktion, für das eigene Verhalten und für die eigene Haltung, die den Austausch und die Zusammenarbeit erleichtern sollten.

Das zweite Treffen, etwa sechs Wochen später, diente der Reflexion der bisherigen Erfahrungen im Austausch mit den koreanischen Studierenden und wurde als offene Gesprächsrunde umgesetzt, in der interessante auf­getretene Befunde gemeinsam besprochen wurden.

Der Verlauf und die Ergebnisse des Lehrprojekts wurden umfassend reflektiert und evaluiert (vgl. Horn & Seidl, in Vorb.). Zum Evaluations­verfahren gehörten hinsichtlich der Auseinandersetzungstiefe benotete Lerntagebücher, eine gemeinsame Reflexionsrunde im Rahmen einer Abschlusskonferenz, separate Feedbackrunden mit den beiden Lern­gruppen und eine Abschlussbesprechung der Lehrkräfte nach Ende des Projekts.



3 Lessons Learned und Herausforderungen

Aus dem Projekt lassen sich verschiedene Lessons Learned und Heraus­forderungen ableiten, die auch auf andere Projekte und Kontexte übertragen werden können. Die Rückmeldungen der Studierenden im Rahmen des Evaluationsverfahrens, die hier nur kurz angerissen werden können (vgl. für eine detaillierte Analyse Horn & Seidl, in Vorb.), zeigen, dass die Lernziele des Lehrprojekts im Großen und Ganzen erreicht wurden und sich das Lehrkonzept in diesem Setting grundsätzlich bewährt hat. Alle Gruppen durchliefen erfolgreich den als roten Faden der Ver­anstaltung dienenden strukturierten Innovationsprozess und präsentier­ten bemerkenswerte Projektprodukte, die eine Kompetenzsteigerung in diesem Bereich belegen. Hinsichtlich der Weiterentwicklung der inter­kulturellen Kompetenz lobten beide Lerngruppen die Möglichkeit, durch das Projekt und die kollaborative Arbeit in den Kleingruppen etwas über die andere Kultur, Kommunikation, Lebensumstände und Denkweise kennenlernen und so ihre Perspektive erweitern zu können. Von den deutschen Studierenden wurden insbesondere auch die Sitzungen zur Sensibilisierung für Besonderheiten der koreanischen Kultur als sehr hilfreich für die Zusammenarbeit wahrgenommen. Für die koreanischen Studierenden bestand ein wichtiger Effekt des semesterbegleitenden Austauschs darin, mit den deutschen Studierenden ein näheres zwischen­menschliches Verhältnis und gegenseitiges Vertrauen aufbauen zu können. Dies gab ihnen auch bei der Kommunikation in der Fremdsprache Deutsch zunehmend Sicherheit; entsprechend ließen sich Kompetenz­fortschritte etwa im Bereich der Lexik, aber auch hinsichtlich des sprach­lichen Selbstvertrauens beobachten. In Bezug auf die kollaborative Projektarbeit nannten beide Gruppen auch kulturelle Unterschiede, etwa, dass sich die deutschen Studierenden zunächst mit der näheren Analyse des Problems beschäftigten, während die koreanischen Studierenden sich sofort der Lösungsfindung widmeten. Die mit den wahrgenommenen Un­terschieden einhergehenden individuellen Herausforderungen, gepaart mit geäußerter Empathie von beiden Seiten, erzeugten auch von den beiden Lehrkräften beobachtbare Perspektivwechsel und trugen so zur Weiterentwicklung der interkulturellen Kompetenz bei. Von beiden Gruppen wurde allerdings angegeben, dass ihnen, gerade zu Beginn, mehr Zeit zum Kennenlernen und für den interkulturellen Austausch gefehlt habe. Entsprechend ist für künftige bzw. ähnliche Projekte eine umfang­reichere, in großen Teilen selbstgesteuerte Phase mit großer Lernenden­autonomie vorzusehen (vgl. Horn, 2022). Die kombinierte Entwicklung verschiedener Future Skills in einem Veranstaltungsformat hat sich be­währt, insbesondere da im vorliegenden Fall Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Kompetenzen bestehen.

Im Hinblick auf den organisatorischen Rahmen sind vor allem die unterschiedlichen Semesterzeiten sowie der Zeitunterschied zwischen Deutsch­land und Südkorea eine Herausforderung gewesen. Hier bewähren sich eine frühzeitige Planung sowie eine Abkopplung von der normalen Laufzeit von Veranstaltungen. Zudem empfiehlt es sich, zeit­gleiche Slots im Stundenplan beider Gruppen festzulegen, um in diesen Zeiten gemeinsame Arbeitsphasen durchführen zu können. Die Nutzung von digitalen Lernmaterialien (zum Beispiel Videos mit Unter­titeln), einem gemeinsam nutzbaren LMS sowie einem Videokonferenz­tool hat sich als geeignet und ausreichend erwiesen. Die Durchführung und Anrechnung solcher Veranstaltungen wird erleichtert, wenn man sie in bestehende Veranstaltungscontainer integrieren kann.

Zum Erfolg maßgeblich beigetragen hat das didaktische Konzept, dass die beiden Lernenden- und Lehrendengruppen in ihrer Unterschiedlichkeit berücksichtigt hat:

  • Für beide Gruppen wurden gemeinsame, aber auch spezifische Lern­ziele festgelegt, die sich dann auch in der Gestaltung der unterschied­lichen Veranstaltungsteile niedergeschlagen haben. Damit wurde die Heterogenität der Gesamtgruppe berücksichtigt und bewusst in das Veranstaltungskonzept integriert.
  • Auch die Heterogenität des Lehrendenteams wurde im Projekt als Ressource verstanden. Eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten und Rollenverteilung, abgestimmt auf die Kompetenzen und Erfahrungen der Lehrenden, hat sich hier als Erfolgsrezept bewährt. Dies erforderte jedoch auch einen hohen Kommunikationsaufwand im Vorfeld sowie ein Einlassen auf und Integrieren der fachlichen Perspektiven des Anderen. Gerade hier können die Lehrenden aber als Rollenvorbild für ihre Studierenden dienen, da sie eine solche Haltung ja auch bei diesen entwickeln wollen (zur Bedeutung der Vorbildrolle des Lehrenden vgl. auch Seidl, 2021, mit Blick auf Schlüsselkompetenzen auch Lange, 2009).
  • Wichtig ist aus unserer Erfahrung zudem eine gemeinsame Vision sowie ein iteratives Mindset, um auf der einen Seite ein geteiltes Ziel zu haben und auf der anderen Seite das Konzept kontinuierlich nach­steuern und weiterentwickeln zu können.



4 Ausblick

Future Skills werden, wie bereits in der Einleitung beschrieben, in der Lehre bislang vor allem lokal gedacht – trotz des internationalen An­spruchs des Konzepts. Das Good-Practice-Beispiel hat jedoch gezeigt, dass in internationalen Unterrichtsprojekten viel Potenzial für neue und zusätzliche Möglichkeiten zum Kompetenzerwerb liegt. Wie so oft im Hochschulkontext sind internationale Kooperationen sehr stark an einzelnen (traditionellen) Fächern ausgerichtet. Dies ist Chance und Problem gleichermaßen. Chance in dem Sinne, dass man bestehende Kooperationen auf fachlicher Ebene durch eine professionell betreute und bearbeitete Future-Skills-Dimension anreichern könnte. Das im Beitrag vorgestellte didaktische Modell könnte hierzu als Inspiration dienen. In der konkreten Praxis ist problematisch, dass den handelnden Akteuren oft unklar ist, wo, wie und von wem das Thema Future Skills an Partnerhochschulen betreut wird. Hier kann es sich lohnen (gegebenen­falls auch mit Unterstützung des eigenen International Office), bewusst bei einzelnen Partnerhochschulen nach Pendants im Bereich Future Skills zu suchen und sich zu vernetzen. Auch eine Vernetzung in international ausgerichteten Initiativen innerhalb der deutschen Community bietet sich dafür an. Seit 2020 gibt es zum Beispiel in der Deutschen Gesellschaft für Schlüsselkompetenzen in Lehre, Forschung und Praxis einen Fachausschuss für Internationale Perspektiven auf Schlüsselkompetenzen, der ein solches Forum für den Austausch und zur Vernetzung bietet.



DIE AUTOREN

Christian Horn ist Associate Professor für Linguistik und Didaktik am Depart­ment of German Education an der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul, Südkorea. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen unter anderem in Collaborative Online International Learning (COIL) und Virtual Exchange. Er ist Projektleiter diverser internationaler Kooperationsprojekte, Veranstal­ter zahlreicher Fachtagungen und leitet den Fachausschuss Internationale Perspektiven auf Schlüsselkompetenzen der Gesellschaft für Schlüssel­kompe­tenzen.

Prof. Dr. Tobias Seidl ist seit 2013 Professor für Schlüssel- und Selbstkom­pe­ten­zen Studierender an der Hochschule der Medien Stuttgart. Seine Expertise in den Bereichen Hochschulentwicklung und Future Skills bringt er unter anderem im Hochschulforum Digitalisierung, im Stifterverband und als Mitglied und Gutachter in diversen Fachausschüssen ein. Für seine inhaltliche und konzeptionelle Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet.



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FOKUS: SPEZIFISCHE FUTURE SKILLS

03 · VERMITTLUNG VON FUTURE SKILLS FÜR MATHEMATIK IN SCHULE UND HOCHSCHULE ⸺

MATTHIAS BRANDL Universität Passau

Durch ein vielfältiges und vernetzendes Konzept versucht die Professur für Didaktik der Mathematik an der Universität Passau digitale und klas­sische Aspekte von Future Skills insbesondere in Bezug auf die Verbund­nutzung digitaler und traditioneller Medien zu fördern. Hierfür werden universitäre Lehrkräftebildung, Erkenntnisse aus internationalen Koope­rationsprojekten und der Begleitung eines bayernweiten Schulversuchs sowie individuelle Erfahrungen aus unmittelbaren schulischen Unter­richts­einsätzen in der Gesamtschau betrachtet. Dabei steht insbeson­dere die neue prozessbezogene Kompetenz Mit Medien mathematisch arbeiten aus den im Jahr 2022 überarbeiteten Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz für das Fach Mathematik im Fokus.



1 Einleitung

Gemäß einer Analyse des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS, 2017) sind – neben Globalisierung, demografischem Wandel und Migration – Bildung und Digitalisierung zwei der großen Trends im aktu­ellen Wandel der Arbeitswelt, was direkt auch auf schulische Belange und Herausforderungen Auswirkungen hat (Brandl & Szabo, 2024). Speziell in den 2022 aktualisierten Bildungsstandards für das Fach Mathe­matik – Erster Schulabschluss (ESA) und Mittlerer Schulabschluss (MSA) i.d.F. vom 23.06.2022 wurde als neue siebte prozessbezogene Kompetenz Mit Medien mathematisch arbeiten aufgenommen (KMK, 2022, S. 7 bzw. S. 13/14). Dort heißt es unter anderem: »Mathematische Bildung in der digi­talen Welt umfasst: Fachliche Kompetenzen digital zu fördern und digitale Kompetenzen fachlich zu fördern. [...] Digitale Medien, die für das Lernen und Lehren von Mathematik relevant sind, umfassen mathematik­spezi­fische sowie allgemeine Medien. Mathematikspezifisch sind insbesondere digitale Mathematikwerkzeuge als themenübergreif­ende Medien, aber auch themenspezifische mathematikhaltige Medien (zum Beispiel Apps, interaktive Lernangebote).« (KMK, 2022, S. 13). Im Hinblick auf das Future Skills Framework von Stifterverband und McKinsey & Company (Stifterverband, 2021) vermag diese mathematik­unterrichts­spezifische neue KMK-Kompetenz sowohl Bereiche klassischer Kompe­tenzen (wie zum Beispiel Lösungsfähigkeit und Kreativität) als auch digi­tale Schlüssel­kompetenzen (wie zum Beispiel Digital Learning und Digital Literacy) sinnstiftend miteinander zu verbinden und im Verbund zu thematisieren.

Um diese zukunftsorientierte Schlüsselkompetenz umfassend zu adres­sieren, verfolgte die Professur für Didaktik der Mathematik an der Uni­versität Passau zuletzt ein vielfältiges und vernetztes Konzept

  1. in der universitären Lehrkräftebildung (vgl. zum Beispiel Brandl, im Druck; Brandl & Vinerean, 2023; Przybilla, Brandl, Vinerean & Liljekvist, 2022),
  2. in einem internationalen Kooperationsprojekt und bayernweiten Schulversuch mit universitärer Begleitung (vgl. zum Beispiel Barthel & Brandl, 2020) und
  3. im schulischem Unterrichtseinsatz (vgl. zum Beispiel MGF, 2023).

Dies wird im Folgenden kurz vorgestellt.



2 Beschreibung des implementierten Konzepts

2.1 Universitäre Lehrkräftebildung

Es besteht Einigkeit darüber, dass die Ausbildung von vernetztem Pro­fessionswissen als Schlüsselkompetenz der Zukunft von hoher Bedeutung ist (vgl. zum Beispiel Hellmann et al., 2021). Im Rahmen der Qualitäts­offensive Lehrerbildung des BMBF wurde an der Professur für Didaktik der Mathematik an der Universität Passau in Kooperation von Fach­wissen­schaften, Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften ein ver­zahntes und Wissen vernetzendes digitales Online-Lehr-Lern-Format (Digitale Interaktive Mathematische MapsDIMM) zur Unterstützung von Lehr-Lern-Prozessen in Schule und Hochschule konzeptuell entwickelt und erprobt (vgl. Abbildungen 1, 2 und 3). Dies geschah in den Projekten SKILL und SKILL.de (Strategien zur Kompetenzentwicklung: Innovative Lehrformate in der Lehrerbildung/digital enhanced). Dabei wurden digi­tale Wissensnetze mit historischer Komponente für Geometrie, Algebra, Analysis und Stochastik, jeweils in den Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch und Ukrainisch, entworfen, implementiert und in mehreren iterativen Design-Zyklen teilweise international erprobt und weiterent­wick­elt (vgl. zum Beispiel Brandl, im Druck; Brandl et al., 2023; Przybilla et al., 2022; Vinerean et al., 2023). Die DIMM sind frei online zugänglich und verwendbar unter https://math-map.fim.uni-passau.de.

Abbildung 1 Dreidimensionale Karten für Algebra (oben links), Geometrie (oben rechts), Analysis (unten links) und Stochastik (unten rechts) (Status: 14.03.2024)

[Quelle: eigener Screenshot]

Abbildung 2 Beispieleintrag (englisch) der Geometrie-Karte bzw. Timeline (Status: 14.03.2024)

[Quelle: eigener Screenshot]

Abbildung 3 Links: exemplarischer vertikaler Schnitt der Geometrie-Karte; rechts: horizontaler Schnitt der Geometrie-Karte zwischen 520 v. Chr. und 1640 n. Chr. (Status: 14.03.2024)

[Quelle: eigener Screenshot]



2.2 Internationales Kooperationsprojekt und bayernweiter Schulversuch

Im Rahmen der Erforschung von Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien im Mathematikunterricht steht an der Professur aktuell auch der Einsatz von dynamischen Mathematik-Apps wie GeoGebra zusammen mit wei­teren Online-Angeboten der GeoGebra-Homepage (wie zum Beispiel die interaktive virtuelle Plattform GeoGebra Classroom) auf mobilen Gerä­ten im nationalen und internationalen Kontext im Fokus. Das Projekt Smartphone Math-Apps in Learning Environments (SMiLE) vertritt im Rahmen des Globalen Lehrkräftebildungsforschungs- und Bildungs­austauschprogramms global.trex Passau (DAAD/BMBF) den Fachbereich Mathematik. In einer Kooperation mit der Universidad de Ciencias Peda­gógicas Enrique José Varona (UCPEJV) Havanna, Kuba, wurden in der Kontrastierung zweier äußerst unterschiedlicher Kontexte Erfah­rungen gesammelt und in aktuelle Lehr-Lern-Medien eingearbeitet. Das Baye­rische Staatsministerium für Unterricht und Kultus ermöglichte parallel mit dem Schulversuch CAS in Prüfungen die Erprobung von GeoGebra-Apps und Online-Angeboten der Plattform www.geogebra.org auf mobilen Geräten wie Tablets und Smartphones in Prüfungen ab der achten Jahrgangsstufe bis hin zum Abitur. Es waren zehn bayerische Gymnasien an diesem Projekt beteiligt, das am 31. Juli 2024 ausgelaufen ist. Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Schul­versuchs durch die Professur haben neue Online-Fortbildungsformate (unter anderem moderierte Online-Seminare in Orientierung an den eSessions der Stabsstelle der Akademie für Lehrerfortbildung und Per­sonal­führung Dillingen) es möglich gemacht, eine breitere Lehrkräfte­schaft zu erreichen als vor der Pandemie. Von der im Frühjahr 2024 durchgeführten Abschlussevaluation des Schulversuchs werden Rück­schlüsse auf Herausforderungen und Probleme beim Einsatz der digitalen Medien und Formate erwartet.



2.3 Schulischer Unterrichtseinsatz

In einer Kooperation zur Stärkung des Theorie-Praxis-Bezugs in der Lehrkräftebildung zwischen dem Maristengymnasium Fürstenzell (MGF) und der Professur für Didaktik der Mathematik der Universität Passau arbeitete die Fachbetreuung Mathematik am MGF und die Professur im Mathematikunterricht einer 10. Klasse in den Schuljahren 2022/2023 und 2023/2024 in wechselweisen und Co-Teaching-Verfahren zusammen (vgl. zum Beispiel MGF, 2023). Dabei wird insbesondere die Kompetenz Mit Medien mathematisch arbeiten (unter anderem BYOD-Smartphone-Ansatz; Verwendung von GeoGebra-Apps und Online-Angeboten der Plattform www.geogebra.org) adressiert. Die dabei gewonnene Erfah­rung fließt unmittelbar in die universitäre Lehre zur Didaktik der Mathe­matik mit ein und kommt zukünftigen Mathematiklehrkräften zugute.



3 Erfolge und Herausforderungen

Die DIMM wurden in den letzten Jahren unter anderem bereits in Kursen der Lehrkräfteaus- und -weiterbildung zur Geometrie und Analysis an der Universität Karlstad in Schweden eingesetzt und unter anderem hinsicht­lich ihrer technischen Bedienbarkeit sowie ihrer Eignung zur Förderung eines vorteilhaften Bilds der Wissenschaft Mathematik evaluiert. Dabei zeigte sich, dass die DIMM als weitestgehend einfach zu bedienen und ihre Funktionalitäten als nützlich wahrgenommen werden (Vinerean, Liljekvist, Brandl & Przybilla, 2023). Speziell die Möglichkeit, vertikale und horizontale Schnitte (vgl. exemplarisch Abbildung 3 links bzw. rechts) durch die dreidimensionale Karte anfertigen zu können, um damit zeit­liche Entwicklungsmomente und thematische Zusammenhänge in der Mathematik sichtbar zu machen, wurde von über 90 Prozent der Befrag­ten aus dem Geometrie-Kurs als nützlicher und klarer Weg befunden. Auch in Bezug auf die Analysis-Karte äußerten sich Kursteilnehmende ähnlich: »Die interaktive Karte gab mir einen guten und einfachen Über­blick über die Entwicklung der mathematischen Analysis. Sie zeigte gut und einfach die Reihenfolge, in der die verschiedenen Menschen dazu beigetragen haben, und die Verbindung zwischen ihren Entdeckungen.« (Student 18; deutsche Übersetzung durch Autor) Beziehungsweise: »Sie ermöglicht uns zu sehen, wie die gesamte Menschheit, repräsentiert durch viele Wissenschaftler aus verschiedenen Orten und Zeiten, zu dieser Innovation beigetragen hat.« (Student 1; deutsche Übersetzung durch Autor)

Des Weiteren zeigte die Evaluation der Geometrie-Karte, dass durch die Arbeit mit den DIMM auch vorteilhafte Sichtweisen auf die Mathematik (»beliefs«) gefördert werden können (Vinerean, Brandl & Liljekvist, 2023). Diese sind ein bedeutsamer Bestandteil der Professionalisierungs­kompe­tenz von Mathematiklehrkräften (Felbrich et al., 2008, S. 764). Als vorteilhaft wird hierbei eine dynamische Interpretation der Mathematik als sich entwickelnde Wissenschaft gesehen (im Gegensatz zu einer eher statischen Betrachtungsweise von Formalismen und Schemata), die auch vorübergehend in die Irre führende Entwicklungsschritte aufzeigt und dadurch auch im Unterricht zu einer offenen Fehlerkultur beitragen kann.

Die im Rahmen der Schulversuchsbetreuung durchgeführte Fortbildung, die auch Interessierten außerhalb des Schulversuchs offenstand, hatte zum Teil hohe Teilnehmenden-Zahlen, wie zum Beispiel die von StR Christian Barthel durchgeführte eSession GeoGebra – Überblick und Einsatzmöglichkeiten im (Distanz-) Unterricht während der Zeit der Covid-Pandemie mit über 200 Anmeldungen.

Im Rahmen der Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule in Havanna, Kuba, wurden Elemente und Aufgaben mit Aspekten zur Nutz­ung dynamischer Mathematiksoftware wie GeoGebra in eine Neuauflage der kubanischen Mathematik-Lehrwerke verstärkt aufgenommen. Auf­grund eines leider nur bedingt vorhandenen Zugangs zum Internet ist in Havanna trotz stark verbreiteter Nutzung des eigenen Smartphones im Unterricht (BYOD-Ansatz) die Nutzung von kollektiven und kooperativen Beispielanwendungs-Sammlungs-Clouds (zum Beispiel die GeoGebra-Materialiensammlung mit über einer Million internationalen Beiträgen) nur schwer möglich. Substanzielle digitale Vernetzungsmomente zum Beispiel mittels GeoGebra-Classroom über W-LAN-Netze im Klassenzim­mer erscheinen in den Campusschulen am Standort der Kooperations­hochschule momentan ebenfalls kaum realisierbar. Andererseits geben aktuelle Diskussionen Hinweise, dass eine gegebenenfalls zu radikale Digitalisierung in der Schule auch nachteilig sein kann und evtl. wieder gegengesteuert werden muss (vgl. Rühle, 2024). Hier gilt es im Hinblick auf Future Skills wohl ein optimales Gleichgewicht zu finden, wobei eine solche Verbundnutzung von neuen und alten Medien bereits in der Formulierung der KMK-Kompetenz Mit Medien mathematisch arbeiten berücksichtigt ist und in dieser Form angestrebt werden soll (KMK, 2022).

Ein über den aktuellen Schulversuch gegebenenfalls hinausgehender brei­terer Einsatz des GeoGebra-Prüfungsmodus ist im Moment noch nicht absehbar, beziehungsweise die dafür nötigen Rahmenbedingungen sind noch nicht geklärt. Gleichwohl ist der Einsatz von CAS-Taschenrech­nern bei der Entscheidung ab der 10. Jahrgangsstufe für ein CAS-Abitur be­reits geregelt und wird an den entsprechenden Standorten auch durch­geführt (vgl. zum Beispiel ISB, 2024).

Im Kontext des Kooperationsprojekts zur Stärkung des Theorie-Praxis-Bezugs durch die schulische Erprobung und hochschulische Diskussion von eigens durchgeführten Unterrichtseinheiten lässt sich zum einen eine realistisch-angleichende Wirkung in Bezug auf die Erwartung und Ein­schätzung von tatsächlichen Voraussetzungen und vorhandenen Kompe­tenzen feststellen, zum anderen aber auch die hohe Bereitschaft und das hohe Engagement auf Schülerinnen-, Schüler- und Lehrkräfteseite zur gemeinsamen Arbeit und Fortbildung hervorheben. Gerade im Hinblick auf die Förderung von Future Skills wie der hier thematisierten neuen KMK-Kompetenz erscheint eine unmittelbare Verschränkung von multi­plikativ wirkenden Kontaktpunkten in der Praxis mit Zuständigkeiten in der hochschulischen Lehre als sehr förderlich und effektiv zur Etablierung von Kompetenzzuwächsen bei sämtlichen beteiligten Akteuren. Darüber hinaus weist die beschriebene Schnittstellenarbeit mehrere Bezüge zu Merkmalen wirksamer unterrichtsbezogener Lehrkräftefortbildungen auf (vgl. SWK, 2023, S. 102, unter Bezug insb. auf Lipowsky & Rzejak, 2017, 2021; Hill & Papay, 2022).



4 Zusammenfassung und Ausblick

Durch die auch in der neuen KMK-Kompetenz Mit Medien mathematisch arbeiten adressierte Verbundnutzung neuer, insbesondere digitaler Me­dien und traditioneller Vorgehensweisen im Kontext einer vernetzen­den Forschungs- und Lehr-Strategie versucht die Professur für Didaktik der Mathematik an der Universität Passau Schülerinnen und Schüler, Studie­rende sowie Lehrende bezüglich aktuell und zukünftig wichtiger mathe­matik(unterrichts)spezifischer Fähigkeiten, Fertigkeiten und Eigen­schaften zu unterstützen. Defragmentierungsaspekte zwischen Theorie beziehungsweise Wissenschaft und Praxis spielen dabei eine zentrale Rolle. Erste Erfahrungen aus dieser Umsetzung sowie erste Ergebnisse von Evaluationen deuten auf positive Effekte hin.

Im Hinblick auf aktuelle Herausforderungen, die zukünftige Adaptionen von Lehr-Lern-Konzepten bedingen, werden unterschiedliche Teilaspekte der präsentierten Strategie in unterschiedlicher Zielrichtung weiter­entwickelt.

Unter Berücksichtigung spezifischer Bedürfnisse von mathematisch begabten Schülerinnen und Schülern – wie zum Beispiel der Präferenz bezüglich autonomen Arbeitens an Problemstellungen (vgl. zum Beispiel Hunt, 1996; Li & Adamson, 1992; Robinson, 1990) – und bei gleich­zei­tigem Einbezug der sinnstiftenden mathematikhistorischen Vernetz­ungsstruktur der DIMM wurden ausgewählte Knoten der DIMM mit thematisch einschlägigen Wettbewerbsaufgaben verlinkt. Dadurch soll sich für die gegebenenfalls selbständig mit dem digitalen Medium arbei­tenden Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit ergeben, auf genetisch-historischen Entwicklungswegen durch die Mathematik­geschichte auf­einander aufbauende anspruchsvolle Inhalte und Aufgabenstellungen kennenzulernen (Brandl & Szabo, 2024).

Bezüglich des von der Professur betreuten Schulversuchs findet seit Frühjahr 2024 die Abschlussevaluation statt. Dabei wird unter anderem untersucht, ob es beim Einsatz des GeoGebra-Prüfungsmodus an Schulen über einen vertretbaren Umfang hinausgehende Probleme in Bezug auf technische, organisatorische sowie inhaltliche und methodisch-didak­tische Rahmenbedingungen gab beziehungsweise gibt. Mithilfe einer schriftlichen Fragebogenerhebung sollen die Funktionalität und etwaige Problemfelder des Einsatzes von GeoGebra im Prüfungsmodus eruiert werden. Mit der Sichtung ausgewählter Prüfungsangaben wird zudem eine Gesprächsgrundlage für Leitfadeninterviews mit den Lehrkräften geschaffen. Dabei sollen eventuelle individuelle Einzelproblemfelder genauer abgeklärt und etwaige Lösungsansätze gesammelt werden. Durch die Gespräche sowohl mit Lehrkräften als auch mit Schülerinnen und Schülern soll dabei ein möglichst umfassendes Bild des Schulversuchs unter Berücksichtigung der verschiedenen Perspektiven ermöglicht werden.

Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um generative KI-Sprachmodelle wie zum Beispiel ChatGPT wird zudem die verstärkte Notwendigkeit von textbezogenen Kompetenzen – wie sie zum Beispiel auch Modelle einer Narrativen Didaktik adressieren (vgl. Brandl & Vinerean, 2023) – zur kritischen Auseinandersetzung mit maschinell erzeugten Texten als zukünftige Schlüsselkompetenz beziehungsweise Future Skill im Kontext einer erweiterten Data Literacy ersichtlich. So spricht auch das Impuls­papier der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusminister­konferenz Large Language Models und ihre Potenziale im Bildungssystem (SWK, 2024) kritische Aspekte der Textproduktion durch generative KI-Technologien an: »In kreativen Lernszenarien können sie genutzt werden, um Ideen zu generieren und die Gestaltung literarischer oder künstler­ischer Projekte zu unterstützen. Allerdings ist die eigene Informations­suche und -bewertung sowie die Produktion von Text für Lernende ein wichtiger elaborativer Prozess« (ebd., S. 10). Denn sie bergen »durch ihre leichte Bedienung und die (zumindest oberflächlich) hohe sprachliche Qualität der Ergebnisse die Gefahr, dass Lernende fertige Produkte erstellen lassen, deren inhaltliche Qualität sie nicht einschätzen können, und dabei die eigentlich lernförderlichen Aktivitäten auslagern. Moti­vationsverluste sind zu befürchten, wenn Lernende den Eindruck haben, Aktivitäten ausüben zu müssen, die eine KI übernehmen könnte.« (ebd.) Aus Sicht der Fachdidaktik Mathematik bedingt dies ein zwingen­des Handlungsmoment zur Auseinandersetzung mit der neuen Techno­logie, das sich zukünftig kanonisch in bereits bestehende aktuelle Kompetenz­anforderungen einbinden lässt: »Lernende (wie Lehrende) sollten dafür geschult werden, wie generative KI-Sprachmodelle zu benutzen sind und wie fehleranfällig sie sind, d.h. sie müssen in die Lage versetzt werden, zielführende Eingaben zu setzen und die Fehler und die Güte der bereit­gestellten Information zu erkennen [...] Hier gliedern sich die dafür benötigten digitalen Kompetenzen in ganz natürlicher Weise in die Kompetenz ›mit Medien mathematisch arbeiten‹ der neu über­arbeiteten Bildungsstandards (KMK, 2022) der Sekundarstufe an.« (Buchholz et al., 2023, S. 25)



DER AUTOR

Prof. Dr. Matthias Brandl Professur für Didaktik der Mathematik Fakultät für Informatik und Mathematik Universität Passau Innstr. 33 94032 Passau

E-Mail: Matthias.Brandl@Uni-Passau.de Tel.: +49 851 509 3175



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FOKUS: SPEZIFISCHE FUTURE SKILLS

04 · LEHRKRÄFTEBILDUNG: MIT DIGITALEN LERNEINHEITEN ZUKUNFTSKOMPETENZEN DER BNE VERMITTELN ⸺

ALEXANDRA BUDKE · DINA VASILJUK Universität zu Köln

Im UNESCO-Programm BNE 2030 wird die zentrale Rolle von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) für die globalen Ziele der Agenda 2030 betont. Neben der Einbindung in schulische Lehrpläne ist die Integration von BNE in die universitäre Lehrerausbildung entscheidend, um angehende Lehrkräfte für die Vermittlung dieser Fähigkeiten an Schülerinnen und Schüler vorzubereiten. Im Rahmen des Projekts BNE-OER wurden 31 digitale Lerneinheiten erstellt, in denen verschiedene Themen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung aus einer fachwissen­schaftlichen oder fachdidaktischen Perspektive betrachtet werden. Alle digitalen Lerneinheiten wurden in Lehrveranstaltungen evaluiert, überarbeitet und als OER veröffentlicht. Im Folgenden werden die inhaltlichen Schwerpunkte und das didaktische Konzept der BNE-Lerneinheiten vorgestellt. Anschließend werden die Evaluations­methodik und ausgewählte Evaluationsergebnisse präsentiert. Zum Schluss werden die Nutzung der erstellten OER und die Evaluations­methodik diskutiert.



1 Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)

Müllproblematik, Artensterben, Klimawandel und Ressourcenübernutzung sind nur einige Schlagworte, die andeuten, vor welchen Problemen unsere Gesellschaft steht und wie groß die Notwenigkeit ist, grundlegende Trans­formationen anzustoßen, um die Zukunft positiv zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang haben die Vereinten Nationen Nachhaltigkeits­ziele (Sustainable Development Goals, SDGs) aufgestellt (Vereinte Nationen, 2024), die ein Umdenken und die Zusammenarbeit von unterschiedlichsten Akteuren auf lokaler, nationaler und globaler Ebene erfordern. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) spielt in diesem Kontext eine entscheidende Rolle, da sie darauf abzielt, Menschen zu befähigen, sich aktiv an der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft und der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele zu beteiligen.



1.1 BNE 2030

Im Rahmen des UNESCO-Programms Education for Sustainable Develop­ment: Towards achieving the SDGs (BNE 2030) wird seit 2020 die essen­zielle Bedeutung der BNE für das Erreichen der globalen Ziele der Agenda 2030 betont (UNESCO, o. J.). Neben der Implementierung in schulische Curricula ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Bildung für nachhaltige Entwicklung in die Lehrkräfteausbildung an Universitäten integriert wird, damit Studierende befähigt werden, in ihrem späteren Berufsleben Zukunftskompetenzen an die Schülerinnen und Schüler zu vermitteln. Demensprechende BNE-Kompetenzen hat die UNESCO (2017) definiert. Von ihr werden System- und Problemlöse­kompetenz, normative, strategische, kollaborative Kompetenzen, kritisches Denken und Kompetenzen zur Selbstreflexion beschrieben. Besonders große Überschneidungen zu den Future Skills (siehe Einleitung des Sammel­bands) finden sich bei der Zukunftskompetenz, worunter verstanden wird, dass Schülerinnen und Schüler Zukunftsvisionen ver­stehen und bewerten, eigene Visionen für die Zukunft entwerfen sowie lernen, die Folgen von Handlungen abzuschätzen und mit Risiken umzu­gehen (UNESCO, 2017). Ähnliche Ziele werden von der Europä­ischen Union mit dem Kompetenz­rahmen für Nachhaltigkeit Greencomp verfolgt (Bianchi et al., 2022). Damit künftige Lehrkräfte diese Kompetenzen in ihrem Unterricht fördern können, sollten sie in ihrem Studium fachinhaltliche Kompeten­zen erwerben, um die vernetzten Ursachen der nicht-nachhaltigen Ent­wicklungen verstehen und ihre Folgen für Umwelt und Gesellschaft abschätzen zu können. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse müssen sie aber auch in die Lage versetzt werden, mögliche Handlungs- und Lösungsansätze auf individueller, politischer und kollektiver Ebene zu entwickeln und die Folgen für unterschiedliche Regionen und gesell­schaft­liche Gruppen abzuschätzen. Neben fachinhaltlichen Kompetenzen sollten im Lehramtsstudium zudem (themenbezogene) didaktische Kom­petenzen vermittelt werden, um die komplexen Thematiken und zuge­hörigen Diskurse didaktisch zu reduzieren und Methoden zu erlernen, wie die Thematiken multiperspektivisch, handlungs- und problemorientiert im Unterricht behandelt werden können.



1.2 BNE in der Hochschullehre

Weltweit bemühen sich Hochschulen, sich an die rasant wachsende Ent­wick­lung des Bedarfs im Bildungssektor anzupassen (Filho et al., 2021). Dazu fehlen leider oft entsprechend entwickeltes und frei zugängliches Lehrmaterial und Curricula, sodass die breite universitäre Implementie­rung der Bildung für nachhaltige Entwicklung der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherhinkt (Filho et al., 2021). Die UNESCO (2019) sieht die Entwicklung von qualitätsvollen Open Educational Resources (OER) in diesem Zusammenhang als einen wichtigen Ansatz für die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele und zur Entwicklung einer inklusiven Wissens­gesell­schaft. Diese Lehr- und Lernressourcen, die je nach Lizenz unter­schiedlich modifiziert und verbreitet werden dürfen, sind von verschie­denen Organisationen, wie der Kultusministerkonferenz, der UNESCO und der Europäischen Union als bedeutender Ansatz erkannt worden, da sie einfach anzupassen, kostenfrei und leicht zugänglich sind (Inamorato Dos Santos et al., 2016; Kultusministerkonferenz, 2015, 2017; Deutsche UNESCO-Kommission, 2015). Die offenen Bildungsmaterialien bieten zudem den Vorteil, dass sie in der Regel so lizensiert sind, dass sie weiter­bearbeitet werden können. Sie können daher von Universitäts­dozent­innen und -dozenten an die Bedarfe der jeweiligen Fächer, Curricula und die speziellen Lerngruppen ohne rechtliche Probleme angepasst werden. Dies unterstützt den Austausch, die Erprobung und Weiterentwicklung neuer didaktischer Konzepte und innovativer Medien unter Bildungs­einrichtungen, in der Hoffnung, dass die Qualität der Lehre durch die digitalen Lernmodule verbessert und kontinuierlich weiter­entwickelt wird (Deutsche UNESCO-Kommission, 2015). Von Seiten der Studierenden bestehen die Vorteile darin, dass die OER die Möglichkeit zum zeit- und ortsunabhängigen Selbststudium bieten, was universitäre Veranstal­tungen, die digital synchron oder in Präsenz stattfinden, im Sinne des Konzepts des inverted classroom sinnvoll ergänzen kann. Digitale Lern­einheiten, die als OER entwickelt wurden, bieten zudem die Möglichkeit, unterschiedliche interaktive Medien zur Wissensvermittlung zu inte­grieren (zum Beispiel Erklärvideos, Präsentationen, Bilder) und diese mit Übungsformaten zu verknüpfen (zum Beispiel Zuordnungs­aufgaben, Multiple Choice, Lückentexte, Memory). Die Studierenden können in ihrem individuellen Tempo und entsprechend ihren Interessen arbeiten und bekommen durch die automatisierten Übungen Rückmel­dung zu ihrem Lernerfolg. Von Fischer & Isenmann (2023) werden die Vorteile der Inklusion und des leichten Zugangs von Online-Materialien betont. Im Bereich der Lehrkräftebildung wird der Einsatz von OER im Studium zudem als Möglichkeit gesehen, das Bewusstsein angehender Lehrkräfte für die Vorteile von OER zu schärfen und Medienkompetenz zu vermitteln, was deren zukünftige Verwendung im Unterricht fördern könnte (Otto, 2019).

Die Corona-Pandemie hat die Dringlichkeit der Integration digitaler Lehr- und Lernmaterialien in die Hochschulbildung verdeutlicht und zu einem bemerkenswerten Anstieg neuer didaktischer Konzepte und Materialien geführt, die von Lehrenden entwickelt und teilweise als OER veröffent­licht wurden, insbesondere im Kontext der Bildung für nachhaltige Ent­wick­lung (Weselek et al., 2022). Dieser Fortschritt in der hochschulischen Lehrpraxis sollte nun durch die Untersuchung der spezifischen Lern­effekte und die Diskussion über die Übertragbarkeit erfolgreicher An­sätze auf andere Institutionen und Fachbereiche ergänzt werden. Die Qualitätssicherung von OER ist jedoch bisher ein weitgehend ungelöstes Problem (Grimm & Rödel, 2020). Zur Qualitätssicherung sollten Evalua­tionen durchgeführt werden, mit denen neben der Bedienbarkeit und der Motivationsförderung auch die Lerneffekte bestimmt werden können. Dazu stehen aber im Moment noch sehr wenige geeignete Instrumente zur Verfügung.



1.3 Vorstellung des Projekts BNE-OER

Um dem Bedarf der Hochschulen an qualitätsgesicherten OER für die Ver­mittlung von BNE in der Lehrkräftebildung zu entsprechen, wurden im Projekt BNE-OER¹ 31 digitale Lerneinheiten erstellt, evaluiert, überarbei­tet und als OER veröffentlicht.

Diese digitalen Bildungsangebote zielen darauf ab, ein breites Spektrum an fachlichen und didaktischen Kompetenzen zu fördern. Die Inhalte decken eine Vielzahl von Themen im Bereich der nachhaltigen Entwick­lung ab, entweder aus fachinhaltlicher oder didaktischer Perspektive betrachtet. Jede Lerneinheit ist so gestaltet, dass sie etwa 90 Minuten Bearbeitungszeit umfasst, aufgeteilt in eine Selbstlernphase und eine Phase der komplexen Anwendung. Die Evaluation dieser Lerneinheiten erfolgte im Rahmen verschiedener Lehrveranstaltungen, basierend auf einem speziell entwickelten Evaluationsinstrument, und führte zu entsprechenden Überarbeitungen.

Im Folgenden werden zunächst das Kompetenzmodell zur Vermittlung spezifischer Kompetenzen in der Lehrkräftebildung im Kontext von BNE präsentiert. Danach werden die inhaltlichen Schwerpunkte und das didak­tische Konzept der BNE-Lerneinheiten vorgestellt. Anschließend wird die Evaluationsmethodik vorgestellt, welche auf ähnliche OER-Projekte übertragen werden könnte, und es werden exemplarisch die Ergebnisse der Evaluationen dargelegt. Der Artikel schießt mit Überlegungen zur Nutzung sowohl der Evaluationsmethodik als auch der erstellten OER in anderen universitären Kontexten.



2 Vorstellung der BNE-Lerneinheiten

Es wurden 31 digitale Lerneinheiten als OER im Projekt BNE-OER ver­öffentlicht, die über die Projektwebseite aufgerufen werden können. Die Erstellung erfolgte über die E-Learning-Plattformen ILIAS und Moodle der beteiligten Hochschulen.



2.1 Kompetenzen

Das Projekt legt den Schwerpunkt auf die Vermittlung spezifischer Kom­petenzen, die zukünftige Lehrkräfte befähigen sollen, ihre Schülerinnen und Schüler durch BNE zu eigenverantwortlichem und mündigem Agieren anzuregen. Diese sind Teil der Future Skills (siehe Einleitung). Basierend auf etablierten Modellen, Konzepten und den Erkenntnissen aus empirischen Untersuchungen, wurde ein Modell zur Strukturierung der benötigten Kompetenzen erstellt. Dieses Modell (siehe Abbildung 1) umfasst acht zentrale Kompetenzbereiche, die sowohl fachspezifisches Wissen als auch didaktische Fähigkeiten umfassen. Im Folgenden werden die abgeleiteten Kompetenzen kurz vorgestellt. Auf der Projektwebsite finden sich weitere Erläuterungen zu den einzelnen Kompetenzfeldern.

Abbildung 1 Modell für BNE-Kompetenzen in der Hochschulbildung für Lehrkräfte

[Quelle: Entwurf von Budke & Vasiljuk (2023a); Grafik: Julia Heinrich]



Die konzeptionelle Kompetenz stellt die Basis des Modells dar, welches das Grundverständnis der bestehenden BNE-Konzepte abbildet. Dabei sollen die Pädagoginnen und Pädagogen auf fachlicher Ebene den wissen­schaft­lichen Diskurs um nachhaltige bzw. nicht-nachhaltige Entwicklung wieder­geben können. Auf fachdidaktischer Ebene sollten sie in der Lage sein, BNE-relevante Themen für ihr Fach zu identifizieren und eigene BNE-Fachkonzepte für Institutionen zu entwickeln sowie zu implementie­ren. Darüber hinaus sollten sie die Vernetzung und den Austausch mit unter­schiedlichen BNE-Akteuren fördern können.

Um BNE in der Praxis umsetzen zu können, ist die Planungskompetenz notwendig. Auf fachlicher Ebene sollten Pädagoginnen und Pädagogen im Kontext von nachhaltiger Entwicklung Leitlinien, Konzepte und Maß­nahmen für räumliche Planung wiedergeben und beurteilen können (Rauch & Steiner, 2013). Auf fachdidaktischer Ebene sollten sie in der Lage sein, didaktische BNE-Konzepte für formelle und informelle Lern­orte zu planen und zu entwerfen, Material zu recherchieren und eine didaktische Reduktion der Inhalte vorzunehmen, in der die Komplexität und Kontroversität dennoch berücksichtigt wird.

BNE fordert von Pädagoginnen und Pädagogen die Auseinandersetzung mit komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen, für deren Ver­ständnis die Systemkompetenz notwendig ist. Auf fachlicher Ebene sollten daher die Pädagoginnen und Pädagogen in der Lage sein, globale, regio­nale sowie lokale Prozesse, Systeme sowie Komplexitäten nicht nachhal­tiger Entwicklungen und deren Wechselwirkung zu verstehen, in vernet­zen BNE-Systemen zu denken und nicht-nachhaltige Entwick­lungen zu identifizieren (Hilger et al., 2020, S. 60 ff., Rieckmann, 2018, Baumann & Niebert, 2020, S. 239 ff.). Auf fachdidaktischer Ebene sollten sie BNE-Prozesse und BNE-Systeme, deren Wechselwirkung sowie kausale Bezüge mit geeigneten Konzepten vermitteln können (Baumann & Niebert, 2020, S. 239 ff.; Rost, 2005, S. 16 f.).

Es werden insbesondere im Rahmen von BNE Themen behandelt, bei denen verschiedene Perspektiven berücksichtigt und verstanden werden müssen, weswegen die Kompetenz zum Perspektivwechsel notwendig ist. Die Pädagoginnen und Pädagogen sollten daher auf fachlicher Ebene die verschiedenen Perspektiven der Akteure sowohl identifizieren als auch in diese wechseln können. Darüber hinaus sollten sie die Werte der Akteure sowie deren Normen und Interessen, welche nachhaltige bzw. nicht nach­haltige Entwicklungen beeinflussen, analysieren können (Baumann & Niebert, 2020. S. 239 ff.). Auf fachdidaktischer Ebene sollten die Päda­goginnen und Pädagogen den Perspektivenwechsel, die Empathie­fähig­keit und die Ambiguitätstoleranz fördern sowie Hilfestellungen geben können, Perspektiven kritisch zu hinterfragen (Rieckmann, 2012; Baumann & Niebert, 2020, S. 241).

Die Argumentations- und Kommunikationskompetenz ist ein weiterer wich­tiger Bestandteil im Kontext von BNE. Hierfür sollten die Päda­goginnen und Pädagogen auf fachlicher Ebene eine Analyse gesell­schaftlicher Diskurse zu Nachhaltigkeitsthemen sowie demokratischer Aushand­lungs­prozesse zu Nachhaltigkeitsthemen unter Berücksichtigung ver­schie­dener Perspektiven durchführen können (Hilger et al., 2020, S. 61; Kuckuck & Lindau, 2020, S. 162). Auf fachdidaktischer Ebene sollten die Pädagoginnen und Pädagogen in der Lage sein, offene Argumen­tationen und komplexe Begründungen zu fördern und verschiedene Kommu­nikations- und Kooperationsformen einzusetzen (Gryl & Budke, 2016, S. 70f.).

Neben dem Austausch über BNE-Themen ist die Beurteilungs- und Bewer­tungskompetenz eine weitere wichtige Fähigkeit. Auf fachlicher Ebene sollten die Pädagoginnen und Pädagogen in der Lage sein, bei Entschei­dungen unterschiedliche Werte(-systeme) zu berücksichtigen, Lösungs­möglichkeiten sowie Maßnahmen zu bewerten (Rost, 2005, S. 16 f., Hilger et al., 2020, S. 61) und die Interessen, Durchsetzungsfähigkeiten sowie die Beziehungen BNE-relevanter Perspektiven bzw. Akteure zu beurteilen. Auf fachdidaktischer Ebene sollten die Pädagoginnen und Pädagogen in der Lage sein, das Beurteilen und Bewerten kollektiver Normen zu BNE-Fragestellungen sowie der eigenen Meinung zu fördern (Rieckmann, 2012, Baumann & Niebert, 2020, S. 241).

Aufgrund der Komplexität der BNE-Themen ist die Reflexionskompetenz ein weiterer wichtiger Bestandteil. Die Pädagoginnen und Pädagogen sollten auf fachlicher Ebene Argumentationen, Bewertungen, wissen­schaft­liche Konzepte und gesellschaftliche Maßnahmen sowie die eigene Meinung, Werte(-systeme) sowie Handlungen reflektieren können (Bau­mann & Niebert, 2020, S. 241). Ebenso sollten die Pädagoginnen und Pädagogen auf fachdidaktischer Ebene in der Lage sein, Hilfestellung zu geben, um die eigene Meinung, die eigenen Handlungen und Argumen­tationen zu reflektieren. Zudem sollten sie die dargestellten Perspektiven einerseits reflektieren lassen können, andererseits ihre Wahl der BNE-Materialien sowie ihre eigene Rolle als Lernbegleiter reflektieren (Hilger et al., 2020, S. 61).

Um die von BNE geforderte gesellschaftliche Transformation zu errei­chen, ist die Handlungskompetenz essentiell. Auf fachlicher Ebene sollten daher die Pädagoginnen und Pädagogen eigene nachhaltige Handlungs­möglichkeiten entwickeln und Handlungsalternativen sowie Partizipa­tionsmöglichkeiten im Kontext der Nachhaltigkeit kennen (Baumann & Niebert, 2020, S. 239 ff.). Auf fachdidaktischer Ebene sollten sie in der Lage sein, die Handlungsbereitschaft, Mündigkeit und Partizipation sowie das zukunftsorientierte Denken und Handeln zu fördern (De Haan, 2008; Hilger et al., 2020, S. 61 ff.; Baumann & Niebert, 2020, S. 241; (Gryl & Budke, 2016, S. 70 f.). Zudem sollten sie alternative Handlungsmöglich­keiten aufzeigen können, ohne die Lernenden von diesen, gemäß dem Überwältigungsverbot, zu überzeugen.

Bei der Konzeption der fachlichen und fachdidaktischen Lerneinheiten wurde darauf geachtet, die verschiedenen Kompetenzen des vorgestell­ten BNE-Kompetenzmodells zu fördern. Die Kompetenzen wurden daher in verschiedene Lernziele überführt, die innerhalb der Lerneinheiten an­ge­strebt wurden. Die Lernziele jeder Lerneinheit sind in einem didak­tischen Kommentar festgehalten (siehe Kapitel 2.3).



2.2 Inhaltliche Schwerpunkte

Für die Gestaltung der digitalen Lerneinheiten wurden einerseits fach­inhalt­liche Schwerpunkte und andererseits didaktische Schwerpunkte gesetzt. Diese leiten sich direkt aus den Modulhandbüchern der betei­ligten Studiengänge und typischen universitären Veranstaltungen ab. Diese Schwerpunktsetzungen sollen anhand der elf Lerneinheiten erläutert werden, die am Institut für Geographiedidaktik der Universität zu Köln für die Lehrkräftebildung im Fach Geographie entwickelt wurden (https://www.edulabs.uni-koeln.de/goto_iliasedulabs_crs_6000.html).

Fachliche Lerneinheiten:

  • Dimensionen und Maßnahmen nachhaltiger Stadtentwicklung
  • Klimaschwankungen gab’s schon immer?! Natürliche von anthro­pogenen Klimaveränderungen unterscheiden lernen
  • Nachhaltiger Konsum
  • Nachhaltiger Tourismus im Skigebiet: Herausforderungen und Mög­lichkeiten des Winterurlaubs in Österreich
  • Pollenflug und Klimawandel
  • Stadtgrün und Klimaanpassung
  • Kritische Analyse von Karten zum Thema nachhaltige Entwicklung



Für die Implementierung in humangeographische Lehrveranstaltungen wurden die Lerneinheiten zur nachhaltigen Stadtentwicklung, zum nach­haltigen Konsum und zum nachhaltigen Tourismus entwickelt. Für Ver­anstaltungen der Physischen Geographie eignen sich die Lerneinheiten zu den Klimaveränderungen, zum Pollenflug und Klimawandel und zum Stadtgrün im Kontext der Klimaanpassung. In allen Lerneinheiten werden Ursachen für nicht-nachhaltige Entwicklungen sowie mögliche Lösungen/Anpassungen vorgestellt. Die Lerneinheit zur kritischen Analyse von Karten zum Thema nachhaltige Entwicklung kann im Rahmen von Veranstaltungen zur Kartographie oder zu Geoinformationssystemen (GIS) eingesetzt werden.

Fachdidaktische Lerneinheiten:

  • Aufgabenstellungen zu BNE-Themen für den Geographieunterricht entwickeln und umsetzen
  • Bildung für nachhaltige Entwicklung – eine kritische Auseinander­setzung
  • Handlungskompetenz in der Bildung für nachhaltige Entwicklung fördern
  • Internetrecherchen zur Unterrichtsvorbereitung im Kontext der Bildung für nachhaltige Entwicklung



Für die Implementierung in fachdidaktischen Lehrveranstaltungen wurden vier Lerneinheiten zur kritischen Analyse von BNE-Ansätzen, zur Vermittlung von BNE-Handlungskompetenzen im Unterricht, zur Vermittlung von Recherchekompetenzen im Kontext von BNE zur Unterrichtsvorbereitung und zur Entwicklung von anspruchsvollen Aufgabenstellungen im BNE-Unterricht entwickelt.



2.3 Aufbau der digitalen Lerneinheiten

Alle im Projekt erstellten OER haben den gleichen Aufbau. Die digitalen Lerneinheiten gliedern sich in einer Startseite mit Basisinformationen zum Projekt, in einen didaktischen Kommentar für die Lehrenden, in dem auch die Lernziele der Lerneinheiten festgehalten werden, eine Einführung in das jeweilige Thema, in eine Selbstlern- und eine Anwendungseinheit, in einen Reflexionsteil und ein Literaturverzeichnis (siehe Abbildung 2). Das inhaltliche Lernen erfolgt vorrangig in den Selbstlern- und Anwendungs­einheiten. Innerhalb einer Selbstlerneinheit erhalten die Lernenden mittels verschiedener interaktiver Medien einen anschaulichen Zugang zum Lernstoff, der durch Übungen mit automatisierten Rückmeldungen vertieft wird. Im Gegensatz dazu fordert die Anwendungseinheit die Bearbeitung einer offenen und komplexen Aufgabe, für die unterstützen­des Material zur Verfügung gestellt wird. Die individuellen und vielfäl­tigen Lösungen der Studierenden zu dieser Aufgabe können im Selbst­studium erstellt und in folgenden Seminarsitzungen diskutiert, erweitert und kritisch hinterfragt werden. Diese Aufgaben können im Sinne des inverted classrooms als Bindeglied zwischen dem Selbststudium und der Präsenzlehre dienen. Die im Vorfeld von den Lehrenden eingesehenen Lösungsansätze der Studierenden ermöglichen ihnen eine Analyse der zugrundeliegenden Verständnisprozesse und eine entsprechende Anpassung der nachfolgenden Sitzung.

Im Folgenden werden Beispiele aus verschiedenen Lerneinheiten vor­gestellt. Dabei werden zunächst ausgewählte Lernziele der Lerneinheiten wiedergegeben, um anschließend darzustellen, wie diese mit verschie­denen Medien in der Selbstlerneinheit oder mit Hilfe von Transfer­aufga­ben in der Anwendungseinheit gefördert werden sollen.

Abbildung 2 Aufbau der digitalen BNE-Lerneinheiten (OER)

[Quelle: eigene Darstellung]



Selbstlerneinheiten Für die Selbstlerneinheiten wurden verschiedene interaktive Präsenta­tionen, Videos, Bilder, Grafiken oder Texte selbst erstellt. In allen Kapiteln der Selbstlerneinheiten sind Übungen integriert, durch die die Studieren­den ihren Lernerfolg überprüfen können.

In der fachlichen Lerneinheit Pollenflug und Klimawandel wird unter anderem das Lernziel verfolgt, dass die Nutzen­den den eigenen Standpunkt hinsichtlich der Auswirkungen des Klima­wandels reflektieren können (siehe Kompetenzmodell, Reflexionskompe­tenz). Damit am Ende der Lerneinheit eine Reflexion erfolgen kann, müssen sich die Nutzenden zunächst fachlich mit dem Thema ausein­ander­setzen. Aus diesem Grund wurde in dieser Lerneinheit zum Beispiel ein interaktives Bild von einer Arztpraxis erstellt (siehe Abbildung 3). Durch Klicken auf verschiedene Bildelemente bekommen die Studieren­den Informationen zum Einfluss des Klimawandels auf durch Pollen verursachte Allergien.

Abbildung 3 Interaktives Bild einer Arztpraxis aus der Selbstlerneinheit Pollenflug und Klimawandel

Durch Klicken auf die Kreuze bekommen die Nutzenden Informationen zum Einfluss des Klimawandels auf durch Pollen verursachte Allergien.

[Quelle: Entwurf von Katrin Geiger und Alexandra Budke, Grafik: Julia Heinrich]



In der didaktischen Lerneinheit Aufgabenstellungen zu BNE-Themen für den Geographieunterricht entwickeln und umsetzen wird unter anderem das Lernziel verfolgt, anhand einer Checkliste Aufgabenstellungen zu beurteilen, zu reflektieren und für den eigenen BNE-Unterricht anzupassen (siehe Kompetenzmodell, Planungskompe­tenz, Beurteilungs- und Bewertungskompetenz, Reflexionskompetenz). Damit die verschiedenen Kompetenzen gefördert werden können, müssen die Studierenden daher zum Beispiel bei einer Aufgabe in der Lerneinheit zunächst entscheiden, welche BNE-Kompetenz durch welche Aufgabenstellung gefördert werden kann, und diese dementsprechend zuordnen (siehe Abbildung 4). Sie können durch Klicken auf »Überprüfen« eine automatisierte Antwort zu ihrer Lösung erhalten.

Abbildung 4 Übungsaufgabe aus der Lerneinheit Aufgabenstellungen zu BNE-Themen entwickeln

[Quelle: Entwurf von Saskia Steingrübl und Alexandra Budke]



In der fachlichen Lerneinheit Nachhaltiger Konsum wird unter anderem das Lernziel verfolgt, dass die Nutzenden zu spezifischen Konsumentscheidungen begründet Stellung nehmen sollen (siehe Kompetenzmodell, Beurteilungskompetenz). Damit eine fundierte Beurteilung erfolgen kann, müssen die Nutzenden zunächst die verschiedenen Arten kennenlernen, wie ein persönlicher Konsum nachhaltiger gestaltet werden kann. Daher müssen die Nutzenden bei einer Aufgabe in der Lerneinheit die verschiedenen Handlungen danach ordnen, wie stark sie die nachhaltige Transformation des Konsums beeinflussen (siehe Abbildung 5). Indem sie auf »Überprüfen« klicken, erhalten die Nutzenden eine Rückmeldung zu ihrer Lösung.

Abbildung 5 Übungsaufgabe aus der Lerneinheit Nachhaltiger Konsum

Nachhaltige Handlungen auf der rechten Seite müssen den Ebenen der Nachhaltigkeit auf der linken Seite zugeordnet werden.

[Quelle: Entwurf von Kimberley Hindmarsh, Björn Soberg und Alexandra Budke]



2.3.2 Anwendungseinheiten In den Anwendungseinheiten werden in allen Lerneinheiten anspruchs­volle, offene Aufgaben gestellt, für deren Lösung das erworbene Wissen und Kenntnisse aus den Selbstlerneinheiten angewendet werden sollte. Dabei muss dieses genutzt werden, um kreativ weiterzudenken, eigene Lösungsansätze für die angesprochenen Nachhaltigkeitsprobleme zu entwickeln oder eigene Konzepte für den BNE-Unterricht zu entwerfen.

In der fachlichen Lerneinheit Klimaschwankungen gab’s schon immer?! Natürliche von anthropogenen Klimaveränderungen unterscheiden lernen werden verschiedene Lernziele verfolgt, wie zum Beispiel, dass die Nutzenden die Ursachen des anthropogenen Klimawandels verschiedenen Bereichen zuordnen können oder ihre eigene Position zum globalen Klimawandel kritisch beurteilen können (siehe Kompetenzmodell, Beur­teilungskompetenz). In der Anwendungsaufgabe sollen die Nutzenden daher zum Beispiel ihr in der Lerneinheit erwor­benes Wissen über Klimaveränderungen und Klimaprojektionen nutzen, um Konsequenzen für den Waldumbau in Deutschland abzuleiten (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6 Anwendungsaufgabe aus der Lerneinheit Klimaschwankungen gab’s schon immer?! Natürliche von anthropogenen Klimaveränderungen unterscheiden lernen.

[Quelle: Entwurf von Verena Förster und Alexandra Budke]



In der didaktischen Lerneinheit Bildung für nachhaltige Entwicklung – eine kritische Auseinandersetzung wird das Lernziel verfolgt, dass sich die Nutzenden kritisch mit dem Konzept BNE aus­einander­setzen (siehe Kompetenzmodell, Reflexionskompetenz). Daher müssen die Studierenden zum Beispiel die in der Lerneinheit kennen­gelernten typischen Schwächen der didaktischen Umsetzungen von BNE-Unterrichtsbeispielen nutzen, um in der Anwendungsaufgabe konkretes Unterrichtsmaterial anhand von didaktischen Kriterien zu analysieren. Auf dieser Grundlage sollen sie entscheiden, welche Aspekte sie aus dem vorliegenden Material im eigenen Unterricht verwenden würden und welche sie abändern würden.



3 Methodisches Vorgehen bei der Evaluation der Lerneinheiten

Die entwickelten digitalen Lerneinheiten wurden in verschiedenen Lehr­veranstaltungen an der Universität zu Köln evaluiert und auf Basis der Ergebnisse überarbeitet. Für die Evaluation wurde ein Evaluationsbogen entwickelt (Vasiljuk & Budke, 2023b).

Grundsätzlich sollten mit der Evaluation verschiedene Ziele erreicht wer­den. So sollte zunächst das Interesse der Studierenden an der Arbeit mit digitalen Lerneinheiten in der Hochschullehre erfasst werden. Ebenso sollte die Verständlichkeit der entwickelten digitalen Formate durch die Studierenden bewertet werden. Des Weiteren sollte die Benutzer­freund­lich­keit der digitalen Lerneinheiten auf der E-Learning-Plattform (ILIAS oder Moodle) durch die Studierenden bewertet werden. Darüber hinaus sollte der Lernerfolg der Studierenden in Form eines Pre- und Posttests erfasst werden.

Um die Ziele erreichen zu können, wurde auf Basis von Fachliteratur (Arnold et al., 2018; Borg & Staufenbiel, 2007; Bühner, 2021) sowie be­stehenden Evaluations- und Fragebögen zum E-Learning (Adl-Amini et al., 2020; Euroleague for Life Sciences, 2012; Fleck et al., 2021; Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2021; Kromrey, 2001; Oberhoff et al., 2022; Peter et al., 2015; Schwinger et al. o.J.; Universität Marburg, o.J.) ein Evaluationsbogen entwickelt, der folgende Kriterien untersucht:

  • Interesse und Motivation: Erfassung, inwieweit die digitale Lerneinheit von den Studierenden als interessant und motivierend angesehen wird.
  • Verständlichkeit: Erfassung, inwiefern die Struktur, der Inhalt und die Materialien der digitalen Lerneinheit verständlich sind.
  • Gebrauchstauglichkeit: Erfassung, inwiefern die digitale Lerneinheit auf der E-Learning-Plattform bedienerfreundlich ist.
  • Wissenserwerb: Erfassung, inwieweit die angestrebten Lernziele durch Bearbeitung der digitalen Lerneinheit erreicht werden.
  • Lernerfolg: Erfassung mittels Pre- und Posttests, inwiefern sich bei den Studierenden ein Lernerfolg einstellt.



Der Evaluationsbogen ist so aufgebaut, dass er zu zwei Zeitpunkten eingesetzt werden muss: vor der Bearbeitung der Lerneinheit und nach der Bearbeitung der Lerneinheit (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7 Ablauf der Erhebung

[Quelle: eigene Darstellung]



Der Evaluationsbogen enthielt geschlossene Fragen, die anhand einer 5-stufigen Likert-Skala beantwortet werden mussten (Antwort­möglich­keiten: »trifft vollständig zu«, »trifft zu«, »trifft teilweise zu«, »trifft kaum zu«, »trifft nicht zu«). Der Lernerfolg der Studierenden wurde mit einem Pre- und einem Posttest erfasst. Hierbei wurden primär das Interesse und die Einstellung der Studierenden zum jeweiligen Thema der digitalen Lerneinheiten erfasst.

Zusätzlich zum Pre- und Posttest wurden für jede Lerneinheit spezifische Fragen zum Inhalt der jeweiligen Lerneinheit gestellt. Die Ergebnisse werden in diesem Beitrag jedoch nicht dargestellt. An dieser Stelle sei auf die Publikationsliste auf der Projektwebsite verwiesen, die die im Rahmen des Projektes veröffentlichten Artikel auflistet.

Des Weiteren wurden die Nutzenden hinsichtlich der Barrierefreiheit be­fragt, das heißt, ob bei den Nutzenden eine Einschränkung vorliegt und inwiefern, wenn eine vorliegen sollte, die digitalen Lerneinheiten als barrierefrei zu bewerten sind. Grundsätzlich wurde bei der Erstellung der digitalen Lerneinheiten ein responsives Design verfolgt. Ziel war es, dass die Studierenden die digitalen Lerneinheiten mit unterschiedlichen End­geräten wie Tablets, PCs oder Laptops nutzen können. Daher wurden die Studierenden auch nach der Art der Nutzung des Endgerätes bei der Bearbeitung der Lerneinheit gefragt, um technische Probleme erfassen zu können. Zusätzlich wurde auch die Bearbeitungszeit erfasst, um die digitalen Lerneinheiten an ein 90-Minuten-Konzept anpassen zu können (siehe Kapitel 1.3).

Abschließend konnten die Studierenden die digitalen Lerneinheiten mit einer Schulnote bewerten. Darüber hinaus konnten die Studierenden in einem Freitext weitere Anmerkungen zu den digitalen Lerneinheiten äußern. Die Freitexte dienten vor allem der gezielten Überarbeitung der Lerneinheiten aufgrund von Rückmeldungen, die nicht über den Evaluationsbogen erfasst werden konnten.

Die Inhaltsvalidität des Evaluationsbogens wurde während der Entwick­lung von Expertinnen und Experten (Mitglieder des BNE-OER-Projekts wie Dozierende und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) überprüft und die verschiedenen Items wurden dabei immer wieder angepasst. Insgesamt kann daher von einer Inhaltsvalidität ausgegangen werden.

Grundsätzlich sind auch die Grenzen der Evaluation zu beachten. Vor allem der Lernerfolg kann aufgrund der Selbsteinschätzung der Nutzen­den nicht umfassend erfasst werden. Es empfiehlt sich daher, die Bear­beitung der Anwendungsaufgabe auch qualitativ zu analysieren, um beurteilen zu können, inwiefern ein Lernzuwachs bei den Nutzenden stattgefun­den hat. Daher wurde bei den evaluierten Lerneinheiten die bearbeitete Anwendungsaufgabe entweder in den Lehrveranstaltungen besprochen oder einzeln beurteilt. Die Ergebnisse der qualitativen Analyse sind jedoch nicht Gegenstand dieses Beitrags. Daher wird an dieser Stelle auf die Publikationsliste auf der Projektwebsite verwiesen.

Insgesamt versteht sich der Evaluationsbogen als Vorschlag, der in ande­ren Projekten zur Qualitätssicherung und Evaluation von OER eingesetzt werden könnte, aber auch angepasst und weiterentwickelt werden sollte. So könnte basierend auf den Evaluationsergebnissen die Likert-Skala ab­geändert werden, damit die Antworten der Studierenden präziser erfasst werden können (Abänderung der Antwortmöglichkeiten zum Beispiel zu »trifft vollständig zu«, »trifft zu«, »trifft teilweise zu«, »trifft nicht zu«, »trifft überhaupt nicht zu« oder zu »trifft zu«, »trifft eher zu«, »trifft teil­weise zu«, »trifft eher nicht zu«, »trifft nicht zu«). Zudem könnten Items herausgenommen und/oder erweitert werden. Der Evaluationsbogen ist auf der Projektwebsite abrufbar.

Jede entwickelte digitale Lerneinheit wurde in der jeweils inhaltlich pas­senden Lehrveranstaltung eingesetzt und in diesem Rahmen getestet. Alle digitalen Lerneinheiten wurden mit einem in ILIAS integrierten Umfragetool an der Universität zu Köln von den Studierenden, die an der entsprechenden Lehrveranstaltung teilgenommen haben, evaluiert. Es wurden nur Daten von Studierenden ausgewertet, die an allen Teilen der Evaluation teilgenommen haben (Pretest, Bearbeitung der Lerneinheit, Posttest, Evaluation der Lerneinheit). Insgesamt wurden zwischen De­zember 2022 und Juni 2023 elf digitale Lerneinheiten (siehe Kapitel 2) von insgesamt 213 Studierenden evaluiert.



4 Ergebnisse der Evaluation

Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse der Evaluation der elf digitalen Lerneinheiten präsentiert.



4.1 Dimension: Interesse und Motivation

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass digitale Lerneinheiten von den Stu­dierenden grundsätzlich positiv aufgenommen werden (siehe Tabelle 1).



Tabelle 1 Auswahl der Ergebnisse der Dimension Interesse und Motivation

N=213

[Quelle: eigene Darstellung]



So wurde es von 79 Prozent Studierenden als vorteilhaft angesehen, dass sie sich die Bearbeitungszeit selbst einteilen können, 13 Prozent stimmten dieser Aussage teilweise zu (M=1,84, SD=0,943). Ebenso wurde von 69 Prozent der Studierenden positiv beurteilt, die Kapitel der Selbstlern­einheit in beliebiger Reihenfolge bearbeiten können, 15 Prozent stimmten dieser Aussage teilweise zu, 5 Prozent der Studierenden stimmten dieser Aussage kaum zu, 4 Prozent stimmten nicht zu (M=1,98, SD=1,071). Ebenso gaben 81 Prozent der Studierenden an, dass sie es nicht bevorzugt hätten, sich die Inhalte durch das Lesen von Fachartikeln anzueignen, 10 Prozent stimmten dieser Aussage teilweise zu, 5 Prozent stimmen nicht zu (M=4,40, SD=0,900). 60 Prozent der Studierenden gaben auch an, dass sie sich mehr digitale Lerneinheiten im Studium wünschen würden, 29 Prozent stimmten dieser Aussage teilweise zu, 6 Prozent stimmten dieser Aussage kaum zu, 2 Prozent stimmten nicht zu (M=2,17; SD=1,019). In den offenen Antwortformaten äußerten die Studierenden, dass die Motivation auch durch die verschiedenen digitalen Formate in den Lerneinheiten aufrechterhalten wird, wie folgende Aussage zeigt:

»Die Abwechslung in den verwendeten Medien, den Inhalten und somit die kreative Vermittlung von Fachwissen, auf eine solch anschauliche Art und Weise, dass man motiviert ist, sich noch über den Aufwand hinaus mit dem Thema zu beschäftigen.« (LE9-4)

oder:

»Die interaktiven Aufgaben haben für eine erhöhte Motivation gesorgt.« (LE5-11)



4.2 Dimension: Verständlichkeit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Aufteilung der digitalen Lerneinheiten in Selbstlern- und Anwendungseinheiten angemessen ist und die verschiedenen Formate in der Selbstlerneinheit zur Wissensvermittlung geeignet sind (siehe Tabelle 2).



Tabelle 2 Auswahl der Ergebnisse der Dimension Verständlichkeit

N=213

[Quelle: eigene Darstellung]



So gaben 71 Prozent der Studierenden an, dass ihnen die dargestellte Theorie in der Selbstlerneinheit bei der Bearbeitung der Anwendungs­einheit geholfen hat, 23 Prozent der Studierenden stimmten dieser Aussage teilweise zu (M=2,06; SD=0,833). 72 Prozent der Studierenden gaben an, dass die Anwendungsaufgabe grundsätzlich für das vertiefte Verständnis der Lerninhalte hilfreich war, 22 Prozent der Studierenden stimmten dieser Aussage teilweise zu (M=2,07; SD=0,841). Auch die Übungsaufgaben in den Selbstlerneinheiten waren für das Verständnis der Lerninhalte für 75 Prozent der Studierenden hilfreich, 20 Prozent stimm­ten dieser Aussage teilweise zu (M=2,00; SD=0,831). Darüber hinaus gaben 85 Prozent der Studierenden an, dass die Inhalte der Selbstlern­einheit zum Beispiel durch Power-Point-Präsentationen, Erklärvideos, interaktive Grafiken angemessen veranschaulicht wurden, 11 Prozent der Studierenden stimmten dieser Aussage teilweise zu (M=1,77; SD=0,810).

Auch in den offenen Antwortformaten äußerten die Studierenden, dass der Aufbau der digitalen Lerneinheiten für das Lernen hilfreich war, wie in folgender Aussage:

»Dass man selbst bestimmen konnte, welche Aufgaben man zuerst bearbeitet, und dass es interaktive Aufgaben wie das Zuordnen von Begriffen gab.« (LE7-5)

Darüber hinaus wurden die Wissensüberprüfungen in den Selbstlerneinheiten positiv aufgenommen, wie in den folgenden Aussagen zum Ausdruck kommt:

»Die Selbstlernkontrollen sind äußerst effektiv,« (LE7-5)

oder:

»[…] zudem fand ich auch die Wissensabfragen gut, da man sich so auch intensiver mit den Inhalten auseinandergesetzt hat« (LE8-10)

Auch die verschiedenen Medien wurden positiv hervorgehoben, wie in folgenden Aussagen:

»Ich fand die verschiedenen Medien gut, weil man so nicht nur Texte lesen musste, sondern vielfältig eine Vorstellung vom Thema bekommt […]«. (LE8-10)

Es gab aber auch Rückmeldungen der Studierenden zu den digitalen Materialien, auf deren Grundlage dann Überarbeitungen vorgenommen wurden, wie zum Beispiel:

»Die Tonaufnahme in manchen Videos hat manchmal gehangen«. (LE10-17)

Zudem gaben einige Studierende an, dass der Umfang der Anwendungsaufgabe zu umfangreich war:

»Eventuell etwas die Anwendungsaufgaben kürzen«, (LE8-13)

oder:

»Ich fand die Anwendungsaufgabe sehr schwierig, anstrengend und langatmig«. (LE11-8)

Diese Äußerungen wurden zum Anlass genommen, Änderungen an den Anwendungsaufgaben vorzunehmen.



4.3 Dimension: Gebrauchstauglichkeit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass sich die E-Learning-Plattform ILIAS sehr gut für die Bereitstellung digitaler Lerneinheiten eignet und eine hohe Gebrauchstauglichkeit aufweist (siehe Tabelle. 3).



Tabelle 3 Auswahl der Ergebnisse der Dimension Gebrauchstauglichkeit

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[Quelle: eigene Darstellung]



So wurde die Bedienung der Lerneinheiten von 88 Prozent der Studierenden als einfach empfunden, 11 Prozent der Studierenden stimmten dieser Aussage teilweise zu (M=1,55; SD=0,723). Zudem gaben 87 Prozent der Studierenden an, dass sie ohne Mehraufwand mit den technischen Anforderungen der digitalen Lerneinheiten umgehen konnten, 10 Prozent der Studierenden stimmten dieser Aussage teilweise zu (M=1,62; SD=0,766). Auch die Möglichkeit der Kapitelstrukturierung der Lerneinheiten auf ILIAS (siehe Kapitel 2.3) war für 90 Prozent Studierenden gut zugänglich, 9 Prozent stimmten dieser Aussage teilweise zu (M=1,58; SD=0,733). In den offenen Antwortformaten äußerten die Studierenden jedoch auch, dass die Kompatibilität mit den Betriebssystemen nicht immer gegeben ist, wie zum Beispiel:

»Ich konnte die Videos nicht über mein IPad abspielen«. (LE10-16)

Auf der Grundlage solcher Antworten konnten dann Änderungen an den digitalen Lerneinheiten vorgenommen und die technischen Probleme behoben werden.



4.4 Dimension: Wissenserwerb

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Lerneinheiten den Lernprozess zumindest erkennbar unterstützten (siehe Tabelle 4).



Tabelle 4 Auswahl der Ergebnisse der Dimension Wissenserwerb

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[Quelle: eigene Darstellung]



69 Prozent der Studierenden gaben an, dass die angestrebten Lernziele erreicht werden konnten, 24 Prozent der Studierenden stimmten dieser Aussage teilweise zu (M=2,12; SD=0,747). 71 Prozent der Studierenden stimmten grundsätzlich der Aussage zu, dass die Selbstlerneinheit ein angemessenes Verhältnis zwischen investierter Zeit und Lernerfolg ermöglicht, 20 Prozent stimmten dieser Aussage teilweise zu, 7 Prozent stimmten dieser Aussage kaum zu (M=2,13; SD=0,929). 81 Prozent der Studierenden gaben an, dass die unterschiedlichen Lernformate in den Lerneinheiten ihren Lernprozess sinnvoll unterstützten, 16 Prozent der Studierenden stimmten dieser Aussage teilweise zu (M=1,90; SD=0,790). Grundsätzlich gaben diese Studierenden auch im offenen Antwortformat an, dass die digitalen Lerneinheiten motivierend sind, wie zum Beispiel: »Die Abwechslung in den verwendeten Medien, den Inhalten und somit die kreative Vermittlung von Fachwissen auf eine solch anschauliche Art und Weise, dass man motiviert ist, sich noch über den Aufwand hinaus mit dem Thema zu beschäftigen.« (LE9-2)



4.5 Lernerfolg

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Pre- und Posttests, dass die Studierenden nach der Nutzung der digitalen Lerneinheiten in Ansätzen zum einen ein höheres Wissen in Bezug auf das jeweilige Thema der Lerneinheit haben und sich zum anderen sicherer fühlen, das Thema in der beruflichen Praxis umzusetzen (siehe Abbildung 8 und Abbildung 9). Darüber hinaus sehen sie eine höhere Relevanz der einzelnen BNE-Themen für ihre berufliche Praxis (siehe Abbildung 10).

Während im Pretest nur 19 Prozent der Studierenden der Aussage zustimmten haben (»trifft vollständig zu« oder »trifft zu«), dass sie über ein hohes Wissen des in der digitalen Lerneinheit behandelten Themas verfügen, stimmten im Posttest 50 Prozent der Studierenden dieser Aussage zu (siehe Abbildung 8). Dennoch stimmten 41 Prozent im Posttest dieser Aussage nur teilweise zu, weitere 9 Prozent gaben an, dass sie kaum oder kein hohes Wissen zum Thema verfügen.

Abbildung 8 Ergebnisse der Dimension Lernerfolg (Item: »Ich verfüge über ein hohes Wissen zu diesem Thema.«)

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[Quelle: eigene Darstellung]

Während im Pretest 53 Prozent der Studierenden der Aussage zuge­stimmt haben (»trifft vollständig zu« oder »trifft zu«), dass das Thema eine hohe Bedeutung für ihre berufliche Praxis hat, haben im Posttest 70 Pro­zent der Studierenden dieser Aussage zugestimmt (siehe Abbildung 9). Im Posttest stimmen weiterhin 16 Prozent der Studierenden dieser Aussage teilweise zu, weitere 14 Prozent gaben an, dass das Thema entweder kaum oder keine Bedeutung für ihre berufliche Praxis hat.

Abbildung 9 Ergebnisse der Dimension Lernerfolg (Item: »Das Thema hat eine hohe Bedeutung für meine berufliche Praxis.«)

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[Quelle: eigene Darstellung]

Während im Pretest 38 Prozent der Studierenden der Aussage zustimmten (»trifft vollständig zu« oder »trifft zu«), dass sie sich sicher fühlten, das Thema in ihrer zukünftigen Berufspraxis umsetzen zu können, stimmten im Posttest 54 Prozent der Studierenden dieser Aussage zu (siehe Abbildung 10). Im Posttest stimmen weiterhin 35 Prozent der Studierende dieser Aussage teilweise zu, weitere 10 Prozent geben an, dass sie sich kaum oder nicht sicher fühlen, das Thema in der zukünftigen beruflichen Praxis umzusetzen.

Abbildung 10 Ergebnisse der Dimension Lernerfolg (Item: »Ich fühle mich sicher, das Thema in meiner zukünftigen beruflichen Praxis umzusetzen.«)

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[Quelle: eigene Darstellung]



5 Diskussion

Open Educational Resources werden von UNESCO, EU und Kultus­minister­konferenz als wichtige Mittel gesehen, um Zukunftskompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schule und Hochschule zu vermitteln (Inamorato Dos Santos et al., 2016; Kultusministerkonferenz, 2015, 2017; Deutsche UNESCO-Kommission, 2015). Besonders die Lehr­kräftebildung steht hier im Fokus, da angehende Lehrkräfte als change agents gesehen werden, welchen bei der Implementierung von Bildung für nachhaltige Entwicklung im Schulunterricht und bei der entsprechen­den Kompetenzvermittlung (siehe UNESCO, 2017; Bianchi et al., 2022) eine zentrale Rolle zukommt. Damit sie dieser Rolle gerecht werden können, müssen BNE-Kompetenzen auf fachlicher und auf didaktischer Ebene im Rahmen des Hochschulstudiums vermittelt werden.

Daher wurde das Projekt BNE-OER umgesetzt und digitale Lerneinheiten als OER veröffentlicht. Die Ergebnisse der Evaluationen zeigen auf, dass die digitalen Lerneinheiten im Kontext von BNE ein hohes Potential in der Hochschullehre haben, jedoch gezielt eingesetzt werden müssen.

So besteht ein Vorteil darin, die Bearbeitungszeit der Lerneinheiten und die Bearbeitung der Lerneinheiten frei einteilen zu können, was von den Studierenden als positiv angesehen wird. Ebenso wird die Medienvielfalt in der Selbstlerneinheit sowie deren Struktur von den Studierenden als angemessen und hilfreich empfunden (siehe Tabelle 1 und 2). Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, differenziert auf die heterogene Lern­gruppe einzugehen und zu jeder angebotenen digitalen Lerneinheit auf äquivalente wissenschaftliche Artikel zu verweisen, damit die Studieren­den auf verschiedene Medien zurückgreifen können (siehe Tabelle 1 und 2). In jeder von uns konzipierten Lerneinheit wird daher Basisliteratur angegeben. Basierend auf den Ergebnissen empfiehlt es sich, die Stu­dierenden auf das Vorhandensein von Basisliteratur hinzuweisen und sie zu motivieren, diese parallel zur Bearbeitung der digitalen Lerneinheiten zu nutzen. Auch die Anwendungseinheit ermöglicht insgesamt eine gute Anwendung des erworbenen Wissens. Dennoch ist eine gemeinsame Besprechung in den entsprechenden Lehrveranstaltungen unerlässlich, um den Lernerfolg der Lernenden beurteilen zu können (siehe Tabelle 2 und Abbildung 8). Zudem ersetzen digitale Lerneinheiten nicht Lehr­veranstaltungen, sondern sollten als Erweiterung der Lehre angesehen werden.

Die Lerneinheiten sind insgesamt so konzipiert, dass sie in 90 Minuten bearbeitet werden können. Allerdings kann die Bearbeitungszeit nicht immer gewährleistet werden. Zum einen setzen einige Lerneinheiten auch Vorkenntnisse voraus (zum Beispiel Lerneinheit BNE-Kritik). Daher müssen die Studierenden, bevor sie die Lerneinheit bearbeiten können, sicherstellen, das Vorwissen aufzuweisen, oder die Bereitschaft haben, sich das Vorwissen vor der Bearbeitung anzueignen. Zum anderen behandeln viele Lerneinheiten komplexe Themenfelder (zum Beispiel Lerneinheit Klimawandel), die eine längere Bearbeitungszeit, aber auch Nachbearbeitung erfordern. Daher ist es wichtig, dass die Lehrenden und Studierenden reflektiert vorgehen, um die Bearbeitungszeit der Lern­einheiten richtig einschätzen zu können. Es ist daher empfehlenswert, für einige Lerneinheiten mehr Zeit in den Lehrveranstaltungen einzuplanen (siehe Tabelle 2).

Alle im Projekt BNE-OER ausgewählten Themen wurden auf der Grund­lage einer Modulhandbuchanalyse (siehe Kapitel 2.2) entwickelt. Somit haben alle Themen eine Relevanz für die berufliche Praxis. Basierend auf den Ergebnissen (siehe Abbildung 9), kann es allerdings empfehlenswert sein, den Studierenden vor der Bearbeitung der Lerneinheiten die Ver­ankerung im Modulhandbuch der jeweiligen Institution sowie im Curri­culum der Schulen aufzuzeigen.

Grundsätzlich fördern die Lerneinheiten anspruchsvolle Kompetenzen (siehe Kapitel 2.1), die sich aus komplexen Themen im Kontext von BNE ergeben (siehe Kapitel 2.2). Ein hoher Wissensstand und ein sicherer Umgang in der beruflichen Praxis zu einem umfangreichen und komplex­en Thema kann daher nicht immer sofort erreicht werden. Diese Grenze wird auch in den Ergebnissen der Evaluation deutlich (siehe Abbildungen 8 und 10). Es kann daher empfehlenswert sein, die formulierten Lernziele als Checkliste bei der Bearbeitung der Lerneinheiten zu verwenden, um den Lernenden ihren Wissenszuwachs und das Potenzial zur Vernetzung des erworbenen Wissens im Kontext von BNE zu verdeutlichen und so auch die Motivation der Nutzenden aufrechtzuhalten.

Open Educational Resources sind ein wichtiger Baustein für die Vermitt­lung von Zukunftskompetenzen in Schule und Hochschule. Insgesamt eignet sich die E-Learning-Plattform ILIAS aufgrund der technischen Möglichkeiten (siehe Kapitel 2) und der Benutzerfreund­lichkeit (siehe Tab. 4.3) sehr gut, um digitale Lerneinheiten zu erstellen und als OER zu veröffentlichen.



6 Ausblick

Die hier vorgeschlagene Struktur von digitalen Lerneinheiten für die Hoch­schulbildung könnte damit für die Entwicklung von ähnlichen BNE-Projekten übernommen werden. Ebenso übertragbar sind das Vorgehen bei der Evaluation der OER und die hier vorgestellten Evaluationskriterien Interesse/Motivation, Verständlichkeit, Gebrauchstauglichkeit, Wissens­erwerb und Lernerfolg. Der entwickelte Fragebogen ist als OER ver­öffent­licht und kann für ähnliche Projekte genutzt und weiterent­wickelt werden.

Abschließend hoffen wir, dass die von uns entwickelten OER in verschie­denen universitären Kontexten für die Entwicklung von Zukunftskompe­ten­zen eingesetzt und weiterentwickelt werden.



Förderhinweis: Das Projekt Bildung für Nachhaltigkeit durch Open Edu­cational Resources vermitteln (BNE-OER) wird im Verbund der Univer­sität Köln (Arbeitsgruppe Budke), der Bergischen Universität Wuppertal (Arbeitsgruppe Kuckuck und Seehagen vom MediaLab) und der Fach­hochschule Südwestfalen (Arbeitsgruppe Henrichwark) durch­geführt. Es wird vom Land Nordrhein-Westfalen in der Förderlinie OERcontent.NRW gefördert.

Dank: Unser Dank gilt Frau Haack vom CompetenceCenter E-Learning der Universität zu Köln, die uns bei der technischen Umsetzung der Lern­einheit geholfen hat, Frau Spaude von der ORCA-Netzwerkstelle der Universität zu Köln, Johannes Berger und Pascal Muschik, die als studentische Hilfskräfte bei der Erstellung der Lerneinheiten und der Evaluation mitgearbeitet haben.



¹ Das Projekt BNE-OER wird vom Land NRW in der Förderlinie OERContent.NRW unterstützt. Die Projektpartner sind die Universität zu Köln (Arbeitsgruppe Budke), die Fachhochschule Südwestfalen (Arbeitsgruppe Henrichwark) sowie die Bergische Universität Wuppertal (Arbeitsgruppe Kuckuck und Medialab).



DIE AUTORINNEN

Alexandra Budke ist Professorin am Institut für Geographiedidaktik der Universität zu Köln. Im Projekt Bildung für nachhaltige Entwicklung durch Open Educational Resources (BNE-OER) vermitteln war sie Projektleiterin. alexandra.budke@uni-koeln.de

Dina Vasiljuk ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geographiedidaktik der Universität zu Köln. Im Projekt Bildung für nachhaltige Entwicklung durch Open Educational Resources (BNE-OER) vermitteln war sie Projektkoordinatorin. d.vasiljuk@uni-koeln.de



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FOKUS: SPEZIFISCHE FUTURE SKILLS

05 · FUTURE SKILLS VON MÄDCHEN STÄRKEN ⸺

JOHANNA STILLER Deutsche Kinder- und Jugendstiftung GmbH

In diesem Praxisbericht wird das Programm Wir stärken Mädchen der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) mit Blick auf die Vermit­tlung von Future Skills betrachtet. Der Beitrag schaut darauf, wie dieses Programm durch Projekte in MINT und Handwerk und bei der Entwick­lung von Apps Zukunftskompetenzen bei Mädchen fördert. Dabei wer­den die Erfolge und Herausforderungen der Vermittlung von Future Skills in diesem Kontext beleuchtet.



1 Hintergrund: das Programm Wir stärken Mädchen

Damit sich junge Frauen selbstbestimmt und unabhängig von Stereotypen für einen Berufsweg entscheiden, hat die Deutsche Kinder- und Jugend­stiftung (DKJS) gemeinsam mit der Stiftung RTL – Wir helfen Kindern das Programm Wir stärken Mädchen gestartet. Es fördert die Auseinander­set­zung mit geschlechteruntypischen Berufsbildern und die Zukunfts­kompetenzen von Mädchen für eine chancengerechte Zukunft (Webseite: Wir stärken Mädchen, 2024).

Das Programm adressiert die gesellschaftliche Problemstellung, dass junge Frauen sich seltener für einen Berufsweg in MINT und Handwerk entscheiden als junge Männer (Statista, 2023). Frauen sind in der Folge in diesen Bereichen deutlich unterrepräsentiert, was sie gleichzeitig von finan­ziell attraktiven Angeboten auf dem Arbeitsmarkt und von Mit­sprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten in führenden und die Gesell­schaft prägenden Branchen ausschließt (Maier-Rabler 2022, S. 97). Ein Grund dafür ist, dass Mädchen sich trotz teilweise sogar besserer Leis­tungen in den MINT-Fächern schlechter einschätzen als Jungen und sich daher in diesen Themenfeldern weniger zutrauen und sich weniger dafür interessieren (Anger et al., 2019, S. 83–85). Das wiederum liegt unter anderem daran, dass Mädchen in geschlechtsgemischten Klassen selbst von Lehrkräften schlechter eingeschätzt werden als Jungen (Krämer et al., 2021, S. 33). Den Lehrkräften sowie pädagogischen Fachkräften fehlen häufig das Wissen und die Fähigkeiten, (eigene) Geschlechter­stereotype zu reflektieren und abzubauen und so Mädchen in den MINT-Fächern gleichberechtigt zu fördern und zu unterstützen (Steiner et al., 2015, S. 25). Schlussendlich fehlt es in Schulen auch an Räumen, in denen sich Mädchen frei ausprobieren und mit Rollenvorbildern (Role Models) austauschen können (Krämer et al., 2021, S. 32).

Das Programm ist aufgeteilt in die zwei Module future ready und Techno­vation Girls Germany, die im Folgenden umrissen werden. Im selben Zuge werden konkrete Angebote innerhalb der Programme vorgestellt, mit denen in den beiden Modulen die Future Skills der Teilnehmerinnen ge­stärkt werden.



2 Future Skills bei der DKJS – die 6C Future Competencies

Die DKJS hat in Zusammenarbeit mit dem SINUS-Institut eine repräsen­tative Online-Studie durchgeführt, um die Sicht der Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf wichtige Zukunftskompetenzen zu ermitteln. Aus dieser Studie wurden die 6C Future Competencies abgeleitet, die als wesentliche Eigenschaften und Fähigkeiten für den beruflichen und persönlichen Erfolg in der Zukunft angesehen werden. Weitere Informa­tionen zur Studie finden sich auf der Webseite der DKJS. Die 6C Future Competencies sind aus Sicht der Jugendlichen und jungen Erwachsenen wichtige Eigenschaften und Fähigkeiten, um in Zukunft im Beruf und im Leben erfolgreich zu sein. Diese Zentrierung auf die Sicht der Jugend­lichen selbst ist bei der Arbeit mit den Zielgruppen ein wichtiger Ansatz, um eine Passgenauigkeit der Maßnahmen auf ihre eigenen Bedarfe mit Blick auf ihre Zukunft zu erreichen. Aus den Befragungen der Jugend­lichen ergaben sich folgende Kompetenzen und Definitionen:

  • Creativity: Offen und neugierig an Lösungsansätzen arbeiten.
  • Critical Thinking: Aufmerksam bleiben und Themen kritisch hinterfragen.
  • Collaboration: Auf Augenhöhe und mit einem gemeinsamen Ziel zusammenarbeiten.
  • Communication: Respektvoll und wertschätzend mit anderen reden und sich austauschen.
  • Coolness: Einen kühlen Kopf bewahren und auf sich achten.
  • Charisma: Aktiv und selbstbewusst auftreten und über Ideen sprechen, beispielsweise beim Präsentieren einer eigenen Idee oder eines Projekts.



2.1 Future Skills im Programmmodul Wir stärken Mädchen – future ready

Das Programmmodul Wir stärken Mädchen – future ready unterstützt Mädchen und junge Frauen dabei, Projekte im MINT- und Handwerks­bereich umzusetzen, sich zu vernetzen und sich mit ihren Zukunftsthemen zu beschäftigen. Dafür können sich Schulen mit Projektideen zur För­de­rung ihrer Schülerinnen für die Teilnahme am Programm bewerben. Die Schulen erhalten Projektgelder für die Umsetzung ihrer Projekte sowie eine fachliche Begleitung und Beratung durch das Programmteam bei der DKJS.

Zugleich setzen sich die erwachsenen Begleiterinnen und Begleiter der Projekte an den teilnehmenden Schulen mit den Chancen gender­sensibler Bildungsangebote im Rahmen von Online-Workshops und Vernet­zungs­formaten auseinander, können ihr Wissen erweitern und praktische Umsetzungsmöglichkeiten kennenlernen.

Das Programm stellt den teilnehmenden Projekten zudem einen »Role Model Pool« zur Verfügung, in dem sich pädagogische Fachkräfte sowie die teilnehmenden Mädchen mit inspirierenden Vorbildern vernetzen können, die für ihr Wir stärken Mädchen-Projekt passend sind. Die darin vorgestellten Frauen sind selbst in männerdominierten Bereichen tätig und können sich selbstständig für den Role Model Pool melden, um mit dieser Form des Engagements jungen Frauen als Vorbild zu dienen und so den Weg in diese Bereiche zu ebnen.

Für die teilnehmenden Mädchen werden verschiedenste Vernetzungs- und Inspirationsformate umgesetzt. Sie erhalten die Möglichkeit, Role Models kennenzulernen, an Unternehmensbesuchen teilzunehmen sowie am Ende der Projektlaufzeit bei einer großen Abschlussveranstaltung die Ergebnisse ihrer Projekte den anderen teilnehmenden Mädchen vorzu­stel­len. Einblicke in die Projekte der Mädchen können auf der Programm­webseite eingesehen werden. Im Programm entstanden auf Basis der oben erwähnten 6C Future Com­pe­tencies eine Infografik und Impulskarten zu den in der Studie erarbei­teten Zukunftskompetenzen. Für die Infografik wurden die Kompetenzen für die Zielgruppe ansprechend als A3-Postervorlage aufgearbeitet:

Abbildung 1 Infografik "Wir stärken unsere Zukunftskompetenzen"

[Quelle: DKJS | Wir stärken Mädchen]



Ergänzend zu der Infografik wurden im Programm die sogenannten »Impulskarten« gestaltet, mit denen die Mädchen sich den dargestellten Zukunftskompetenzen spielerisch nähern und durch die beschriebenen Aufgaben ihre eigenen Kompetenzen stärken. Dabei sind die Aufgaben inhaltlich an der Programmthematik ausgerichtet und schaffen so eine logische Verbindung sowie eine Einbettung der Future Skills in die kon­kreten Projekte der Mädchen. Nach Aussage von teilnehmenden Lehr­kräften ist die Vermittlung von Kompetenzen sonst oft eher im Hinter­grund, zum Beispiel in der Gestaltung von Lehrplänen oder Unter­richts­konzepten angelegt und fließt dabei selten in die direkte Kommu­ni­kation mit den Kindern und Jugendlichen ein. Die Arbeit mit den Impuls­karten kann einen Anlass schaffen, direkt mit den Schülerinnen zu der Thematik der Future Skills in den Austausch zu kommen und dabei einen Lebens­weltbezug herzustellen. Das Gelernte kann dadurch direkt ange­wendet und somit nachhaltiger verankert werden. Nachfolgend werden die Inhalte der Impulskarten mit den Ausführungen zu den Kom­petenzen und den dazugehörigen Aufgaben wiedergegeben. Über diesen Link können die Karten direkt eingesehen werden.



Creativity

Beschreibung: Kreativität bedeutet, offen und neugierig an Lösungs­ansätzen zu arbeiten, kreativ und wild zu denken.

Impuls: Es gibt kein Richtig oder Falsch! Lasst eurer Kreativität freien Lauf und sammelt erst mal eure Ideen. Alles ist möglich!

Aufgabe: Erfindet gemeinsam eine Maschine, die wir in Zukunft gut ge­brauchen können und malt diese auf. Im Anschluss präsentiert ihr eure Erfindung vor der Gruppe.



Critical Thinking

Beschreibung: Kritisches Denken bedeutet, aufmerksam zu bleiben und Themen kritisch zu hinterfragen.

Impuls: Probleme erkennst du, indem du Dinge gründlich hinterfragst und aufmerksam bleibst. Nur weil irgendwas schon immer so war, heißt es nicht, dass das richtig ist oder für immer so bleiben muss.

Aufgabe: Suche dir einen Beruf heraus, in dem vor allem Männer arbeiten, und sammle fünf Fakten über diesen Beruf. Hinterfrage dabei, warum so wenig Frauen in dieser Berufsgruppe vertreten sind.



Collaboration

Beschreibung: Kollaboration bedeutet, auf Augenhöhe und mit einem ge­meinsamen Ziel zusammenzuarbeiten.

Impuls: In einem Team kommen Leute mit ganz vielen verschiedenen Ideen und Fähigkeiten zusammen. Für alles, was du selbst nicht kannst, suchst du dir eine Person, die es kann oder Lust darauf hat, es zu lernen.

Aufgabe: Findet euch in einer Gruppe zusammen und definiert ein ge­mein­sames Ziel! Findet innerhalb von fünf Minuten heraus, was ihr in der Gruppe gut könnt: Gemeinsamkeiten oder auch Unterschiede, mit denen ihr euch gut ergänzt.



Communication

Beschreibung: Kommunikation bedeutet, respektvoll und wertschätzend mit anderen zu reden und sich auszutauschen.

Impuls: Bleibt offen für Kritik und gebt euch gegenseitig immer wieder ehr­liches Feedback.

Aufgabe: Geh auf ein Gruppenmitglied zu und sage der Person, was du ihr schon immer einmal sagen wolltest: was sie deiner Meinung nach toll kann oder eine Sache, die sie in letzter Zeit besonders gut gemacht hat.



Coolness

Beschreibung: Coolness bedeutet, einen kühlen Kopf zu bewahren und auf dich zu achten.

Impuls: Arbeite nicht über deine Kräfte hinaus. Nimm dir eine Pause, wenn du sie brauchst. Ein gutes Zeitmanagement hilft dir, gesund zu blei­ben und deine Aufgaben motiviert zum Abschluss zu bringen.

Aufgabe: Fällt dir eine Situation ein, in der du mehrere Dinge gleichzeitig machen musstest? Berichte einer anderen Person davon und erzähle, wie du sie gemeistert hast.



Charisma

Beschreibung: Charisma bedeutet, aktiv und selbstbewusst aufzutreten und über deine Ideen zu sprechen. Zum Beispiel beim Präsentieren einer eigenen Idee oder eines Projekts.

Impuls: Zeig anderen deine Begeisterung für ein Thema. So kannst du sie mitreißen und Unterstützung von ihnen erhalten.

Aufgabe: Erzähle der Gruppe von einem Thema, das dich begeistert.



Die Infografik und die Impulskarten werden innerhalb des Programms modulübergreifend aktiv bei Veranstaltungen oder den Schulprojekten der Mädchen eingebunden und können die Fähigkeiten der Mädchen mit spielerischen Aufgaben ausbauen. In gedruckter Form werden sie den teil­nehmenden Schulen zum Start ihrer Projektlaufzeit zugesendet. Zu­sätz­lich sind die Druckvorlagen kostenfrei auf der Webseite des Pro­gramms zum Download verfügbar. In den Projektteams an den Schulen werden die Karten zu verschiedenen Zwecken eingesetzt, zum Beispiel als Warm-up bei ihren Treffen oder zur Ideenentwicklung und Reflexion. Auch in der Arbeit des Programmteams mit den Lehrkräften fanden die Karten Anwendung. So wurden die Grafiken beispielsweise in ein Task­cards-Board überführt, um mit den Lehrkräften zu reflektieren, wie die Mädchen an ihren Schulen die einzelnen Zukunftskompetenzen konkret in ihrem Projekt gestärkt haben.



Abbildung 2 Einsatz der Impulskarten Zukunftskompetenzen im Programm Wir stärken Mädchen

[Quelle: DKJS | Lys Y. Seng]



2.2 Future Skills im Programmmodul »Technovation Girls Germany«

Mädchen im Alter zwischen zehn und 18 Jahren finden im Programm–modul Technovation Girls Germany mithilfe von selbstentwickelten Apps Lösungen für soziale und ökologische Herausforderungen in ihrer Lebens­welt. Dabei erlangen sie digitale sowie unternehmerische Kompetenzen. Technovation Girls empowert Mädchen auf ihrem Weg in eine digitale Zukunft und sensibilisiert sie für eine gerechtere Welt. Begleitet werden die Mädchen von Mentorinnen, die sie von der ersten Ideenfindung bis hin zur Präsentation ihrer App-Projekte unterstützen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen (Webseite: Wir stärken Mädchen, 2024). Dabei folgen sie einem Curriculum, das in die Teilbereiche Ideation, Coding, Entrepreneurship und Pitching gegliedert ist sowie ein Zusatzmodul zu Künstlicher Intelligenz enthält.

Seit 2010 haben bereits über 39.000 Mädchen aus mehr als 100 Ländern am internationalen Technovation Girls-Programm teilgenommen und Apps zur Lösung lokaler Probleme entwickelt. In Deutschland wird das Pro­gramm­modul Technovation Girls Germany seit 2018 von der DKJS umge­setzt und ist mittlerweile Teil des Dachprogramms Wir stärken Mädchen.

Aus der Programmarbeit heraus entstand das Handbuch Schritt für Schritt zur eigenen App – Deine Ideen für eine gute Zukunft, das die In­hal­te des Programms in Komplexität und Umfang reduziert und niederschwelliger darstellt. Die Notwendigkeit dafür wurde aus den Rückmeldungen von Teilnehmerinnen sowie pädagogischen Begleitungen ersichtlich. Das internationale Technovation Curriculum, das im Rahmen der Pro­gramm­aktivitäten zwar in die deutsche Sprache übersetzt und zum Teil vereinfacht wurde, wird gerade in der Arbeit mit jungen Mädchen ohne Vorkenntnisse als zu hochschwellig eingeschätzt. Das führte dazu, dass viele Projektgruppen im Laufe der Arbeit mit dem Curriculum Schwierig­keiten hatten, am Ball zu bleiben, und gerade die digitale Zusammenarbeit in der Corona-Pandemie häufig abbrachen. Das in der Folge entwickelte Handbuch fokussiert sich auf die Kernbereiche und ist in der Struktur übersichtlicher aufgebaut. Es ist als Arbeitsbuch gestaltet, das sowohl digital als auch in Druckform genutzt werden kann. Mittels QR-Codes werden auch externe Inhalte eingebunden, wie beispielsweise Erklär­videos des programmeigenen Youtube-Kanals. Dabei ist es den Nutzer­innen, Begleitpersonen und Lehrkräften auch möglich, nur einzelne Kapitel und Inhalte zu nutzen. Es ist so konzipiert, dass es in der Praxis­anwendung jede der 6 C Future Competencies stärkt. Interessierten steht es als OER (Open Educational Resource) zur Verfügung und richtet sich vor allem an junge Menschen im Alter von zehn bis 18 Jahren und diejenigen, die sie begleiten, aber auch an alle anderen, die Lust haben, Apps für einen guten Zweck zu entwickeln.

Auch die oben genannten Erklärvideos wurden basierend auf Rückmel­dungen vor allem von pädagogischen Begleitungen entwickelt, um die Lerninhalte aufzulockern und mehr auf die Bedarfe der jugendlichen Zielgruppe einzugehen. Beispielsweise gibt dieses Erklärvideo einen zielgruppengerechten Einblick, wie ein App-Entwicklungsprojekt Zukunftskompetenzen stärken kann.



3 Herausforderungen (und ein paar Lösungen) aus der Programmpraxis

Auf einige Herausforderungen wird im Programm mit den vorgestellten Maßnahmen bereits reagiert – so zum Beispiel besonders Mädchen in herausfordernden Lebenslagen zu erreichen und sie dabei über einen längeren Zeitraum im Projektlernen zu unterstützen, mit Motivation am Ball zu bleiben. Darauf zahlen im Programmmodul Technovation Girls Germany das Handbuch sowie die Videos ein. Nichtsdestotrotz müssen aber immer Kontexte, zum Beispiel an Schulen, geschaffen werden, in denen Pädagoginnen und Pädagogen die Mädchen bei diesen Projekten begleiten. Die rein selbst organisierte Umsetzung der Projekte hat sich nach wie vor als herausfordernd für die teilnehmenden Mädchen gezeigt und wird meist nur von jenen Gruppen durchgehalten, die zu Hause entsprechende Unterstützungsstrukturen erleben.

Im Programmmodul future ready funktioniert die Erreichung der genann­ten Zielgruppen besser, da die Projekte dort von Anfang an in den Schul­kontext eingebettet sind. Durch die Auswahl der teilnehmenden Schul­formen und die Sensibilisierung der Lehrkräfte bei der Ansprache der teilnehmenden Schülerinnen kann so schon eine bessere Erreichung der gewünschten Zielgruppe sowie ihre kontinuierliche Begleitung gewähr­leis­tet werden. Allerdings besteht hierin eine andere Herausforderung: Gerade mit den Stichworten Monoedukation und Projektlernen ist die Einbettung in den Schulkontext teilweise ebenfalls erschwert gegenüber Angeboten, die sich mit klarer Fächerzuordnung an gemischte Gruppen richten und damit einfacher direkt in den Fachunterricht Eingang finden können. Gerade der interdisziplinäre Ansatz im Projektlernen ermöglicht allerdings den Teilnehmerinnen anwendungsbezogene Lernerlebnisse, in die sie eigene Interessen mit einfließen lassen können – was zu einer nachhaltigeren Wirkung führt. Teilnehmerinnen zufolge spielt es auch eine Rolle, mal etwas anderes als den »klassischen Unterricht« und den damit verbundenen Notendruck zu erleben, was zu einer gesteigerten Motivation führen kann. Um dem Rechnung zu tragen, haben teilneh­mende Schulen gute Erfahrungen mit AG-Angeboten, zum Beispiel in Form einer Einbettung in den Ganztag gemacht.

Eine allgemeine Herausforderung liegt wie so oft im Lehrkräftemangel sowie der Überarbeitung der Pädagoginnen und Pädagogen, die extra­curriculare Angebote oft zusätzlich zu ihren ohnehin schon zahlreichen Aufgaben schultern. So erreichen die Angebote meist eine Zielgruppe, die besondere Motivation aufweist, für die ihnen große Dankbarkeit gebührt – die teilnehmenden Mädchen danken es ihnen ebenfalls und bestätigen ihren Begleitpersonen damit die Wichtigkeit ihres Engagements.



4 Die Zukunft von Wir stärken Mädchen und der Vermittlung der Future Skills

Die DKJS versucht ihre Maßnahmen weiterhin stetig an den Bedarfen der Zielgruppen aus der Praxisarbeit zu schärfen und weiterzuentwickeln. Außerdem ist ihr stets daran gelegen diese so aufzubereiten und verfüg­bar zu machen, dass auch außerhalb des Programms damit gearbeitet werden kann. Besonders vor dem Hintergrund von endlichen Projekt­förder­mitteln und -laufzeiten soll auf diese Weise über die direkt erreich­ten Schulen und Mädchen hinausgewirkt und aus den Praxiserfahrungen Produkte entwickelt werden, die wie die oben geschilderten Beispiele auf der Programmwebseite für alle Interessierten zum Download verfügbar gemacht werden. So blickt das Programm gespannt auf seine weitere Future Skills Journey.





DIE AUTORIN



Johanna Stiller ist seit 2016 in der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und verantwortet seit 2021 die Programmleitung von Wir stärken Mädchen



LITERATURVERZEICHNIS

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Krämer, H., Schad-Dankwart, I., Conein, S. & Azeez, U. (2021). Frauen wählen MINT: Einflussfaktoren bei der Berufswahl und der Entscheidung für eine Aufstiegsfortbildung (FeMINT) Forschungsprojekt: Zwischenbericht (S. 32–33). Bundesinstitut für Berufs­bildung. https://www.bibb.de/dienst/dapro/daprodocs/pdf/zw_21320.pdf. Abgerufen am 14.05.2024.

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Steiner, K., Kerler, M. & Schneeweiß, S. (2015). Praxishandbuch Technische und natur­wissenschaftliche Qualifizierungen von Frauen. Berufsorientierung & Methoden für gender­gerechte Didaktik. Resilienzfaktoren gegen die geschlechtsspezifische Segregation (S. 25). abif – Analyse, Beratung und interdisziplinäre Forschung. https://ams-forschungsnetzwerk.at/downloadpub/AMS_PH_BO_MGGD.pdf. Abgerufen am 14.05.2024.

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Webseite: Wir stärken Mädchen (2024). https://wir-staerken-maedchen.de/module/. Abgerufen am 14.05.2024.



Erfahren Sie mehr über die Future Skills Journey und die Allianz für Future Skills.



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